Hüsten.

Die kleine Beat-Box am Beckenrand wird angeworfen. Es läuft „Sun of Jamaica“ von der „Goombay Dance Band“ oder „Moviestar“ von „Harpo“. So verstaubt die Klänge, so neu das Ambiente. Der Rehakurs Neurologie hat heute seine erste Übungsstunde im kurz vor Weihnachten offiziell seiner Bestimmung übergebenen neuen Kursbecken des Freizeitbades Nass. Ich bin dabei, ich mache mit.

Der Kurs ist ein eingeschworener Haufen – man kennt sich, scherzt herum und freut sich, „unsere Barbara“ wiederzusehen. Barbara Klappert ist im Nass Fachangestellte für Bäderbetriebe, ist Teamleiterin im Bad und Rehasport-Übungsleiterin. In dieser Rolle steigt sie bis zu fünf Stunden pro Tag ins Wasser, um ihre Gruppen zu betreuen. Nur am Rand stehen, das geht nicht. Auch heute braucht einer besondere Hilfe.

Der 83-jährige Karl Lehrich ist zwar eigentlich eine richtige Wasserratte, ging fast 30 Jahre jeden Tag Schwimmen und gehörte im Nass immer zu den Stammgästen, doch seit seinem Schlaganfall im Juni 2021 ist er schwach auf den Beinen. „Ich musste das Laufen neu lernen“, erzählt er, „im Wasser kann ich schon wieder frei stehen“.

MS-Kranker Faid Katta beim Rehasport-Angebot Neurologie im Nass.
MS-Kranker Faid Katta beim Rehasport-Angebot Neurologie im Nass. © Martin Haselhorst

Er kann dank der Auftriebeigenschaften des Wassers das Training der Gruppe mitmachen, absolviert Kräftigungsübungen mit der „Nudel“, arbeitet an seiner Stabilität und seinem Gleichgewichtssinn. Zehn Mal sei er jetzt beim Kurs gewesen. „Das bringt richtig was“, erzählt er, „jetzt habe ich ja die Barbara zum Lernen“.

Das ist das neue Kursbecken im Nass>>>

Die 55-Jährige hilft ihm beim Schwimmen. Und wie sie ihn in Bauchlage hält, fühlt sich Karl wieder wie einst vor seinem Schlaganfall im Wasser, macht den Brustschwimmarmschlag und taucht gleichmäßig mit Gesicht und Nase im Wasser ein und aus.

Zahlen zum Kursbecken

175.250 Liter Wasser fasst das neue Kursbecken im Nass. Die hinzugewonnenen 125 Quadratmeter Wasserfläche erhöhen die Gesamtwasserfläche des Freizeitbades nun auf 1.237 Quadratmeter.

Bei Rehakursen im neuen 10 x 12,5 Meter großen Becken dürfen maximal 15 Teilnehmende im Wasser sein.

Das Becken wurde kurz vor Weihnachten sogar schneller als geplant offiziell übergeben. Insgesamt wurden rund 2,85 Millionen Euro investiert.

Eine Frau mit Herzblut

Die Laune ist gut. „Wilma, du sollst nicht schummeln!“, ruft Barbara Klappert und erinnert die 79-jährige Kursteilnehmerin daran, die anstrengende Koordinationsübung mit der „Nudel“ unter Wasser richtig zu machen. Die Ertappte entschuldigt sich schlagfertig. „Mein Feinkostladen ist im Weg“, sagt sie und erntet ein paar Lacher. „Der soziale Aspekt dieser Rehasportgruppen ist sehr wichtig“, sagt Barbara Klappert, „hier gibt es viel Gruppendynamik“. Aufgrund von Krankheitsbildern in der Neurologie-Gruppe leiden viele der Teilnehmer auch unter sozialer Isolation.

Freizeitbad Nass leidet unter Corona>>>

Mit mir im 10x12,5 Meter großen und 1,35 Meter tiefen Becken sind Menschen mit bewegenden Biografien, vor allem aber mit viel Mut. Eine gut gelaunte Stimmungskanone ist Gerd Neuhaus, der Ehemann von Wilma. Mit zehn Jahren hatte er einen schweren Verkehrsunfall und leidet seitdem unter Spastiken. „Er hat eine wahnsinnige Lebensfreude“, erzählt Barbara Klappert.

Hinter Angeboten des Rehasports – wer hier mitmacht, bekommt dies immer ärztlich verordnet –, stehen Biografien von oft starken gesundheitlichen Einschränkungen. Der jüngste in der Gruppe heute ist Faid Katta. Der 50-jährige ist schon seit 30 Jahren an Multipler Sklerose erkrankt. „Ich mache hier mit, um fit zu bleiben“, sagt er.

Das neue Becken nie sehen wird Georg. Seit seiner Kindheit ist er blind. Das Wasser und das Kursbecken sind für ihn ein schützender Raum, in dem er sich sicher bewegt. „Das macht er phänomenal“, staunt Barbara Klappert. Zur Orientierung reicht ein kleiner Hinweis. „Georg, was turnst du wieder in der Mitte rum“, sagt Barbara Klappert. Und wieder erntet sie ein Lachen und fröhliche Gesichter. „Ich mache das wirklich gerne“, sagt sie. Der Rehasport ist für sie mehr als ein Job. Die Barbara Klappert zeigt Herzblut.

Im neuen Kursbecken hilft ein Lifter gehandicapten Menschen, ins Wasser zu kommen.
Im neuen Kursbecken hilft ein Lifter gehandicapten Menschen, ins Wasser zu kommen. © Nass

„Nachfrage steigt“

Im neuen Kursbecken des Freizeitbades sind jetzt 30 Reha- und 18 Fitnesskurse angesetzt. Organisiert werden diese alle über das „Nass Vital“. Teamleiterin hier ist Annika Schulz (39). Sie freut sich, dass nun rund ein Dutzend neuer Kurse möglich sind. Abgesehen von den Schwimmkursen und die Wassergewöhnung für Babys finden nun alle Kurse im neuen Becken statt. „Das entlastet auch das Nichtschwimmerbecken im Freizeitbad“, so Bad-Teamleiterin Barbara Klappert.

Die Nachfrage nach ärztlich verordneten Reha- und Präventionsangeboten im Wasser nimmt zu. „Tendenz steigend“, sagt Annika Schulz, „erst jetzt können wir eine seit 2019 geführte Warteliste wirklich abbauen“. In der Regel werden Rehasportangebote für 50 Einheiten über eineinhalb Jahre verschrieben. Und das eigentlich auch nur einmal – einige Krankenkasse erkennen aber die Bedeutung der Angebote für die Patienten an und genehmigen wiederholte Verordnungen. „Es geht uns aber immer darum, dass die Teilnehmenden lernen, sich wieder selbstständiger und sicherer zu bewegen“, so Barbara Klappert.

Rund 450 Reha-Patienten werden im neuen Kursbecken betreut. Hinzu kommen die Fitnessangebote wie Aqua Cycling, Aqua Jump und Aqua Power.