Marsberg. . Immer mehr Menschen greifen zu neuen psychoaktiven Substanzen, die als Ersatz für bekannte illegale Drogen auf dem Markt angeboten werden. Das war Thema einer LWL-Fachtagung in Marsberg. Die Substanzen sind zum Teil legal und kursieren im Internet.

Der Drogenmarkt wird von immer neuen psychoaktiven Substanzen überschwemmt, die schneller entstehen als Kontrollbehörden sie klassifizieren und einschätzen können. Zumeist synthetisch hergestellt, werden die als „Legal Highs“ und „Research Chemicals“ bezeichneten Substanzen oftmals als Ersatz für bekannte illegale Drogen auf dem Markt angeboten. Ihr Verkauf findet zunehmend über das Internet statt.

„Legal Highs stellen auf den Kopf, was bisher in der Suchtbekämpfung als sicher galt“, haben die rund 150 Experten aus ambulanten und stationären Sucht- und Jugendhilfeeinrichtungen bei der von der LWL-Koordinationsstelle Sucht und der LWL-Klinik Marsberg ausgerichteten Fachtagung mit dem Thema „Legal Highs und Neue Drogen: Wovon reden wird eigentlich?“ gelernt.

Diese Zeitung sprach mit den Referenten Dr. Andreas H. Ewald, Apotheker und Leiter der Rechtsmedizin Hamburg, Aline Hollenbach, Fachbereich Drogenerkennung und Suchtprävention, Landesinstitut für Präventives Handeln St. Ingbert, Jörn Patzak, Staatsanwalt und Drogenfachmann, Doris Sarrazin, Leiterin der LWL-Koordinationsstelle Sucht in Münster und PD Dr. Stefan Bender, Ärztlicher Direktor der LWL-Kliniken Marsberg.

Welche neue Drogen werden denn überhaupt unter welchen Namen vertrieben?

Dr. Andreas H. Ewald: Das mit dem Namen ist so eine Sache. Entweder sind es chemische Grundstoffe, dann heißen sie beispielsweise MDMA, sie enthalten Ectasy-Wirkstoffe, oder es sind kreative Fantasienamen, wie „Badesalze“. Die Namen richten sich nach den Chemikern oder Forschergruppen, die die Substanzen hergestellt haben in der Arzneimittelentwicklung, die aber nie auf den Markt gekommen wären. Die psychoaktive Wirksamkeit gab es aber. Deshalb sind sie aufgetaucht.

Wie ist ihre Wirkungsweise und welche Gefahren sind mit ihrem Konsum verbunden?

Dr. Ewald: Die Wirkungsweise ist sehr unterschiedlich. Die Aufputschmittel sind sehr anregend, leistungsfördernd. Nebenwirkung gibt es aber: Sie führen zu Selbstüberschätzung. Die cannabisähnlichen Stoffe wirken beruhigend. Die Wirkstoffe sind aber unbekannt, werden leicht überdosiert und führen dann zu Vergiftungen. Prinzipiell besteht eine hohe Gefahr bei inhalierbaren Drogen, wie „Kräutermischungen“, die einen besonderen Kick im Gehirn auslösen, wodurch die Suchtgefahr größer wird.

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Doris Sarrazin: Die große Gefahr besteht darin, wer unbekannte Stoffe konsumiert, weiß nicht, was er aufnimmt. Problem ist, dass Mischungen verschiedenster Wirkstoffe in einem Produkt zu finden sind. Die Zusammensetzung ist unbekannt. Die Wirkung ist für Konsumenten schwierig bis gar nicht einschätzbar.

Dr. Ewald: Die Hersteller der so genannten Designerdrogen klauben sich ihre Rezepturen aus der chemischen Forschungsliteratur zusammen. Wer ein solches Produkt wiederholt bestellt, kann jedoch nie sicher sein, dass der Inhalt und vor allem die Wirkung dieselbe ist.

Dr. Stefan Bender: Die neuen Drogen werden hauptsächlich im Internet verkauft. Das sind meist kleine Tütchen mit sechs bis zehn Konsumeinheiten für 20 bis 30 Euro.

Doris Sarrazin: Eine weitere Schwierigkeit: Bei einem einfachen Wald- und Wiesendrogentest sind die Wirkstoffe nicht nachweisbar. Der Drogenkonsum kann nicht bewiesen werden und bleibt demnach straffrei.

Da stellt sich doch die Frage, wie kann der Missbrauch psychoaktiver Substanzen erkannt werden?

Aline Hollenbach: Wenn bei Verkehrskontrollen durch die Polizei Anzeichen von Drogenkonsum auftreten und der erste Drogentest unauffällig ist, lassen sich die psychoaktiven Substanzen im Bluttest schon nachweisen.

Welche Herausforderungen stellen die „neuen Drogen“ für die Strafverfolgungsbehörden und den Gesetzgebern dar?

Jörn Patzak: Grundidee des Betäubungsmittelgesetzes ist es, mit Substanzen so umzugehen, dass nur das, was dort geschrieben steht auch rechtlich ein Betäubungsmittel ist. Kleinste rechtliche Änderungen an den Substanzen führen dazu, dass sie rechtlich keine Betäubungsmittel mehr sind. Das führt seit 2008 zu einem Katz-und-Maus-Spiel unter den illegalen Herstellern und den Strafverfolgungsbehörden.

Diskutiert wird derzeit, ob es verfassungsrechtlich möglich ist, eine ganze Stoffgruppe zu benennen. Ein anderer Weg ist, dem Stoff den Mythos zu entziehen, dass er nicht legal ist.

Doris Sarrazin: Es bleibt uns vorerst nur, präventiv zu handeln und Jugendliche, Eltern, Angehörige und Beratungsstellen über die Risiken zu informieren, dabei aufklärend die Kommunikationswege zu nutzen, die auch die hauptsächlich jungen Konsumenten wählen: das Intenet. Im Februar ist dazu ein von der EU gefördertes Projekt an den Start gegangen.

Wo oder wie werden die neuen Drogen denn hergestellt?

Jörn Patzak: Hergestellt werden sie zumeist illegal im Ausland, Tschechien, Holland, Belgien. Das ist schon sehr abenteuerlich. Kräutermischungen werden beispielsweise in einem Betonmischer durcheinandergemengt und dann abgepackt.