Arnsberg/Sundern. Eltern müssen Argumente für oder gegen Impfung von 5- bis 11-jährigen Kindern abwägen. Experten beantworten Leserfragen zum Thema Kinderimpfung.
Soll ich mein Kind, das sich im Alter von 5 bis 11 Jahre befindet, gegen eine Corona-Infektion impfen lassen? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Eltern, zumal die Ständige Impfkommission (Stiko) Eltern von gesunden Kindern keine eindeutige Empfehlung für oder gegen eine Impfung gegeben hat. So war es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Mütter und Väter zahlreiche Fragen zu einer Kinderimpfung an unsere Zeitung schickten. Die Lokalredaktion gab diese Fragen in einem Expertengespräch zum Thema Kinderimpfungen am Mittwochabend weiter. In der Neheimer Redaktion versammelten sich dazu der Chefarzt der Kinderklinik im Hüstener Karolinen-Hospital (Klinikum Hochsauerland), Dr. Bartholomäus Urgatz, der Neheimer Kinderarzt Özcan Sönmez, der Geschäftsführer des Klinikums Hochsauerland, Werner Kemper, Lokalredaktionsleiter Martin Haselhorst sowie Redakteur Martin Schwarz.
Besorgniserregende Zahlen
Warum viele Eltern in Sorge um eine mögliche Corona-Infektion ihrer Kinder sind, machte Moderator Martin Haselhorst zu Beginn der Expertenrunde deutlich. Demnach betrug die 7-Tage-Inzidenz für Kinder von 5 bis 14 Jahre am Mittwoch, 15. Dezember, im HSK 346! Das war mehr als doppelt so hoch wie die 7-Tage-Inzidenz für alle Altersstufen im HSK, sie betrug am vergangenen Mittwoch 155,6.
Dr. Urgatz, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, konnte die Zuschauer mit dem Hinweis etwas beruhigen, dass in den meisten Fällen die Corona-Infektion bei Kindern nicht zu schweren Erkrankungen führe. Gleichwohl macht Urgatz die Zunahme der Infektionen Sorge, zumal der jetzige sehr kleine Anteil schwerer Erkrankungen dann bei größeren Gesamtinfektionszahlen zu einer größeren Anzahl schwerer Erkrankungen anwachsen könne.
Video zeigt komplettes Gespräch
Das gesamte, knapp einstündige Expertengespräch, zu dem die WP/WR-Lokalredaktion Arnsberg/Sundern eingeladen hatte, kann man sich als Video im Internet ansehen, der Link: wp.de/experten-kinderimpfeGesprächsteilnehmer sind: Dr. Bartholomäus Urgatz, Chefarzt der Kinderklinik im Hüstener Karolinen-Hospital (Klinikum Hochsauerland); der Neheimer Kinderarzt Özcan Sönmez, Werner Kemper (Geschäftsführer Klinikum Hochsauerland), Lokalredaktions- leiter Martin Haselhorst sowie Redakteur Martin Schwarz.
Özcan Sönmez, Neheimer Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, ist über die hohe 7-Tage-Inzidenz bei 5- bis 14-Jährigen nicht beunruhigt, zumal es bei Kindern meistens milde Krankheitsverläufe gebe. „Mich beunruhigt vielmehr die Dunkelziffer möglicher Corona-Infektionen bei Erwachsenen. Denn Kinder werden sehr oft getestet. Wenn sich Erwachsene mehr testen lassen würden, wäre die Dunkelziffer nicht so hoch. Die Dunkelziffer bei Erwachsenen beunruhigt mich mehr als die Inzidenz bei Kindern“, so Özcan Sönmez.
Werner Kemper, Geschäftsführer des Klinikums Hochsauerland, machte deutlich, dass die Hüstener Kinderklinik bisher nur in Einzelfällen Corona-Infektionen zu behandeln hatte. Andere Infektionen würden die Pädiatrie (Kinderheilkunde) in der Hüstener Kinderklinik weitaus mehr beschäftigen.
Nebenwirkungen
„Die Nebenwirkungen einer Impfung sind mäßig bis gering, bei der Zweitimpfung könnten sie etwas stärker ausgeprägt sein“, meinte Dr. Urgatz zu einer Leserfrage. Schmerzen, Rötung und Schwellung an der Einstichstelle sowie Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber könnten zu den Nebenwirkungen gehören. Die Nebenwirkungen würden durchschnittlich zwei Tage anhalten. Aufgrund der Studienergebnisse komme es allerdings bei jedem 15.000 zweitgeimpften jungen Mann zu einer Herzbeutelentzündung, die aber komplett ausheile. Bei 5- bis 11-Jährigen habe die Studie für die Impfzulassung keine Herzbeutelentzündungen aufgezeigt.
Kinderarzt Özcan Sönmez berichtete aus seiner Praxiserfahrung, dass Eltern weniger nach Nebenwirkungen fragten. Vielmehr werde er oft gefraget: Wann kann ich mein Kind impfen lassen? Es gebe eine Verunsicherung unter Eltern, die sich fragten, ob sie ihr Kind in den Kindergarten schicken könnten. „Ich kann den Eltern aber keine sichere Impfempfehlung geben, weil die Daten aus den USA noch fehlen“, so Sönmez. Deshalb habe die Stiko derzeit noch keine sichere Impfempfehlung allen Eltern geben können. „Mein fünfjähriges Kind soll daher so lange nicht geimpft werden, bis ich sichere Daten aus den USA habe“, betonte Sönmez. Der Kinderarzt sagte aber auch: „Ich werde besorgten Eltern die Impfung ihres Kindes nicht verweigern.“ Dr. Urgatz brachte seine Einstellung zur Impfung von Fünf- bis Elfjährigen in einem Nachgespräch mit der Redaktion so auf den Punkt: „Diese Kinder sollten sich impfen lassen, wenn sie Kontakt zu Risikogruppen haben. Aber welches Kind hat keinen Kontakt zu Großeltern?“
Immunisierung
Dr. Urgatz widersprach der von einem Leser gestellten Frage, ob Eltern vielleicht bewusst ihr Kind infizieren lassen sollten, um auf diesem Weg eine Immunisierung für das Kind zu erlangen. „Es ist besser Kinder zu impfen“, stellte Dr. Urgatz klar.
Infektionsgeschehen
Der Chefarzt der Hüstener Kinderklinik betonte, dass Infektionen in der Familie passierten. Dabei würden Eltern die Infektion in die Familie tragen - und nicht die Kinder. Kinder seien weniger infektiös als Erwachsene.
Grenzfragen
Eine weitere Leserfrage richtete sich darauf, wie es um eine Impfung stehe, wenn ein Kind knapp unter einer Altersgrenze für eine andere Impfung liege. Hier vertrat Dr. Urgatz eine dezidierte Meinung: „Das entscheidende Kriterium ist das Alter. Selbst wenn ein Kind einen Tag vor seinem 12. Geburtstag die Impfung erhalten soll, fällt es unter die Impfrichtlinien für Fünf- bis Elfjährige.“
Impforganisation
„Die zusätzlichen Impfangebote stellen eine große personelle Herausforderung für das Klinikum dar“, sagte Werner Kemper und verwies dabei auf den bereits erfolgten starken personellen Einsatz des Klinikums in Corona-Zeiten. Kemper berichtete auch, dass am 18. Dezember fünf- bis elfjährige Kinder von Klinikum-Mitarbeitern in der ehemaligen Hüstener Petrischule (heute Bildungscampus) geimpft würden und es demnächst auch Impftermine für 5- bis 11-jährige Kinder von Nicht-Klinikum-Mitarbeitern in der pädiatrischen Praxis am Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) am Karolinen-Hospital geben werde. Diese Kinderimpfangebote versteht Kemper als Beratungsangebote für Eltern, die in eine Impfung münden könnten oder auch nicht.