Arnsberg/Sundern. Corona-Lage in Kliniken und im Kreisgesundheitsamt im HSK unaufgeregt. Ärzte stellen sich der Aufgabe der Booster-Impfung.

Die Corona-Zahlen im Hochsauerlandkreis steigen, wenn auch nicht so drastisch wie im Bundesschnitt. Was aber bedeutet die Sieben-Tage-Inzidenz von 90,3 an Dienstag wirklich für den HSK? Wie sind die Zahlen zu lesen? Unsere Zeitung sprach mit dem Kreisgesundheitsamt, Ärzten und Teststellen über die Lage und den Umgang mit der vierten Welle.

Sunderner Arzt fordert Impfpflicht für einige Berufe

Der Sunderner Arzt Dr. Hermann Josef Müller aus Sundern ist als meinungsstarker Mahner in der Corona-Pandemie bekannt. Er fordert sieben Maßnahmen:1) Maskenpflicht in geschlossenen Räumen/besonders Schulen.2) dritte Impfung für alle (Risikogruppen zuerst) nach sechs Monaten.3) zweite Impfung nach Johnson-Impfung nach drei Monaten.4) alle sozialen Kontakte unter dem Vorbehalt der 2G-Regel (insbesondere Innenräume und Arbeitsplatz).5) Impfpflicht für Personal im Gesundheitsbereich, Altenheimen, Schulen und Kindergärten.6) Betreten von Altenheimen und Kliniken nur nach Testungen.7) Kurzfristige Belieferung der Arztpraxen mit ausreichend Impfstoff und Einsatz mobiler Impfteams.

Die Lage

Der Leiter des Kreisgesundheitsamtes Dr. Peter Kleeschulte warnt davor, die Zahlen mit denen des Vorjahres zu vergleichen. „Wir haben eine andere Situation“, sagt er. Im Hochsauerlandkreis seien inzwischen über 80 Prozent der über 12-Jährigen geimpft. In den letzten vier Wochen seien zwar 44 Prozent der Neuinfizierten bereits vollständig geimpft gewesen, jedoch seien das eher Zufallsbefunde gewesen. „Größtenteils sprechen wir hier von asymptomatischen Fällen oder mildem Verlauf“, so Dr. Kleeschule. Das Kreisgesundheitsamt könne die aktuellen Zahlen gut händeln und brauche derzeit keine externe Unterstützung. Das Fallmanagement käme der Situation gut nach.

An eine Wiedereröffnung eines Impfzentrums sei im HSK nicht gedacht, vielmehr werde auf aufsuchende Angebote durch Impfbusse und Angebote vor Ort sowie auf die Expertise der Hausärzte gesetzt.

Die Ärzte

Die Hausärzte verspüren eine große Nachfrage nach Booster-Impfungen. „Dafür weiten wir unsere Kapazitäten auch aus“, erklärt Dr. Jochen Müller aus Neheim. Die Aufgabe sei zu bewältigen, weil die Impfwilligen ja nicht alle auf einem Rutsch kämen, sondern gemäß ihrer Priorisierung der ersten beiden Impfungen nach und nach. „Wir sollten nicht nur den Impfunwilligen hinterherlaufen, sondern die Impfwilligen willkommen heißen“, sagt Dr. Jochen Müller. Da das andere medizinische Geschäft aber mit verstärkter Belastung weiterlaufe, müssten Sprechzeiten ausgeweitet werden. „Das Testen können wir aber zusätzlich nicht auch noch übernehmen“, so Dr. Müller. Auch Dr. Heiner Decker, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung im Bezirk Arnsberg, sieht die Ärzte gut vorbereitet: „Wichtig ist, dass jetzt alle Kollegen wieder mitziehen“.

Die Teststellen

In der dritten Welle hatte sich Dr. Dietmar Wetzchewald von Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin in Arnsberg mit für die erste kostenlose Teststelle der Stadt engagiert. Er hält das weiterhin oder wieder für wichtig: „Niederschwelliges kostenfreies Testen erreicht besonders gut Randbereiche unserer Gesellschaft, die auch gegenüber dem Impfen zurückhaltend sind“, sagt er. Er befürworte das kostenfreie Testen und glaubt, dass „wir den Testpoint in Neheim innerhalb von 24 Stunden auf das Niveau von Mai hochfahren können“. Hier könne aus seiner Sicht zugleich auch niederschwellig geimpft werden. Der Neheimer Apotheker Max Humpe sieht etwas mehr Vorlaufzeit für die Reaktivierung der kostenlosen Testkapazitäten und fordert daher einen schnellen politischen Beschluss für eine Wiedereinführung der kostenlosen Schnelltests. „Sie bieten eine zusätzliche Sicherheit für alle, verbessern den Überblick über das Infektionsgeschehen und können Infektionsketten durchbrechen“, so Max Humpe.

Die Krankenhäuser

In den Krankenhäusern im HSK, so Dr. Peter Kleeschulte, sei die Lage entspannt. Am Dienstag wurden sieben stationär behandelte Personen im HSK gemeldet, vier davon intensivmedizinisch (zwei beatmet). Der intensivmedizinische Bereich sei im HSK nicht nennenswert durch Corona belastet. Das bestätigt auch das Klinikum Hochsauerland. „Nach unseren Beobachtungen ist die überwiegende Mehrzahl, rund 90 Prozent, der auf der Intensivstation behandelten Covid-Patienten nicht geimpft“, so Klinikum-Sprecher Richard Bornkeßel. Auf der Infektionsstation betrug der Anteil der geimpften und ungeimpften Covid-Patienten zuletzt schätzungsweise ungefähr jeweils 50 Prozent. Auf eine eskalierende Lage sei das Klinikum vorbereitet.

Die Schulen

In den Schulen des Kreises sieht Dr. Peter Kleeschulte vorwiegend Einzelfälle, aber keine Ausbrüche. Durch den Wegfall der Maskenpflicht in den Schulen (vielfach würden Masken dennoch getragen) würden aber wieder mehr Kinder in Quarantäne geschickt als vorher. Aktuell sind rund 30 Klassen im Kreis von Coronafällen betroffen. Nur in einem Falle müsse eine ganze Klasse in Quarantäne. Positiv bemerkbar mache sich hier auch, dass die Hälfte aller über zwölfjährigen Schülerinnen und Schüler im Kreis bereits geimpft worden seien.