Arnsberg/Hochsauerlandkreis. Unversöhnliche Lager, Intrigen und böse Vorwürfe sorgen innerhalb der Partei „Die Linke“ im Hochsauerlandkreis für eine nervenden Zerreißprobe.
Ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl ist die Partei „Die Linke“ im Hochsauerlandkreis tief gespalten. Zwei zerstrittene Lager beschäftigen seit längerer Zeit die Landes- und Bundesschiedskommissionen: Vor Ort stehen das Arnsberger Ratsmitglied Werner Ruhnert und auch das Sunderner Ratsmitglied Siegfried Huff auf der einen und das Arnsberger Kreistagsmitglied Dietmar Schwalm auf der anderen Seite für die sich unversöhnlich gegenüberstehenden Gruppen. Unsere Zeitung versucht, Licht in eine Situation zu bringen, in der sich alle Seiten gegenseitig Lügen, Unterstellungen und Unwahrheiten vorwerfen.
Zwei Lager
Für den HSK-Geschäftsführer der Linken, Joachim Blei aus Sundern, der dem Schwalm-Lager angehört, ist klar: „Es gibt nur eine Wahrheit“. Andere Beteiligte sind zurückhaltender, aber maßlos enttäuscht: Werner Ruhnert möchte sich zur Sache gar nicht im Detail äußern, weil er laufenden Verfahren nicht vorgreifen will. Siegfried Huff (Sundern) sagt es deutlicher: „Wir werden hier vom Kreisvorstand politisch bewusst stillgelegt.“ Für Werner Ruhnert (Arnsberg) ist klar: „Es geht nur ums Zerstören.“ Ruhnert, der – ebenso wie Huff – in den politischen lokalen Gremien parteiübergreifend anerkannt pragmatische Lokalpolitik betreibt, wirkt inzwischen von der Situation stark angegriffen, verletzt und auch ratlos. Vor allem in sozialen Medien eskalieren unerbittlicher Tonfall und persönliche Anfeindungen gegen Ruhnert.
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Landesverband bezieht Stellung
Auf der Suche nach neutralen und übergeordneten Aussagen kontaktierte unsere Redaktion den Landesverband. Aus dessen Geschäftsstelle beantwortet Michael Kretschmer, „in Abstimmung mit Landessprechern und dem Landesgeschäftsführer“, die gestellten Fragen. Die Landesschiedskommission sei nicht für die Beantwortung der Fragen verantwortlich. „Dem Landesvorstand ist bewusst, dass wir seit einiger Zeit eine komplizierte Situation für die Linke im Hochsauerlandkreis haben – und er hält dies auch in Hinblick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen für problematisch“, sagt Kretschmer, da es sich aus seiner Sicht „weniger um politische Differenzen, sondern um zurzeit nicht auflösbare persönliche Auseinandersetzungen handelt“, was eine Klärung sehr schwierig mache. Das Bild, dass die Partei im Kreis für die Wählerinnen und Wähler abgebe, sei „deutlich verbesserungswürdig“.
Ausschlussverfahren gegen Blei
Der Landesverband bestätigt, dass gegen den Kreisgeschäftsführer Joachim Blei ein Ausschlussantrag verschiedener Mitglieder des Kreisverbandes vorliegt. Das Verfahren sei für den 14. März angesetzt. Blei sieht es als fraglich an, ob die Landesschiedskommission den Antrag des Ruhnert-Lagers überhaupt als begründet ansieht („nach dem, was ich vorgebracht habe“). Sollte der Termin stattfinden, werde Joachim Blei diesen aber nicht wahrnehmen, weil er verhindert ist. Die Korrektheit der Einladung zum vorigen Termin bestreitet Blei in einer Mail an unsere Redaktion. „So oder so wird die Sache bei der Bundesschiedskommission auflaufen, und es ist im Grunde schnuppe, was die Landesschiedskommission zuvor entscheidet“, schreibt Joachim Blei. Schon 2018 habe es einen Antrag auf Parteiausschluss gegen Blei gegeben, dem nicht stattgegeben wurde. Blei macht - ohne Namen zu nennen - die Ruhnert-Gruppe sowie ein Mitglied aus Sundern (das ist Siegfried Huff) für die Reihe an Anträgen seit 2015 verantwortlich.
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Ortsverband Arnsberg aufgelöst
Abschließend unklar ist auch offenbar noch die Situation des Ortsverbandes Arnsberg, für den Werner Ruhnert steht. „Die Bundesschiedskommission hat einer ersten Auflösung des Ortsverbandes widersprochen und damit das Urteil der Landesschiedskommission bestätigt“, sagt Michael Kretschmer vom Landesverband, „ein Widerspruch gegen die zweite Auflösung befindet sich in Verhandlung.“ Joachim Blei spricht von einer „rechtskräftigen Auflösung des Ortsverbandes Arnsberg durch die Kreismitgliederversammlung im Juni 2019. Das Selbstverständnis von Werner Ruhnert und seinen Mitstreitern sieht indes anders aus - zumal das Widerspruchsverfahren noch läuft. Sie betreiben noch eine Homepage der „Linken“ in Arnsberg, die wiederum von Joachim Blei als „Vorgaukelei“ kritisiert wird.
Basisgruppe in Arnsberg geplant
„Es gibt definitiv keinen handlungsfähigen Ortsverband Arnsberg mehr“, sagt Joachim Blei. Zurzeit werde die Bildung einer sogenannten Basisgruppe verfolgt. „Wenn es dazu kommt, werden sich darin auf jeden Fall keine Mitglieder der Großfamilie Ruhnert und deren Sympathisanten mehr wiederfinden“, sagt Blei. Das Problem für Ruhnert und seine Mitstreiter „Wir können ja zu gar keiner Versammlung einladen, weil wir aus Datenschutzgründen gar keine Mitgliederdateien haben“, so Ruhnert. Die lägen allein beim Kreisverband.
Schwalm weiter in Partei
Geklärt ist offenbar der Partei-Status von Dietmar Schwalm. Er sei zwar zunächst durch die Landesschiedskommission und Bundesschiedskommission (BSK) aus der Partei ausgeschlossen worden, doch habe es Ende vergangenen Jahres vor der BSK ein Wiederaufnahmeverfahren gegeben, wo diese den Beschluss revidierte. „Eine Begründung ist uns nicht bekannt. Das heißt, dass seine Mitgliedschaft als ununterbrochen gilt“, sagt Michael Kretschmer aus der Geschäftsstelle des Landesverbandes.
Kreisvorstand vom Landesverband anerkannt
Für den Landesvorstand der Partei „Die Linke“ gibt es ungeachtet der Streitereien im HSK „nur einen Vorstand“. Dieser sei nur parteiintern formal im Amt. Sprecher sind Brigitte Mauthner aus Olsberg und Armin Kleck aus Marsberg. Joachim Blei gehört diesem als Geschäftsführer an. Auch über die Rechtmäßigkeit des Kreisvorstandes hatte die Bundesschiedskommission bereits entscheiden müssen.
Paul Dicke nicht ausgeschlossen
Eskaliert war der Streit der Lager auch an der Person des Arnsberger Linke-Mitglieds Paul Dicke. Auch gegen ihn hat es Ausschlussverfahren gegeben. Joachim Blei und Dietmar Schwalm warfen ihm aufgrund geteilter Facebook-Postings Nähe zu rechtsextremen Positionen vor. Der Landesverband stellt klar, dass es ein Verfahren vor der Landesschiedskommission gab. Im Ersten sei der Ausschluss zurückgewiesen worden, in einem Wiederaufnahmeverfahren wurde Dicke dann aus der Partei ausgeschlossen. Dieses Urteil habe die Bundesschiedskommission wieder aufgehoben, so dass Paul Dicke nach Auskunft des Landesverbandes ununterbrochen Mitglied der Partei ist.
Weitere Verfahren laufen
Die parteijuristischen Querelen nehmen vorerst kein Ende. „Es liegen der Landesschiedskommission Anträge gegen Widersprüche des Kreisvorstandes gegen den Eintritt verschiedener Personen vor. Diese werden voraussichtlich in Kürze verhandelt werden“, sagt Michael Kretschmer. Ein Parteimitglied aus Sundern (auch das ist Huff), gegen das wiederum auch noch ein Parteiausschlusswiderspruchsverfahren vor der Bundesschiedskommission laufe, strebt offenbar auch ein Verfahren gegen den Kreisvorstand vor der Landesschiedskommission an, um eine Kreismitgliederversammlung im Dezember 2019 anzufechten. Der Kreisvorstand selbst will noch die Landesschiedskommission anrufen, um gegen den Internetauftritt von den Mitgliedern um Werner Ruhnert als Arnsberger Ortsverband „Die Linke“ zu intervenieren.
Kommunalwahl steht an
Die Streitigkeiten in der Partei „Die Linke“ im Hochsauerlandkreis belasten die Vorbereitungen auf den Kommunalwahlkampf, weil es unterschiedliche Auffassungen gibt, wer letztendlich die Kandidaten für den Rat in Arnsberg nominiert. Laut § 17 (1) des Kommunalwahlgesetzes werden die Reservelisten in kreisangehörigen Städten in Mitgliederversammlungen im Wahlgebiet aufgestellt. „Dies ist erst einmal unabhängig vom Vorhandensein eines Ortsverbandes als Struktur“, sagt Michael Kretschmer.
Sollte es keinen Ortsverband in Arnsberg mehr geben, würde nach Angaben des Landesverbandes „im Allgemeinen der Kreisvorstand“ zu einer solchen Versammlung einladen. „Im Notfall kann so etwas auch über die Landesgeschäftsstelle erfolgen“, so Kretschmer
Mit Blick nach vorn macht Michael Kretschmer aus der Landesgeschäftsstelle aber klar: „Die Landesschiedskommission kann das Gesamtproblem nicht lösen. Es ist auch nicht deren Aufgabe.“ Der Landesvorstand sei aber optimistisch, dass die Partei „Die Linke“ im Hochsauerlandkreis zu den Kreistagswahlen und in verschiedenen Städten im September antreten wird – und auch die Abgabefrist der Unterlagen bis zum 16. Juli einhält.