Arnsberg. . Überforderung bis zum Burn-Out: Wer Angehörige zuhause pflegt, sollte auch auf sich selbst achten. Arnsberger Experten geben Rat.

Ein 82-jähriger Bachumer muss sich vor dem Landgericht verantworten, weil er seine pflegebedürftige Ehefrau erdrosselt hat. Am ersten Prozesstag schilderte der Senior, wie es zu der Tat kam. Er sei mit der Pflegesituation überfordert gewesen.

Der Fall ist Anlass für unsere Redaktion, mit Experten über die Belastungen zu sprechen, die auf den Schultern pflegender Angehöriger ruhen.

Verfügbarkeit rund um die Uhr, das Gefühl der Verantwortung für den Angehörigen, eventuelle Schuldgefühle, die Trauer darüber, dass ein geliebter Mensch nach und nach an Kräften verliert, vielleicht auch Unstimmigkeiten über die richtige Pflege innerhalb der Familie – die belastenden Faktoren sind vielfältig.

Jeder pflegende Angehörige sieht sich einer anderen Situation gegenüber und jeder geht unterschiedlich damit um. Eines aber haben sie gemeinsam: „Jeder, der Angehörige pflegt, ist in irgendeinerweise selbst belastet“, sagt Monja Luig, Leiterin des Pflegezentrums St. Johannes in Neheim.

Unterstützung bei Pflege zuhause

Diese Einschätzung teilt auch Jörg Beschorner, Pflegedirektor im Klinikum Hochsauerland: „Die Belastung kann immens sein – sowohl körperlich als auch seelisch. Man ist gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen, dass der Angehörige – ob Elternteil oder Partner – immer eingeschränkter ist.“ Für Senioren, die Gleichaltrige pflegen, ist häufig die körperliche Belastung sehr hoch.

Kümmern sich Kinder um ihre pflegebedürftigen Eltern, befinden sie sich selbst meist in einer Lebensphase, in der sie sich auch ihrem Job und der eigenen Familie, Partner und Kindern, verpflichtet fühlen. Das kann ein Gefühl der Zerrissenheit erzeugen.

Viele trügen diese Belastung länger, als sie eigentlich könnten, weil sie den Schritt in die stationäre Pflege scheuten, sagt Monja Luig. Dabei gebe es dazwischen noch eine Bandbreite an anderen Entlastungsmöglichkeiten – häusliche Dienste oder die Tagespflege zum Beispiel. „Der Gesetzgeber hat einen Rahmen geschaffen, in dem Menschen möglichst lange zu Hause gepflegt werden können“, sagt sie. Erster Schritt sei die Beantragung eines Pflegegrads, um einen Anspruch auf Unterstützung in der Pflege zu haben.

Beratung bei der Entlassung aus der Klinik

Erster Ansprechpartner dazu ist in der Regel die Pflegekasse, im Klinikum Hochsauerland gibt es schon mehrere Jahre ein Entlassmanagement. Pflegeberaterinnen wie Martina Krick gehen auf ältere Patienten zu, die kurz vor der Entlassung stehen und beziehen bestmöglich auch die Angehörigen mit ein, um die passenden Pflegemöglichkeiten zu besprechen.

„Viele Angehörige unterschätzen die Situationen, die auf sie zukommen können und sind dann hilflos“, sagt sie. Oft müsse sie deutlich machen, dass das Fachpersonal im Klinikum Hochsauerland in Schichten arbeite – zuhause hingegen ein 24-Stunden-Job auf die Angehörigen zukomme, damit diese sich nicht übernähmen.

Symptome eines Burn-Outs

Hilfreich sei häufig auch der Austausch mit anderen pflegenden Angehörigen, um zu erkennen, dass man mit der Situation nicht alleine sei und auch keine Schuldgefühle haben müsse, wenn man selbst eine Auszeit zur Erholung brauche. Bei bestimmten Warnsignalen jedoch sei professionelle Hilfe angebracht. „Wenn man irgendwelche Symptome verspürt, die landläufig unter den Begriff Burn-out fallen, sollte man sich fragen, ob man nicht selbst Hilfe braucht“, sagt Beschorner.

Wer permanent erschöpft, müde, kraftlos sei, Versagensängste verspüre, besonders gereizt sei, unter Schlafstörungen oder körperlichen Symptomen wie Schwindel leide, der solle dringend um Unterstützung bitten.

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