Arnsberg/Hochsauerlandkreis. Studie der AG Intensiv- und Notfallmedizin Arnsberg zeigt Qualitätssteigerung der Versorgung vor Ort durch den Einsatz von Tele-Notärzten.
Im Hochsauerland könnten künftig Telenotärzte für eine schnellere und optimiertere Versorgung von Notfallpatienten im ländlichen Raum sorgen. Einem Antrag, den der HSK in einer Trägergemeinschaft mit den Kreisen Soest, Olpe und Siegen-Wittgenstein sowie dem Märkischen Kreis beim NRW-Gesundheitsministerium gestellt hat, wurde stattgegeben.
Was macht ein Telenotarzt? Hier ein Video-Clip>>>
Während in der Arbeitsgemeinschaft Intensiv- und Notfallmedizin in Arnsberg bereits mit Simulationen mehrere Gutachten mit ermutigenden Ergebnissen erstellt werden, müssen in den Behörden derzeit noch die Organisation und der denkbare Zeitrahmen der Umsetzung geklärt werden.
Hintergründe zum Aufbau des Telenotarzt-Systems
Das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW, Verbände der Krankenkassen, kommunale Spitzenverbänden und Ärztekammern erklärten die Absicht, bis Ende 2022 mindestens ein Telenotarzt-System im Regelbetrieb pro Regierungsbezirk in Nordrhein-Westfalen zu implementierenNeben der Gründung einer Trägergemeinschaft bedurfte es darüber hinaus der Festlegung eines sogenannten Kernträgers, der im Wesentlichen den Betrieb des Standorts der zukünftigen Telenotarztzentrale und die Federführung im weiteren Verfahren übernimmt.Es besteht unter allen Kreisen Einigkeit über die Schaffung der Möglichkeit, von ihrem Gebiet aus Telenotärzte einzusetzen. Der Grund liegt in den großen Entfernungen in Südwestfalen – durch die Anfahrt zum Kernträger gehe wertvolle Arbeitszeit verloren. Außerdem wollen die Kreise für die Beschäftigung von Notärzten attraktiv bleiben.
Die Kreise Soest, Siegen-Wittgenstein und der Märkischen Kreis bekundeten das Interesse, die Kernträgerschaft zu übernehmen. Aufgrund derzeit noch unbestimmter, zusätzlicher personeller Ressourcen (und damit auch Büroräume/Arbeitsplätze) steht der Hochsauerlandkreis für eine Kernträgerschaft nur nachrangig zur Verfügung. Der „Kernträger“ übernimmt die Organisation des Systems. Bislang hatte der Kreis Olpe die Federführung übernommen.
Ersatz des Notarztes vor Ort?
Was ist geplant? Telenotärzte sollen von einem zentralen Standort aus die ausrückenden Notärzte und Notfallsanitäter der Rettungswagenbesatzungen unterstützen. Dem Leiter der AG Notfallmedizin in Arnsberg, Dr. Dietmar Wetzchewald, geht das nicht weit genug. „Wenn es dabei bliebe, sparen wir keine Notarztressource ein“, sagt er, „der nächste Schritt muss ein Ersatz des Notarztes vor Ort sein“. Es müsse um Konzentration von Kompetenzen gehen. Dabei sei dann von „Systemumstellung statt Einsparung“ zu sprechen.
Im Neheimer Kaiserhaus fanden vor diesem Hintergrund bereits Simulationen für ein Gutachten statt. 700 Einsätze wurden simuliert, bei denen die Notärzte vor Ort eine Supervision hoch qualifizierter zentraler Notarztkollegen/-innen via Telefon und Handy erhielten.
Dunkelglas-Brille überträgt Bilder
Die in der Simulation ausgerückten Notärztinnen und Notärzte waren mit einer Dunkelglasbrille mit vier Kameras und Mikros ausgestattet und sendeten live Bilder an den Telenotarzt. „Der sieht und hört dann exakt dasselbe wie der Notarzt vor Ort“, so Dr. Dietmar Wetzchewald. Seine Expertise spielt der Telenotarzt direkt auf eine Einblendung in der Dunkelbrille auf, so dass der Notarzt vor Ort wichtige Unterstützung erhält. „Wir haben festgestellt, dass das zu einer messbaren Verbesserung der Versorgung vor Ort führt“, erklärt Dr. Dietmar Wetzchewald, „so ein Telenotarztsystem ist eine tolle Sache und absolut zukunftsweisend“.
Das Thema Rettungswache und Standorte sorgt immer wieder für Unruhe>>>
In einer nächsten Stufe will die AG der Notfallmediziner evaluieren, inwiefern das Telenotarzt-System auch funktioniert, wenn nur die Rettungssanitäter vor Ort sind. Dr. Wetzchewald hält die neue Generation Rettungssanitäter für gut genug ausgebildet, dass diese unter Anleitung eines Telenotarztes die richtigen Behandlungs- und Versorgungsschritte einleiten können, wenn sie beim Notfallpatienten eingetroffen sind. „Sie könnten 95 Prozent der Schritte bei einer Supervision über den Telenotarzt auch ohne Notarzt vor Ort abarbeiten“, glaubt Dr. Wetzchewald. So könnten auch Maßnahmen sofort eingeleitet werden, bei denen jetzt oft noch auf den Notarzt gewartet werden muss. „Der Telenotarzt ist in Echtzeit über alles informiert, kann intervenieren und trägt dann auch die Verantwortung“, so Dr. Wetzchewald.
Schnellere Versorgung im ländlichen Raum
Im ländlichen Raum, so die AG der Notfallmediziner, böte das enorme Vorteile, weil nicht zu jedem Rettungswagen-Noteinsatz ein Notarzt mit ausrücken müsse. Natürlich könnte der Telenotarzt auch schnell entscheiden, dass ein Präsenzkollege in Bereitschaft nachgeordert werden müsse. Bis dieser dann anrückt, würde der Telenotarzt überbrücken.
Auch Dr. Marcel Kaiser, Geschäftsführer des Rettungsdienstes Hagelstein, würde eine Einführung des Telenotarztes begrüßen. „Das System bietet gerade für den ländlichen Raum die Chance auf eine Verbesserung und Ergänzung der Versorgungssituation für die Patienten“, sagt er. Die konsequente Weiterbildung von Rettungsassistenten zum Notfallsanitäter sei da schon ein wichtiger Schritt gewesen. „Mit der Einbindung des Telenotarztes wird das System erneut weiter entwickelt“, hofft er.
Für Kaiser ist aber wichtig, dass durch den Telenotarzt kein Notarzt vor Ort entfalle – so wie das Konzept der Trägergemeinschaft das offenbar auch vorsieht. Zudem müssten technische Voraussetzungen in den Fahrzeugen, professionelle Schulungen der Mitarbeiter und eine gute Netzabdeckung im Einsatzbereich garantiert sein.
Für Dr. Dietmar Wetzchewald ist hingegen durchaus denkbar, dass auch auf den einen oder anderen Notarztstandort verzichtet werden könnte. „Mit den da gewonnenen Ressourcen ließen sich schon nahezu alle Rettungswagen im Kreis technisch für den Telenotarzt ausstatten“, glaubt er.
Das System zu ändern, heiße nicht, die Qualität zurückzufahren. Er wünscht sich, so oder so, einen schnellen Start des Pilot-Projekts. „Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren“, so Dr. Wetzchewald.