Arnsberg/Sundern. Experte Thomas Frye (IHK Arnsberg) sieht Pandemie als Beschleuniger der Entwicklung. Innenstädte wie Neheim unter enormen Veränderungsdruck.

Schon vor Corona wurde befürchtet, dass verändertes Kundenverhalten mit zunehmendem Onlinekaufen das Bild der Innenstädte - auch welcher wie Neheim - in spätestens zehn Jahren drastisch verändern wird. „Es muss befürchtet werden, dass Corona da jetzt wie ein Katalysator wirkt“, bestätigt Einzelhandelsexperte Thomas Frye von der IHK Arnsberg. Es droht das beschleunigte Sterben des Einzelhandels in der Form wie wir ihn heute noch kennen.

Unterstützung wichtig

Welche Branchen leiden am meisten? „Einfacher wäre es, Branchen zu benennen, die halbwegs ungeschoren davon kommen“, so Thomas Frye. Also diejenigen, die wegen Systemrelevanz weiter öffnen dürfen (Anbieter des täglichen Bedarfs).

In zweiter Linie dürften Einrichtungshäuser, Bau- und Gartenmärkte sowie Fahrradhändler von einer Corona-bedingten Kaufkraftverlagerung profitieren.

„Alle anderen werden nun in der wichtigsten Zeit des Jahres kalt erwischt“, sagt Thomas Frye, „sie werden das kaum kompensieren können und sind deshalb ganz besonders auf staatliche Unterstützung angewiesen“.

„Der Online-Handel hat in den letzten Monaten durch die Einschränkungen des stationären Geschäfts einen weiteren Schub bekommen“, so Frye auf Nachfrage unserer Zeitung. Viele inhabergeführte Unternehmen, die den ersten Lockdown durch staatliche Soforthilfen und das Aufzehren von Rücklagen überstanden haben, liefen jetzt Gefahr, endgültig aufgeben zu müssen. „Es sei denn, sie verfügen auch über ein digitales Standbein“, ergänzt der Experte.

Veränderung

Noch profitiere Neheim wie viele andere Stadtzentren in der Region auch von der Attraktivität aus der Individualität der inhabergeführten Fachgeschäfte. Wenn diese in größerer Zahl aufgeben müssten, nehme die Uniformität weiter zu. „Die Angebotsvielfalt sinkt und es droht eine Abwärtsspirale“, fürchtet Frye.

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Digitalisierung

Thomas Frye sagt klipp und klar: „Es muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass stationärer Einzelhandel ohne die Nutzung digitaler Kanäle kaum noch zukunftsfähig ist“. Der Kunde müsse auch über Online-Kanäle angesprochen werden. Gemeinsam mit den regionalen Hochschulen bietet die IHK kostenlose Schulungen, Erklärvideos und Merkblätter zum Suchmaschinen-Marketing und zu Ansätzen der Digitalisierung an. „Viele Unternehmen haben davon in den letzten Wochen Gebrauch gemacht“, so Frye. Die Erklärung „dafür habe ich keine Zeit“ passe jetzt nicht mehr.

Gastronomie

Die letzten Wochen hätten gezeigt, wie wichtig das Zusammenspiel der unterschiedlichen Angebote einer Stadt ist. „Fehlt die Gastronomie, sinkt die Aufenthaltsdauer und es bleiben viele Spontankäufe aus. Deshalb ist es mehr denn je wichtig, Aufenthaltsqualität zu stärken“, erklärt der IHK-Experte. Dazu gehöre auch, Möglichkeiten zur Ausdehnung der Außengastronomie zu schaffen. Das bringe mehr Leben in die Stadt und komme gleichzeitig auch denjenigen Gästen entgegen, die auch nach Corona nicht gerne in engen Gaststätten sitzen möchten. Zudem hätten viele Gastronomen ohne Außengastrobereiche Umsatzverluste durch die heißen und langen Sommer der letzten Jahre beklagt. Diese Empfehlung gelte ganz besonders für Neheim: Im Rahmen der regelmäßigen IHK-Untersuchung „Vitale Innenstädte“ sei gezielt eine Verbesserung der gastronomischen Vielfalt gewünscht worden. „Der Schlüssel für die Zukunft liegt in einem klaren Gesamtkonzept, wozu natürlich auch Gastronomie, Feste und Kulturveranstaltungen gehören“.

Zukunftskonzepte

Im IHK-Projekt „CityLab“ werden im neuen Jahr für die beteiligten Städte konkrete Handlungsempfehlungen entwickelt. Die IHK schreibt gerade eine Modellkommune aus, die einen „Kümmerer“ erhalten soll, der Handel, Gastronomie sowie alle anderen City-Akteure bei dem Weg zu einer weiterhin attraktiven City begleitet und unterstützt. Ob Neheim oder Sundern oder eine andere Stadt dabei den Zuschlag erhält, ist noch offen. Brauchen können es beide. „Alle Städte der Region sind gleichermaßen vom Lockdown und der Pandemie betroffen“, so Thomas Frye.

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