Winterberg. Die Winterbergerin Ute Ante erzählt, wie sie es geschafft hat, ihre Ängste zu überwinden und das Leben wieder positiv anzugehen.
Angst, Hoffnungslosigkeit, unendliche Traurigkeit und Erschöpfung – Ute Ante weiß, wie schlimm sich eine Depression anfühlen kann. Doch die Winterbergerin hat für sich einen Weg aus dieser verhängnisvollen Abwärtsspirale gefunden und möchte anderen Betroffenen Mut machen, ihr Leben wieder in eine positive Richtung zu lenken. Sie sagt aber auch: „Das ist kein leichter Weg. Es ist harte Arbeit und man muss es absolut wollen.“ In der WP erzählt die Winterbergerin ganz offen, wie sie in die Depression hineingeglitten ist und wie sie es geschafft hat, sich ihren Ängsten zu stellen und die Opferrolle zu verlassen.
Auch interessant
Als Kind emotionale Nähe vermisst
„Heute weiß ich, dass alles schon in meiner Kindheit angefangen hat. Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, das ich als sehr lieblos empfunden habe. Es gab keine emotionale Nähe und ich kannte nicht das Gefühl, behütet zu sein. Ich habe immer getan, was man von mir erwartet hat“, erzählt die Winterbergerin. Und so habe sie zum Beispiel wunschgemäß eine Ausbildung zur Friseurin und später den Meistertitel gemacht, obwohl sie viel lieber Ärztin geworden wäre. Schon als Kind habe ich unter ständigen Magen- und Darmproblemen gelitten. „Doch damals sprach man noch nicht darüber, dass solche Symptome auch psychische Ursachen haben können“, erinnert sich Ute Ante.
Der Weg in die Depressionen
Auch ihre Hochzeit und der erste Schritt weg von zu Hause habe sich nicht als gute Entscheidung erwiesen. „Meine Eltern fanden meinen Mann toll. Doch die Ehe war von Anfang an problematisch. Ich habe mir lange Zeit das alles schöngeredet und getrunken“, erinnert sie sich heute. Zumal sie nach der Geburt ihres Sohnes in eine Schwangerschafts-Depression gefallen sei – auch dafür habe in der damaligen Zeit niemand Verständnis gehabt. Geholfen habe ihr schließlich ein Arzt, der sie mit Medikamenten versorgt habe. Doch dafür habe sie einen hohen Preis bezahlt: „Er forderte gewisse Gegenleistungen ein. Ich habe ihm gegeben, was er wollte. Doch ich habe mich dabei sehr schlecht und schuldig gefühlt, weil ich mich darauf eingelassen habe.“ Die Probleme in der Ehe häuften sich, schließlich kam es zur Trennung. Ute Ante erinnert sich, dass sie in dieser schweren Zeit drei Jobs gleichzeitig machte, um alles in den Griff zu bekommen. Doch statt besser sei alles immer schlimmer geworden.
Professsionelle Hilfe
Wirkliche Hilfe habe sie erst bei ihrer jetzigen Psychotherapeutin gefunden, die sie an die Wurzeln ihrer Krankheit geführt habe. „Das war für mich wie ein Lottogewinn. Mit ihrer Hilfe habe ich einen roten Faden gefunden. Sie hat mir deutlich gemacht, wo in meiner ganz persönlichen Biografie die Ursachen liegen und dass ich mich meinen Ängsten stellen muss“, erklärt die 69-Jährige rückblickend. Zu ihrer desolaten psychischen Verfassung trug schließlich sicher auch ein weiterer Schicksalsschlag bei: Vor zehn Jahren bekam Ute Ante eine niederschmetternde Diagnose: Krebs. Und als eines Tages schließlich der Blutdruck außer Kontrolle geriet, suchte sich die Winterbergerin Hilfe. Noch heute ist sie dankbar, dass eine Freundin ihr damals deutlich gemacht habe, dass sie auf dem Weg zur Alkoholikerin war und allein nicht aus der Situation herauskommen würde.
Leben selbst in die Hand nehmen
„Durch die Therapie ist mir klar geworden, warum ich so ticke, wie ich bin und, dass ich mich meinen Ängsten stellen muss. Ich habe erkannt, dass ich ein ausgeprägtes mangelndes Selbstwertgefühl hatte. Durch die Depression war für mich jeder Tag grau und dunkel. Es ist fürchterlich, wenn man so schlimme Gedanken und Gefühle hat und alles so hoffnungslos erscheint“, beschreibt Ute Ante ihren damaligen depressiven Gemütszustand. „Inzwischen akzeptiere ich alles, wie es gewesen ist und habe es geschafft, die Opferrolle zu verlassen.“
Schritt für Schritt habe sie gelernt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, sich ihren Ängsten zu stellen und ihrem Leben eine positive Wendung zu geben. Ihre Therapeutin sei es auch gewesen, die sie ermutigt habe, ganz gezielt etwas gegen ihre Ängste zu tun. Ute Ante nennt ein Beispiel: „Ich fahre nicht gern allein in Urlaub. Sie hat mir vorgeschlagen, eine Woche ganz allein an die Nordsee zu fahren. Das hat mich große Überwindung gekostet, aber ich habe es schließlich gemacht und war dann sehr stolz, dass ich das geschafft habe. Es gibt immer 1000 Gründe, etwas nicht zu tun.“
Abschied vom bequemen Kuschelfaktor
Heute weiß Ute Ante: „Man muss lernen, Dinge, die man nicht ändern kann, loszulassen. Ich muss meine Energie nutzen, um mein Leben so zu gestalten, wie ich es leben möchte. Der Arzt und Psychotherapeut Russ Harris sagt: Wer vor dem Schmerz flieht, der wird eingeholt.“ Wichtig sei, sich immer wieder zu reflektieren und sich seine Ressourcen bewusst zu machen. Konkret heiße das für Ute Ante: „Ich habe meinem inneren Kind eine Heimat gegeben, ich kann mich abgrenzen und haben mich von Menschen getrennt, die mir nicht guttun.“ Dafür müsse man allerdings die Komfortzone verlassen und sich vom bequemen Kuschelfaktor verabschieden.
Gut getan habe ihr auch, an ihren ursprünglichen Traum, Medizin zu studieren, zumindest ein stückweit anzuknüpfen: Über das Fernstudium-Institut ILS hat sie Seminare besucht und Zertifikate in den Schwerpunkten Psychologie, Psychotherapie und Achtsamkeitstraining erworben. „Dabei habe ich mich mit der Problematik sehr ausgiebig auseinandergesetzt. Eigentherapie, das ist heute mein Thema.“ Halt und Austausch gibt ihr auch die Selbsthilfegruppe Depression, Angst- und Panikstörungen, die sie in Hallenberg gegründet hat.
Unterstützung in der Selbsthilfegruppe
Mitglied ist dort auch Marita. Sie erzählt, dass Depressionen und Angststörungen viele Gesichter haben, dass die Symptome sehr unterschiedlich sein können. Beiden ist wichtig zu betonen, dass eine Selbsthilfegruppe keine Therapie ersetzten könne, sondern lediglich eine Unterstützung sei. Die beiden Frauen wissen aber auch, wie schwierig es ist, einen Therapieplatz zu bekommen. Marita sagt: „Und, wenn man dann nach sechs Wochen aus einer stationären Therapie kommt und dann keine professionelle Hilfe bekommt, geraten viele in den alten Strudel.“ Auch Ute hat die Erfahrung gemacht: „Viele Betroffene telefonieren sich die Finger wund und stehen auf zig Wartelisten. Und dann kann es passieren, dass man endlich einen Therapeuten hat und merkt, dass das nicht passt. Dann bringt am Ende die ganze Therapie nichts.“
Positive Akzente setzen
Und auch deshalb ist Ute Ante richtig froh, dass sie eine Therapeutin gefunden hat, bei der sie sich gut aufgehoben fühlt. Und so ist sie heute eine Frau, die lebensfroh, aktiv und tough wirkt. Auch wenn sie hin und wieder merkt, wie schnell man in die alte Spirale reingeraten kann, wenn es mal stressig wird, körperliche Symptome wie die altbekannten Bauchschmerzen auftreten und plötzlich dann wieder die Angst da ist, es könnte der Krebs sein, der sich zurückmeldet. Doch inzwischen kann sie damit umgehen, hat Strategien entwickelt: „Das Laufen hilft mir sehr. Ich bin viel in der Natur unterwegs und nehme meine Umwelt ganz bewusst mit allen fünf Sinnen wahr.“ Zu ihrer jetzigen lebensbejahenden Einstellung passt auch perfekt der fröhlich-freche Klingelton ihres Handys: „Zwei mal drei macht vier. Widdewidddewitt und drei macht neune. Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.“