Arnsberg/Sundern. Dr. Ortwin Ruland, ärztlicher Leiter des Impfzentrums HSK, erklärt, wann sich Genese aus seiner Sicht ebenfalls gegen Virus impfen lassen sollten.

Die Impfkampagne im Hochsauerlandkreis kommt voran. Insgesamt wurden bislang im HSK bis Freitagabend rund 117.000 Erst- und 35.000 Folgeimpfungen verabreicht. Die Erst-Impfquote liegt damit bereits über 40 Prozent. Wann aber sind eigentlich die an der Reihe, die schon mit dem Corona-Virus infiziert waren? Rund 8942 Menschen im Kreis - darunter 2472 in Arnsberg und 944 in Sundern - gelten als genesen. Unsere Zeitung sprach mit dem ärztlichen Leiter des Impfzentrums Olsberg, Dr. Ortwin Ruland, darüber, wann Genesene geimpft werden sollten.

Was können Sie zu Impfungen von Genesenen sagen?

Ich weise zunächst einmal darauf hin, dass ich nicht allgemein verbindliche - sondern meine persönlichen Empfehlungen gebe, die sich von der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) unterscheiden. Die Stiko berücksichtigt wohl die Knappheit der Impfstoffe und sagt, was pandemiemäßig sinnvoll ist, während ich vom Wunsch nach möglichst optimalem Schutz des Individuums ausgehe und die Verfügbarkeit der Impfstoffe für mich in der medizinischen Beurteilung nicht im Vordergrund steht.

Wie lange soll man nach Genesung bis zu einer Impfung warten?

Das Wort Wartezeit ist irreführend. Die Person nimmt keinen Schaden, wenn früher geimpft wird, sondern man wartet solange mit der Impfung, bis der durch eine durchgemachte Erkrankung vermutete Schutz vor einer erneuten Erkrankung abgeklungen ist, um ihn dann mit einer Impfung zu verstärken beziehungsweise wieder aufzubauen. Die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) schlägt dafür einen Abstand von sechs Monaten nach einer Genesung von Covid-19 vor, weil sie nach einer Erkrankung einen Schutz über sechs Monate annimmt und eine vorzeitige Impfung den Schutz nicht verbessern würde. Niemand weiß aber, wie lange dieser Schutz im Einzelfall anhält und wie sicher dieser ist. Bekannt ist lediglich, dass der Schutz nach einem mildem Verlauf von Covid-19 weniger gut ist als nach einem schweren Verlauf der Erkrankung und dass dieser Schutz leider mit der Zeit langsam abnimmt. Es gibt darüber zurzeit keine verlässlichen Daten. Man kann die Immunität leider auch nicht einfach prüfen.

Dr. Ortwin Ruland, ärtzlicher Leiter des Impfzentrums HSK.
Dr. Ortwin Ruland, ärtzlicher Leiter des Impfzentrums HSK. © WP

Was empfehlen Sie?

Basierend auf dem dürftigen Wissen und aufgrund des Wunsches, auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu sein, empfehle ich persönlich deshalb ein Vorgehen je nach dem Einzelfall: Nach einem milden Verlauf einer Covid-Erkrankung mit wenig Beschwerden und zuhause auskuriert würde ich acht bis zehn Wochen nach der Genesung impfen. Nach einem heftigen Verlauf im Krankenhaus kann eine ausreichende Immunität für sechs Monate nach der Genesung unterstellt werden. Deshalb wäre dann eine Impfung nach sechs Monaten sinnvoll. Je nach dem Verlauf der durchgemachten Erkrankung sollte nach meinem Dafürhalten der Abstand von Genesung bis zu einer notwendigen Impfung zwischen zwei und sechs Monaten liegen.

Gibt es eine Impfstoffempfehlung für Genesene?

Nein. Alle zugelassenen Impfstoffe sind für eine Impfung von Genesenen geeignet.

Müssen Genesene einmal oder auch zweimal geimpft werden? Kann man da etwas schädliches machen?

Die Stiko glaubt, dass in jedem Fall eine einmalige Impfung nach sechs Monaten ausreichend ist. Um – wie schon gesagt – möglichst auf der sicheren Seite zu stehen, empfehle ich nach einem milden Verlauf einer Covid-Erkrankung allerdings eine ganz normale, komplette Impfung wie sie alle Personen bekommen, die ja womöglich gar nicht wissen, ob sie nur eine Grippe oder doch eine Covid-Infektion hatten. In den Studien wurden außerdem auch Personen geimpft, die infiziert waren oder eine Covid-Erkrankung mit unklarem Zeitabstand hinter sich hatten. Es konnten dabei keine besonderen, negativen Folgen beobachtet werden. Nachweislich ist das also nicht schädlich. Bei Personen mit einem schweren Verlauf der Covid-Erkrankung reicht wahrscheinlich eine Impfspritze aus. Diese Impfung würde ich dann aber als sogenannte Auffrischimpfung verstehen, die auch nach einer normalen, vollständigen Impfung für uns alle nach zirka acht bis zehn Monaten erforderlich werden wird. Eine individuelle Beratung durch einen Arzt sollte in solchen Fällen immer erfolgen.

Ist die Zeit zwischen Genesung und Impfung abhängig von der Intensität der Erkrankung/Symptome?

Ja genau. Je milder die Covid-Erkrankung verlaufen ist, desto weniger lange hält danach der Schutz vor erneuter Infektion an. Und deshalb sollte dann meiner Meinung nach auch eher geimpft werden, um den Schutz wieder herzustellen. Zur Findung des sinnvollen Zeitpunktes – nach der Genesung - empfehle ich folgendes Schema zur Orientierung: Milder Verlauf zuhause zwei bis drei Monate nach Genesung. Mittlerer Verlauf mit Arztbetreuung zuhause oder auf einer Normalstation im Krankenhaus vier bis fünf Monate nach Genesung. Schwerer Verlauf im Krankenhaus mit Aufenthalt auf einer Intensivstation sechs Monate nach Genesung. Weil es zu diesem Komplex zurzeit noch keine gesicherten Daten gibt, sollte der Entscheidung in jedem solcher Fälle ein individuelles, aufklärendes Arztgespräch vorausgehen.

Sollten Genesene losgelöst von Priorisierungen auf eine Impfung innerhalb des empfohlenen Zeitfensters drängen?

Die betroffenen Personen können sich auf dem üblichen Weg im Impfzentrum oder in einer Arztpraxis einen Impftermin besorgen und die individuelle Problematik mit dem impfenden Arzt besprechen. Ein besonderer Zeitdruck entsteht wegen einer durchgemachten Covid-Erkrankung nicht.