Neheim. Friseur Willi Hartwig beschert seinen Kunden in Neheim den lang ersehnten Haarschnitt. Warum er vorher einen Brief an Boris Johnson gerichtet hat.

Auf dem Boden des Friseursalons Hartwig landen in diesen Tagen viel mehr Haarbüschel als gewohnt. Mit den Strähnen fällt den Kundinnen und Kunden auch eine gewisse Last von den Schultern. Nach der wochenlangen Schließung aller Betriebe ist die Sehnsucht nach einem ordentlichen Haarschnitt groß, das belegt auch der Terminkalender.

Familienbetrieb

Der Friseursalon Hartwig an der Langen Wende in Neheim ist ein Traditionsbetrieb.

Eröffnet wurde der Betrieb bereits 1910.

Friseurmeister Willi Hartwig, Ehefrau Susanne sowie die Töchter Helena und Valeria arbeiten in dritter und vierter Generation im Salon.

Für die nächsten Tage und Wochen ist er gut gefüllt, immer wieder klingelt das Telefon und es kommen weitere hinzu. Martin Helmes hat einen der ersten Termine ergattert. Am Morgen der Wiedereröffnung sitzt er im Sessel und lässt seine Frisur von Willi Hartwig wieder in Form bringen. Vor dem Föhnen über noch ein prüfender Blick in den Spiegel und dann die Erleichterung: „Jetzt sehe ich wieder aus wie ein Mensch.“ Noch ein wenig Haarspray, dann wird der Sessel frei für einen der nächsten heiß begehrten Termine. „Es fühlt sich sehr gut an“, sagt Helmes. „Ich war doppelt so lange nicht hier wie gewohnt.“

Wertschätzung der Arbeit

Für Friseurmeister Hartwig ist das eine Bestätigung für die Bedeutung seines Handwerks. „Es geht um das persönliche Wohlbefinden der Menschen“, sagt er. Ehefrau Susanne ergänzt noch, ein Haarschnitt sei auch eine Frage der Hygiene, bevor das Telefon schon wieder klingelt. Willi Hartwig hat bis zum nächsten Kunden noch einen Moment, um Luft zu holen und über seinen Beruf zu sprechen.

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„Ich habe mich riesig auf diesen Tag gefreut“, sagt er. „Ich habe im Lockdown festgestellt, dass Arbeit zur Würde des Menschen dazugehört.“ Viele Jahre lang habe er diejenigen beneidet, die an Heiligabend und den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr nicht arbeiten müssen. Nun habe Corona ihm zwangsweise diese freien Tage beschert – doch zufrieden war er damit nicht.

Nun ist er froh, dass er endlich wieder Kunden begrüßen darf. Das sei auch deshalb dringend nötig, weil die Schwarzarbeit sicher zugenommen habe – er habe selbst eine ganze Reihe von Anfragen während des Lockdowns bekommen und bei einem Gang durch die Fußgängerzone fielen ihm immer wieder frisch frisierte Menschen auf. Für diejenigen, die sich wie er an die Schließung gehalten und gewartet hätten, bestände die Sorge, dass Kunden zu den anderen abwandern würden.

Der Neheimer Friseurmeister Willi Hartwig schickt einen Brief mit Kämmen, Haarschaum und Stylingtipps an den britischen Premier Boris Johnson.
Der Neheimer Friseurmeister Willi Hartwig schickt einen Brief mit Kämmen, Haarschaum und Stylingtipps an den britischen Premier Boris Johnson. © Privat

Finanziell hat auch Familie Hartwig den Lockdown zu spüren bekommen. „Wir haben das Glück, dass das Haus unser Eigentum ist, deshalb hatten wir keine existenziellen Sorgen wie sicherlich viele andere Kollegen“, sagt Hartwig. Dennoch habe er Geld aus einer ausbezahlten Lebensversicherung in den Betrieb stecken müssen, das eigentlich für die Altersvorsorge gedacht gewesen sei. Einen Antrag auf Überbrückungsgeld für Januar und Februar will er noch stellen.

Post für Boris Johnson

Zu sehr herunterziehen lassen will Willi Hartwig sich von der aktuellen Situation nicht, das ist nicht seine Art. Er versucht das Leben mit der richtigen Portion Humor zu nehmen. Und so hat er sich im Lockdown einen kleinen Scherz erlaubt und einen Brief nach Großbritannien geschickt, adressiert an Premier Boris Johnson persönlich.

Der Inhalt: zwei Kämme, Haarschaum und die passende Stylinganleitung. „Ich habe die Bestätigung bekommen, dass die Sendung zugestellt wurde“, sagt Hartwig. Eine Antwort ins Sauerland gab es aber nicht. „Und wenn ich Fernsehen schaue, muss ich feststellen, dass es auch nicht geholfen hat“, sagt Hartwig und lacht. Mit den Kunden vor Ort haben er und die Familie ohnehin genug zu tun.

Und deren Dankbarkeit ist groß. „Man fühlt sich wesentlich wohler“, sagt Kundin Claudia Hieronymus. „Ich war Anfang Dezember das letzte Mal hier und es wurde jetzt wirklich Zeit für einen neuen Schnitt.“ Als Dozentin der Industrie- und Handelskammer Hagen unterrichte sie regelmäßig online und fühle sich vor der Kamera jetzt wieder um einiges besser.