Müschede. Der Arnsberger Betrieb „Ernst Urban“ produziert in dritter Generation Lampenschirme in Handarbeit. Eines darf in der Werkstatt nie fehlen.
Droht den Mitarbeiterinnen der Arnsberger Firma „Ernst Urban“ der Geduldsfaden zu reißen, dann gibt es für sie nur einen Ausweg: Die Schokolade muss her!
Christa Urban lacht laut auf, wenn sie die Anekdote erzählt. Die 75 Jahre alte Seniorchefin des Familienbetriebs in der Lampenschirm-Herstellung aus Müschede repariert gerade einen durchlöcherten Lampenschirm mit einer Heißklebepistole.
In der Manufaktur in den Lüttkenwiesen in Müschede werden seit mehr als sechs Jahrzehnten die Produkte in Handarbeit hergestellt. Konkret bedeutet das: Im Bereich der Metallverarbeitung produzieren die Mitarbeiter zunächst die Gestelle – also das Grundgerüst – für die Lampenschirme. In der eigenen Pulverei erhält das Gestell schließlich die gewünschte Farbe.
Lampenschirme von „Ernst Urban“: Individuelle Gestaltung erwünscht
Im nächsten Arbeitsschritt entstehen an digitalen Schneidetischen in der Werkstatt die Zuschnitte für den Bezug des Lampenschirms, die in der Regel aus PVC Folie mit aufkaschiertem Stoff bestehen. Diese werden dann schließlich von den Mitarbeiterinnen in detaillierter Handarbeit auf die Gestelle geklebt.
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Die Gestaltung erfolgt immer nach den individuellen Wünschen des Kunden: egal, ob für eine große Deckenleuchte oder eine kleine Tischlampe, ob für Schirme mit Bordüre oder im schlichten Design. Alles passiert in Handarbeit. „Man braucht ein gewisses Geschick, Fingerfertigkeit und ein Auge für Ordentlichkeit“, sagt Christa Urban.
Dabei sah es für Christa Urban zunächst nicht nach einer langjährigen Karriere in der Lampenschirm-Herstellung aus. Erfahrung in diesem Berufsfeld hatte sie nicht. Ursprünglich kam sie aus einer Gast- und Landwirtschaftsfamilie. Alles fing im Jahr 1964 an, als sie ihren späteren Ehemann Jochen Urban kennenlernte.
Kurze Zeit später brachte ihr der Schwiegervater, Ernst Urban, Gründer des bis heute gleichnamigen Betriebs, die Fertigkeiten in der Lampenschirm-Herstellung bei. Nun ist die 75-Jährige die dienstälteste Mitarbeiterin des Unternehmens – und denkt noch lange nicht ans aufhören. Mittlerweile leitet ihre Tochter Silvia Siegerink mit ihrem Mann Ralf das Familienunternehmen in dritter Generation.
Vor zwei Jahren haben sie einen digitalen Konfigurator entwickelt, mit dem sich die Kundinnen und Kunden ihren individuellen Lampenschirm nach eigenen Wünschen online gestalten können. Und im Sinne der Nachhaltigkeit soll bei einigen Schirmen die PVC-Folie durch Papier ersetzt werden. Zu viel Veränderung für die 75-jährige?
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Mitnichten! „Es hat sich immer alles verändert“, meint sie. „Vor 20 Jahren waren Pagoden mit Bommeln und Fransen angesagt, heute ist alles viel schlichter“, blickt Christa Urban zurück. Die Mode wandelt sich stetig. Was beim Arnsberger Familienbetrieb „Ernst Urban“ bleibt, ist die Besinnung auf die Handarbeit.
„Ich fange um kurz vor 8 Uhr mit der Arbeit an, zur Mittagszeit koche ich etwas und ab 15 Uhr arbeite ich noch mal zwei Stunden bis zum Feierabend“, so Christa Urban. Ein ganz normaler Arbeitstag.
Für die Zukunft muss sich der Familienbetrieb dennoch die Nachwuchsfrage stellen. Denn eine Ausbildung für den Beruf gibt es nicht. Silvia und Ralf Siegerink setzen auf Quereinsteigerinnen wie es damals auch Christa Urban war.
Zwischen 800 und 1000 Lampenschirme produziert die Firma täglich. Zehn bis zwölf Minuten braucht Christa Urban im Schnitt für einen Schirm. An einigen sei die Arbeit durchaus „fuckelig“, wie es die Seniorchefin beschreibt. „Dann wird auch mal geschimpft“, gibt sie offen zu, „aber ich lasse mich von den Schirmen nicht ärgern“. Ansonsten muss die Schokolade ausgepackt werden.