Arnsberg. Mehr Berufstätige sollen bei innerstädtischer Anfahrt zum Arbeitsplatz Fahrrad statt Auto nutzen. In Sundern fehlt Zielmarke für Radverkehr.
Der Radverkehr, der im Jahr 2015 nur fünf Prozent am Gesamtverkehr in der Stadt Arnsberg ausmachte, soll bis 2030 auf 15 Prozent verdreifacht werden. Dieses Ziel ist im städtischen Masterplan Mobilität als Teil des Klimaschutzkonzeptes definiert. Wie die Stadt Arnsberg das erreichen will, darüber sprach unsere Zeitung mit dem Verkehrsplaner und Radverkehrsbeauftragten der Stadtverwaltung Arnsberg, Hauke Karnath.
Drei Handlungsfelder
„Auf dem Weg zu 15 Prozent Radverkehr setzen wir auf drei systemische Komponenten: Wir wollen die Infrastruktur (das Radwegenetz) ausbauen, den Service für Radfahrer verbessern, indem wir zum Beispiel mehr sichere Abstellplätze für Fahrräder schaffen, und drittens durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit auf die Vorteile des Radfahrens hinweisen“, erklärt Karnath, der selbst ein begeisterter Radfahrer ist. Von seinem Wohnort in Hemer fährt der 32-Jährige mit seinem Pedelec täglich 45 Minuten die 18 Kilometer lange Strecke zu seiner Arbeitsstelle hin und zurück.
„Das Fahrrad ist im innerstädtischen Bereich das schnellste Verkehrsmittel, es ist kostengünstig, hält fit und bringt sogar noch Spaß“, sagt der überzeugte Radfahrer. Die Technik des E-Bikes, durch das das heftige Strampeln auf Bergauf-Strecken im hügeligen Sauerland entfällt, hat bereits dazu geführt, dass das Radfahren sehr populär wurde. „Durch den immer größeren Anteil von Pedelecs ist aus dem Freizeitsport Radfahren das Fahrrad als Alltagsverkehrsmittel geworden“, sagt Karnath und denkt dabei insbesondere an den Radexpressweg zwischen Voßwinkel und Alt-Arnsberg. Einige Abschnitte davon sind bereits auf der Südseite der Ruhr (auf der gegenüberliegenden Seite des Ruhrtalradwegs) fertiggestellt, im Bau oder in konkreter Planung.
An Spitzentag 2385 Radfahrer gezählt
Dass bereits heute der Ruhrtalradweg nicht nur zu touristischen Zwecken, sondern auch vielfach als Verkehrsweg zum Arbeitsplatz genutzt wird, kann mit Daten belegt werden. „Am Neheimer R-Café wurden am Montag, 1. Juni 2020, innerhalb von 24 Stunden 2385 Radfahrende gezählt. Das waren bei weitem nicht nur Radtouristen“, erklärt Hauke Karnath den bisherigen Jahresspitzenwert bei den Messungen im laufenden Jahr 2020.
Mehr sichere Radabstellanlagen an Bahnhöfen geplant
Die Stadt Arnsberg hat beim Land mehrere Förderanträge gestellt, um an den Bahnhöfen im Stadtgebiet diebstahlsichere und witterungsgeschützte Radabstellanlagen installieren zu können. Am Bahnhof Neheim-Hüsten wurden 94 Fahrradabstellplätze und am Bahnhof Arnsberg 80 Fahrradabstellplätze beantragt.
Hierbei wird zwischen drei Systemen unterschieden: einzeln abschließbare Fahrradboxen, Sammelschließgaragen sowie überdachte Anlehnbügel. Diese sicheren Abstellplätze werden sowohl tages-, monats- als auch jahresweise vermietet, damit Radfahrer auch bei kurzfristigem Bedarf einen Stellplatz bekommen können.
Die Gesamtkosten für diese Abstellplätze belaufen sich auf 260.000 Euro. Bei Antragsbewilligung würde das Land 90 Prozent und die Stadt 10 Prozent der Kosten übernehmen. Das gleiche System soll auch bei der geplanten Neugestaltung des Busbahnhofs an der Neheimer Goethestraße installiert werden.
Mit Blick auf den Radexpressweg in Neheim berichtet Karnath, dass - nach der bereits erfolgten Fertigstellung des Abschnitts auf der Jahnallee zwischen Lokal 1220 und Freibad - noch in diesem Jahr mit dem Bau des zweiten Abschnitts auf der Jahnallee (zwischen Lokal 1220 und Bahnübergang Trift / Kardinal-Jaeger-Straße) begonnen werde. Ein deutlich höherer Bauaufwand ist wegen der Renaturierung des Baumbachs im Radexpressabschnitt zwischen Freibad und Berufskolleg Berliner Platz nötig. Mit dem Bau dieses Lückenschluss sei ab 2023 zu rechnen.
Anbindung der Dörfer
Die Stadt will in den nächsten Jahren auch die Dörfer Holzen, Breitenbruch und Wennigloh mit einem Radweg an den Ruhrtalradweg bzw. Radexpressweg anbinden. Mit Blick auf Holzen laufen konkrete Gespräche mit dem Landesbetrieb Straßen NRW, der parallel der Landstraße 682 (zwischen Herdringen und Oelinghauser Kreuz) straßenbegleitend einen Radweg bauen will.
Vom Oelinghauser Kreuz entlang der Hönnetalstraße bis zum Ortseingang Holzen plant die Stadt Arnsberg die Fortführung des Radweges.
Unterstützung durch Politik
Bei der Forcierung des Radverkehrs handeln Rat und Verwaltung in der Regel einmütig. Neue Initiativen zur Verbesserung des Radwegenetzes kommen häufig von der Fraktion Bündnis ‘90 / Die Grünen, die in diesem Jahr mit der CDU unter anderem drei Anträge an die Verwaltung richtete.
Nur wenige Schüler kommen mit dem Fahrrad zur Schule
Wegen der geringen Radnutzung von Schülern (am FSG kommen nur 10 Prozent und am Laurentianum nur 22 Prozent mit dem Rad) sollen Radabstellanlagen an Schulen attraktiver werden. „Fehlende Überdachung, uralte Felgenkiller-Modelle, schlecht einsehbare Standorte mit entsprechender Diebstahlrate halten Schüler vom Radfahren ab. Deshalb sind bessere und sichere Radabstellanlagen an Schulen nötig“, sagt Thomas Wälter, Fraktionssprecher der Grünen.
Forderung: Bergaufstrecke an Oeventroper Scherse in Radweg umwandeln
Wälter verweist auch auf den Antrag, die jetzige zusätzliche Bergauf-Strecke für Lkw auf der Oeventroper Scherse als Radweg nutzbar zu machen und mit Meschede über eine Fortführung in Freienohl zu sprechen. Denn nach Fertigstellung der A 46 habe sich der Lkw-Verkehr auf der Scherse deutlich reduziert.
Auch fordern Grüne und CDU, dass der durch Leitpfosten abgetrennte Randstreifen längs der Landstraße zwischen Neheim und Ense (beliebte Strecke zum Möhnesee) zum Radweg ausgebaut wird. Dabei sollen Radweg und Autofahrbahn baulich getrennt werden. Denkbar seien niedrige „Betonmauern“ wie man sie von Autobahnbaustellen kennt, damit niemand in den Gegenverkehr fährt.
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Blick nach Sundern: Hier fehlt eine Zielmarke für den Radverkehr
In Sundern gibt es nicht - wie in der Stadt Arnsberg- einen verbindlichen Masterplan Mobilität, der einen bestimmten Anteil an Radverkehr bis zum Jahr 2030 anstrebt (siehe Arnsberg Lokalseite 1). „Für die Erstellung eines solchen Konzeptes und die damit verbundenen Planungen für die Stadtteile fehlt es in der Stadtverwaltung Sundern an personellen Ressourcen. Wir haben keinen Radverkehrsverkehrsbeauftragten wie in Arnsberg“, erklärt auf Anfrage Volker Broeske, der die Abteilung „Verkehrsflächen und Grünanlagen“ in der Stadtverwaltung Sundern leitet.
Viele Radwege gebaut
Gleichwohl kann Broeske mit Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre zahlreiche realisierte Radwege-Baumaßnamen nennen. Hierzu gehören die Radwege Amecke-Langscheid, Langscheid-Promenade (Lückenschluss um die Sorpe), Amecke (Lückenschluss ins Dorf), Bürgerradweg Endorf-Recklinghausen, Sundern-Westenfeld, Hachen-Reigern, Tiefenhagen-Enkhausen / Ortseingang, Hövel OD, Bürgerradweg Sundern-Seidfeld Schulwegsicherung), K 5 Sundern-Amecke, Renaturierung Lange Erlen (Tiefenhagen) mit Bau eines Radwegs (Lückenschluss zwischen Langscheid/Stemel und Hachen, Bürgerradweg Allendorf-Hagen (Asphaltdeckschcht - so Anschluss an Wildewiese, Finnentrop bzw. Amecke, Sundern; Radweg Wacholderheide (Lückenschluss Altes Testament Richtung Meschede).
Einige Projekte in Arbeit
In Arbeit sind die Ausweisung einer Alternativtrasse durch Hachen; die Asphaltierung des Radwegs Sorpesee-Sundern, Stemel-Tiefenhagen (attraktive Alternativtrasse zu Hachen Hachen-Stemel-Sundern); Bürgerradweg Amecke-Langenholthausen; Radweg Enkhausen OD, Asphaltierung des „Inklusionsradwegs“ am Vorbecken Sorpesee (Airlebnisweg) - Lückenschluss zwischen Airlebnisweg und K 28; das Leader-Projekt “Radwege im Sorpeland“. Zu den Planungen gehört eine Radwege-Anbindung von Hachen an Müschede sowie eine sichere Radverkehrsführung durch Sundern in verschiedene Fahrtrichtungen.
Begleitet werden in Sundern die Planungen vom Arbeitskreis (AK) Radverkehr, zu der sich etwa zehn Bürger (leidenschaftliche Radfahrer) zusammengeschlossen haben. Gründer der Gruppe ist Kreistagsmitglied Antonius Becker (Bündnis ´90 / Die Grünen) aus Hellefeld.
Anlassbezogenes Arbeiten
Becker betont, dass der Arbeitskreis parteiunabhängig tätig ist. „Wir wollen die Verwaltung bereits im Vorfeld von Radverkehrsplanungen unterstützen, indem AK-Mitglieder mit Grundstückseigentümern sprechen“,so Becker. „Wir befassen uns auch mit einer Linienbestimmung für einen Radweg zwischen Hachen und Reigern und wollen in der Verwaltung unsere Ideen einbringen“, sagt Becker. Er bedauert allerdings das fehlende langfristige Radwegekonzept für die Stadt Sundern. Bisher gebe es viel Stückwerk. Für Ziele im Radwegebau müssten Haushaltsmittel auch mittel- bis langfristig gebunden werden und nicht zu oft - rein anlassbezogen beim Straßenbau - hinzugezogen werden.