Willingen.. Skisprung-Legende Martin Schmitt hat beim Weltcup in Willingen einen emotionalen Abschied von seinen Fans gefeiert. Fast zwei Stunden nahm sich der 36-Jährige die Zeit, um Autogramme am Fließband zu schreiben. “Es ist der Wahnsinn, was ich hier erleben durfte“, ging ihm die Euphorie unter die Haut.
Eigentlich scheint diese Party vorbei zu sein. Lange vorbei zu sein. Zwar erhellt das riesige Flutlicht die Tribünen und den Auslauf der Mühlenkopfschanze noch, aber die meisten Zuschauer befinden sich bereits auf dem Weg zurück aus dem Strycktal nach Willingen. Sie lassen ein wenig Müll und jede Menge Schneematsch hinter sich.
Sieg von Stoch steht im Schatten
Und eine Menschentraube, der es ziemlich egal ist, dass die Klänge der großen Weltcup-Party bereits verklungen sind. Oder dass der Pole Kamil Stoch als Sieger des Skispringens am Samstag vor dem deutschen Vorzeige-Adler Severin Freund und dem Slowenen Jernej Damjan feststeht.
Diese Fans drängeln sich immer noch an den Gittern, welche den Skispringern einen einigermaßen hindernisfreien Weg hinter die Kulissen ermöglichen. Denn auf der anderen Seite steht er. Immer noch. Ihr Idol. Obwohl Martin Schmitt offiziell seit einem Tag Skispringer außer Dienst ist.
Hier an der Mühlenkopfschanze, beim so genannten Kult-Weltcup am Rande des Hochsauerlandes, verabschiedet sich der 36-Jährige von der Bühne, die sein Leben fast zwei Jahrzehnte bestimmte. Die er fast zwei Jahrzehnte bestimmte. Es ist ein Abschied mit Stil, ein würdiger Abschied für einen der erfolgreichsten Skispringer Deutschlands.
Abschied von Schmitt der Höhepunkt im Strycktal
In der Pause zwischen dem ersten und zweiten Durchgang des Springens am Samstag erreicht der Lärmpegel im Strycktal seinen vorläufigen Höhepunkt, als Martin Schmitt gemeinsam mit Franz Steindl, dem Präsidenten des Deutschen Skiverbandes, den Auslauf betritt. Während auf den großen Leinwänden Szenen seiner unbeschreiblich erfolgreichen Karriere zu sehen sind, kullern bei zig Zuschauerinnen bereits erste dicke Tränen.
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„Du hast die Menschen mit deiner authentischen und sympathischen Art für das Skispringen begeistert. Was Boris Becker für das Tennis war, warst du für das Skispringen in Deutschland“, sagt Steindl. Und: „Einem wie dir stehen im DSV alle Türen offen. Ich hoffe auf eine gemeinsame Zukunft.“ Anschließend überreicht er Schmitt als Anerkennung das Sportehrenzeichen in Gold. Von seinem langjährigen Sponsor, der zuvor unendlich viele lila Mützen unter den Zuschauern verteilte, erhält der Olympiasieger, Weltmeister und Gesamtweltcup-Sieger eine überdimensionale Tafel Schokolade.
Der Wahnsinn vor 15 500 Zuschauern
„Es ist der Wahnsinn, was ich hier erleben durfte“, sagt Martin Schmitt anschließend gerührt. „Es wird unvergesslich bleiben, es war einfach genial. Ihr seid das beste Publikum“, lobt er die gut 15 500 Zuschauer stellvertretend für die zigtausend Fans, die ihm über die Jahre im hessischen Upland zujubelten, ihm in ihrer Verehrung gar bis ins Hotel folgten.
Weltcup in Willingen tolle Bühne für Schmitts letzten Auftritt
Weil der Weltcup in Willingen stets mit derart vielen Emotionen befrachtet ist, wählte ihn Schmitt bewusst als Ort des Abschieds aus. „Ich finde diesen Rahmen toll“, sagt auch Bundestrainer Werner Schuster. Er hätte seinem Routinier sogar einen letzten Flug in die singende, tanzende und fahnenschwingende Masse geschenkt, wenn es dessen Wunsch gewesen wäre. „Das haben wir so besprochen, aber er wollte nicht“, sagt Schuster. „So ein Typ ist er nicht.“
Und als Musikstücke wie „Time to say goodbye“ die Stimmung gar zu melancholisch werden lassen wollen, greift sich Schmitt ein letztes Mal das Mikrofon und sagt: „So traurig ist’s aber auch nicht.“
Was folgt ist ein Autogramm-Marathon, den selbst Willingen noch nie erlebte. Gut 90 Minuten erfüllt Schmitt mit einer lobenswerten Geduld stets lächelnd fast alle Wünsche seiner Fans. Ob sie in Zukunft eine ähnliche Lichtgestalt im Skispringen feiern dürfen? „Es kann einer kommen, der die Massen wieder so begeistert“, sagt Werner Schuster. Aber die damalige Mannschaft, der Einstieg des Massenmediums Fernsehen in die bis dato Randsportart – all das befeuerte Schmitts Aufstieg zum Star. „Es kann wieder einer schaffen“, wiederholt der Bundestrainer, „aber es wird schwierig.“
Die Fans wollen Martin Schmitt sehen
Wie schwierig, das ist am Samstagabend in Willingen zu sehen. Severin Freund, der Zweitplatzierte? Ein paar Autogramme hier, ein Foto da – das ist es. Die Masse will Martin Schmitt sehen – und der nimmt sich zum Abschied die Zeit. „Das bin ich meinen Fans schuldig“, sagt Schmitt grinsend, bevor ihn sein Manager doch zum Aufbruch drängt. Ein paar Termine stehen am Abend noch an, am Sonntag weilt Schmitt erneut an der Schanze. Die Party ist nicht vorbei, sie ist nur unterbrochen.