Arnsberg/Sundern. Arnsberger und Sunderner leben gerne in ihrer Stadt. Heimatliebe macht aber nicht blind - auch Kritik und schlechte Noten gab es im Heimatcheck.
Heimatliebe macht nicht blind: In unserer Umfrage „Heimat-Check“ setzten sich 1700 Arnsberger und Sunderner mit wichtigen Fragestellungen zu ihren Städten kritisch auseinander und gaben Schulnoten. Diese fielen nicht immer gut aus. Und dennoch leben die Menschen gern hier: Die Noten 2,0 für den Lebenswert in Arnsberg und 2,23 in Sundern zeigen im Mittelwert die Verbundenheit der Bürger mit dem Heimatort.
Die Notenverteilung
Die veröffentlichten Noten sind immer nur der Durchschnitt aller abgegebenen Benotungen zu den einzelnen Fragestellungen.
„Wie gerne leben Sie in Ihrem Ort?“, wollten wir in unserer Frage 14 wissen und baten um eine Gesamtnote. Interessant ist die Verteilung der Noten unter allen getroffenen Bewertungen.
In Arnsberg gaben 31,0 Prozent der 875 Umfrageteilnehmer ihrem empfundenen Lebenswert in der Stadt die Note „sehr gut“. 45,4 Prozent gaben die Note „gut“, 15,4 Prozent ein „Befriedigend“, 3,9 Prozent ein „Ausreichend“ sowie 1,1 und 1,0 Prozent ein „Mangelhaft“ und „Ungenügend“. 2,2 Prozent der Umfrageteilnehmer machten keine Angabe.
In Sundern verteilen sich 825 Benotungen bei der Frage danach, wie gerne die Menschen in ihrem Ort leben, wie folgt: 22,0 % sehr gut; 46,5 % gut, 19,4 % befriedigend, 6,6 % ausreichend, 1,9 % mangelhaft, 1,6 % ungenügend, 2,1 % keine Angabe.
Offenbar fühlen sich Arnsberger in ihrer Stadt aber wohler als der Durchschnitt der Sunderner. Das Rückstand ist am Ende nicht ansatzweise so krass, wie die Einschätzung eines Umfrage-Teilnehmers aus Sundern. „Nach dem Studium war für uns klar, in unser Sundern zurück zu kommen“, schreibt er als ergänzenden Kommentar, „mit dem nötigen zeitlichen Abstand würden wir diese Entscheidung nicht noch einmal treffen. Arnsberg und Neheim schießen durch die Decke, während Sundern jeden Tag ein Stückchen weit mehr stirbt.“
Verbundenheit zum Ort
Eine, die sich damit auskennen müsste, was eine Stadt liebens- und lebenswert machen kann, ist die Arnsberger Stadtmarketing-Managerin Tatjana Schefers. Sie sieht mehrere Gründe für die Akzeptanz einer Stadt oder die Liebe zu einem Standort: „Besonders stark ist die Verbundenheit sicher über Familie, Freunde, Kindheit und Erinnerungen“, sagt sie, „emotionale Verbundenheit kann aber auch über Faktoren wie Zufriedenheit im Job, Wohlgefühl an einem Wohnstandort oder gesellschaftliche Akzeptanz entstehen“. Wichtig sei vor allem die Frage: Werden meine Bedürfnisse an einem Ort befriedigt? Ein gutes Stadtmarketing, ist sich Tatjana Schefers sicher, könne dazu beitragen, offensichtliche und verborgene Stärken einer Stadt hervorzuheben, Angebote zu Bedürfnisbefriedigung zu kreieren, Akteure zu stärken und zu vernetzen und damit insgesamt ein positives Image eines Ortes zu schaffen.
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Was auffällt: die Durchschnittsbenotung zu ganz vielen Einzelfragen der Städte Arnsberg und Sundern fällt negativer aus als die Antwort auf die Frage, ob man gerne in seinem Ort lebt. Hier trifft die Analyse der Zustände offenbar die von Tatjana Schefers beschriebene emotionale Komponente des Wohlfühlens. So kommt es, dass Arnsberg bei der Frage nach dem „Gerne leben im Ort“ im Schnitt eine glatte 2,0 erhält, im Notendurchschnitt aller Bewertungen aber „nur“ eine 2,72. Hier das Ganze, dem man verbunden ist, dort der Blick auf Details. „Trotz vieler Schwächen der Stadt Arnsberg möchte ich nirgendwo anders leben als auf dem Schreppenberg“, sagt Lukas Goor und gibt so gleich eine Erklärung, wie beide Notenschnitte auseinanderklaffen können.
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Drei Faktoren schaden Sundern
In Sundern geht diese Schere noch weiter auseinander: Note 2,23 bei der Bewertung des Lebenswertes der Stadt, im Schnitt aller Antworten aber nur eine 3,13. Runtergerissen wird Sundern hier aber vor allem durch drei Faktoren: Öffentlicher Personennahverkehr (Notenschnitt: 3,98), die Arbeit von Verwaltung und Politik (3,86) und die Zufriedenheit mit Bürgermeister Ralph Brodel (4,39). Das über Jahre laufende Polit-Theater in Sundern mit immer neuen echten und konstruierten Skandalen und Streitereien kommt beim Bürger in der Bewertung offenbar nicht gut an. „Hätte ich vorher gewusst, das Sundern eine derart arrogante Grundstimmung hat, wäre ich woanders hingezogen“, beklagt sich ein Umfrage-Teilnehmer. Ein anderer stellt fest: „Der soziale Unfrieden in der Politik stört in Sundern erheblich“. Ein Ende ist nicht in Sicht: Die schlechte Bewertung für Bürgermeister Brodel fällt in eine für ihn ohnehin schwierige Zeit.
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„Politisches Gezerre nervt“
Mit dem Bürgermeister hat auch Judith Wachholz ihre Probleme. Im Kommentar zur Umfrage schreibt sie dennoch: „Wir leben gerne in Sundern und möchten auch nicht woanders wohnen, Bürgermeister hin oder her.“ Paul Beste beschreibt ebenfalls die Zerrissenheit zwischen Wohlfühlen im Ort und Kritik an einzelnen Umständen. „Eigentlich ist Sundern eine Stadt, in der man gut leben kann“, sagt er, „total negativ ist das dauernde politische Gezerre.“
Stadtplaner: „Wohlfühlen ist planbar“
Ist eine Stadt, in der Menschen gern leben, zu planen – oder gehört mehr dazu? Unsere Zeitung sprach darüber mit Arnsbergs Stadtplaner Thomas Vielhaber.
Was macht die Standort-Liebe und Akzeptanz in einer Stadt oder einem Ort am Ende aus?
Wenn sich Menschen in ihrer Stadt wohlfühlen, sie als Heimat empfinden, in der es starke soziale Beziehungen zwischen Bewohnern, in Vereinen und Nachbarschaften und die Bereitschaft zur Mitwirkung im gesellschaftlichen und politischen Leben und wo es Toleranz, Akzeptanz und Offenheit gegenüber Neuem gibt, bringt das eine intensive Bindung an „ihren“ oder „seinen“ Ort mit sich. Speziell in Zeiten, in denen – etwa durch die Globalisierung, – externe Effekte auftreten, die ihre Wirkung auch im lokalen Umfeld zeigen, Corona ist ein gutes Beispiel, besinnen sich viele Menschen auf ihr vertrautes uns als sicher empfundenes Umfeld und engagieren sich hier auch.
Was braucht es noch, um gerne in einem Ort zu leben?
Neben sozialen Kriterien tragen aus meiner Sicht eine gute Ausstattung mit Infrastruktureinrichtungen wie Schulen, Kitas und Sportstätten, ein gutes Angebot an Arbeitsplätzen, Freizeit- und Naherholungsmöglichkeiten und ein insgesamt angenehmes, im besten Fall „schönes“ Umfeld – landschaftlichen wie städtebaulich – dazu bei, gern hier zu leben. Und manchmal sogar stolz auf seinen Heimatort zu sein.
Was kann Stadtplanung dazu beitragen?
Kurze Wege zum Einkaufen, zur Arbeit und zur Schule, Räume für unterschiedliche Lebens- und Wohnformen in überschaubaren Quartieren, eine gute Anbindung an unsere naturnahen Wälder und Flusstäler, sichere Wege für Kinder und ältere Menschen, ein breites Kultur- und Sportangebot, belebte öffentliche Räume, aber auch Reize durch den Wechsel von dörflichem Leben und urbanen Situationen, Baukultur als Ausdruck modernen Gestaltens unter Berücksichtigung von Geschichte, Herkunft und Eigenart der Stadt und der Dörfer – alles das lässt sich nicht stadtplanerisch verordnen. Stadtplanung kann aber durch Leitbilder, Konzepte, Pläne und Maßnahmen entscheidend zum Gelingen beitragen!