Arnsberg. . Einst gab es über 23 Gaststätten in Oeventrop, heute nur noch drei. Eine davon ist das Traditionshaus „Alter Gasthof Dicke.

  • 1843 mit angeschlossener Brauerei gegründet
  • 1987 übernehmen Hendrik und Roswitha Keur nach längerem Leerstand
  • Bis zur Rente noch fünf Jahre

„Ich mache gerne Kneipe. Aber mit 70 ist Schluss.“ Sagt Roswitha Keur. Und zapft mit Schwung ein frisches Pils. Doch heute wird erst einmal gefeiert.

Aus gleich doppeltem Grund: Die resolute Wirtin der 1843 gegründeten Oeventroper Traditionsgaststätte „Alter Gasthof Dicke“ wird 65 Jahre alt und vor 30 Jahren hat sie das Haus gemeinsam mit ihrem 2012 verstorbenen Mann Hendrik „Harry“ Keur übernommen. Anlass, zurückzublicken.

„100 Einwohner, drei Kneipen und am Arsch der Welt“

Angefangen in der Gastronomie haben der aus den Niederlanden stammende Koch Hendrik Keur und Gattin Roswitha - eine gebürtige Düsseldorferin - in jungen Jahren zunächst in Soest, aber dann lockt 1974 ein Angebot auf Selbstständigkeit in das kleine Dorf Berghausen bei Schmallenberg. Der Schritt ins Sauerland.

Aber Berghausen, das ist so gar nichts für Roswitha Keur. „100 Einwohner, drei Kneipen und am Arsch der Welt.“ Zu tun haben die Keurs dennoch: „Früher, da ging es ja in den Lokalen noch richtig rund.“

Keurs werden in Oeventrop herzlich aufgenommen

Doch dann kommt dem Ehepaar die Offerte einer Brauerei gerade recht, um der Einsamkeit in der Tiefe des Sauerlandes zu entkommen: die Übernahme des „Sauerländer Hofs“ in Oeventrop.

Die Keurs fackeln nicht lange und wagen den Sprung. Einen Sprung, so Roswitha Keur, „den wir nie bereut haben“. Die Aufnahme in den Ruhrdörfern ist herzlich, die Geschäfte laufen gut. „Eine schöne Zeit.“

1987 wird der „Alte Gasthof Dicke“ wieder flottgemacht

Roswitha Keur mit der Hauschronik, die 1943 zum 100. des Gasthofes angelegt wurde. Die Chronik wurde der Familie Keur
Roswitha Keur mit der Hauschronik, die 1943 zum 100. des Gasthofes angelegt wurde. Die Chronik wurde der Familie Keur © Ted Jones

Aber da bekanntlich rostet, wer zu viel rastet, ergreifen Hendrik und Roswitha Keur die nächste Chance, als ihnen nach zehn Jahren erfolgreicher Tätigkeit im „Sauerländer Hof“ 1987 die Möglichkeit geboten wird, das leer stehende Traditionshaus „Alter Gasthof Dicke“ an der Glösinger Straße 1 zu übernehmen und wieder flottzumachen.

Viele treue Stammgäste

„Das Haus gehörte der Stadt, später haben wir es dann gekauft.“ Seit dieser Zeit steht Roswitha Keur hinter der Theke, zapft, bedient und hat für ihre Gäste immer einen flotten Spruch auf den Lippen.

So verwundert es nicht, dass Roswitha Keur über etwas verfügt, was heute in der Kneipenszene nicht mehr selbstverständlich ist: über treue Stammgäste.

Mit 65 in Rente? Das ist absolut kein Thema

Darunter viele Fußballer des TuS Oeventrop, die „ihre Roswitha“ ins Herz geschlossen haben. Auf deren Ankündigung jedenfalls, mit 70 den Zapfhahn hochzudrehen, reagieren die Fußballer leicht bestürzt: „Du kannst doch auch noch mit dem Stock an der Hand bedienen.“

Aber schon jetzt, mit 65 in Rente gehen? Das ist für die seit heute 65-Jährige absolut kein Thema. „Was soll ich dann den ganzen Tag machen? Shoppen und Kaffeetrinken gehen, das ist nicht meine Welt. Außerdem würde mir etwas fehlen.“

Seit fünf Jahren steht Roswitha Keur allein am Tresen

Immerhin: Seit dem Tod ihres Mannes vor fünf Jahren schmeißt sie den Laden ganz allein. „Bei größeren Veranstaltungen werde ich aber an den Wochenenden oft von meinem Sohn Klaas unterstützt.“ Aber irgendwann, sagt Roswitha Keur, muss Schluss sein. „Auch, wenn es noch großen Spaß macht.“

„Früher war der Frühschoppen sonntags Tradition“

Der „Alte Gasthof Dicke“ in der 50er Jahren.
Der „Alte Gasthof Dicke“ in der 50er Jahren. © Privat

Und das, obwohl früher alles besser ist. „Da waren die Kneipen immer gut besucht und sonntags nach dem Hochamt war der Frühschoppen Tradition.“ Dies sei seit Jahren nicht mehr so.

Kein Wunder also, dass von den einst 23 Lokalen allein in Oeventrop nur noch drei existieren. Geändert hätten sich übrigens auch bei den jungen Leuten die Gewohnheiten. „Die Jugend ging damals früher raus. Jetzt kommt sie oftmals erst spät nachts. Das jedoch ist nichts mehr für mich.“

Große Party: „Wer kütt, der kütt“

Am heutigen Samstag, 24. Juni, nun geht es mächtig rund: Ab 11 Uhr ist die Oeventroper Bevölkerung in den „Alten Gasthof Dicke“ eingeladen. Alle? „Klar, wer kütt, der kütt,“ zeigt Roswitha Keur rheinische Gastfreundschaft.

Blauleinenfärber Caspar Anton Dicke ist der Urvater

Das „Alte Gasthaus Dicke“ gehört - wenn auch beträchtlich jünger - zu Oeventrop wie der Glockenturm zu Arnsberg. Erbaut wurde das Gebäude 1838 von dem Blauleinenfärber Caspar Anton Dicke aus Westernkotten und dessen Frau Regina.

Die Konzession für ein Gasthaus mit eigener Brauerei wurde schließlich am 5. Mai 1843 erteilt. Wie es in der anlässlich des 100-jährigen Bestehens 1943 erstellten Hauschronik heißt, wurde bei Dickes ein leckeres obergäriges Bier gebraut, dem nicht nur die Oeventroper gerne zusprachen.

Über Generationen im Besitz der Familie Dicke

Nachfolger des Gründerpaares wurde Sohn Franz, der gemeinsam mit seiner Frau Maria, der Tochter des Arnsberger Küfers und Weinhändlers Wilhelm Dieckmann, das Zepter übernahm.

Das Haus blieb dann noch mehrere Generationen in Familienhand. Bis es schließlich mit der Kneipenleben auch in Oeventrop zurückging. So übernahmen schließlich Hendrik und Roswitha Keur nach einigen Jahren Leerstand das große Gasthaus an der Glösinger Straße.