Hochsauerland/Brilon/Olsberg. Die Firma Oventrop kündigt an, rund 175 Jobs in Brilon und Olsberg zu streichen. CDU-Chef Friedrich Merz gibt jetzt ein deutliches Statement ab.
Die Firma Oventrop plant einen einen massiven Stellenabbau, der vor allem die Produktionsstandorte Brilon und Olsberg betreffen wird (wir berichteten). Der Grund: Eine Umstellung in der Produktion. Im Sauerland wird die Produktion am Standort Brilon konzentriert. Dort würden künftig zwei der drei geplanten Segmente ihr zu Hause finden. Zusätzlich würden die Vollautomaten Dreherei und die Kunststofffertigung als so genannte Kompetenzzentren von Brilon aus Vorprodukte in die einzelnen Segmente liefern. Das dritte Segment wird im polnischen Szydtowiec aufgebaut, wo Oventrop seit 2021 ein Werk betreibt. Der Aufbau des Segmentes am Standort Szydłowiec werde dort 2024 zum Stellenaufbau führen. Vor diesem Zeitpunkt werde es in Brilon und Olsberg zu keinem Stellenabbau kommen.
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Oventrop ist mit dieser Vorgehensweise aber nicht allein: Jeder vierte mittelständische Unternehmer denkt nach Informationen des Verbandes „Der Mittelstand BVMW“ über eine Produktionsverlagerung ins Ausland nach. Welche Gründe spielen die tragende Rolle, dass ein großer Teil des deutschen Mittelstands über eine Verlagerung der Produktion jenseits der Landesgrenzen nachdenkt? Was muss die Politik tun, um dem wirksam und schnell entgegen zu steuern? Der Hochsauerlandkreis lebt vom Mittelstand, Ist es mit Blick auf den Wohlstand und die Arbeitsplätze in der Region beunruhigend, dass ein so großer Teil mittelständischer Unternehmen über eine Produktionsverlagerung ins Ausland nachdenkt? Mit diesen Fragen hat die Westfalenpost die Bundestagsabgeordneten des HSK, Friedrich Merz (CDU), Dirk Wiese (SPD) und Carl-Julius Cronenberg (FDP) konfrontiert.
CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz: „Beispiel für den Ernst der Lage in Deutschland.“
Merz betont: „Dass die Firma Oventrop plant, Produktion ins Ausland zu verlagern, ist eine schlechte Nachricht für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es ist aber auch eine schlechte Nachricht für den Industriestandort Sauerland.“ Diese Entscheidung sei ein weiteres Beispiel für den Ernst der Lage in Deutschland: „Alle anderen wachsen, aber in Deutschland schrumpft die Wirtschaft. Mittelständische Familienunternehmen wie Oventrop sind das Rückgrat unserer Wirtschaft, auch im Hochsauerlandkreis. Sie sichern gut bezahlte Arbeitsplätze, an ihnen hängt unser Wohlstand.“ Die Bundesregierung streite, setze falsche politische Prioritäten und treibe mit hohen Steuern und Energiepreisen die Unternehmen ins Ausland, findet Merz. Die Ampel müsse endlich in der Realität ankommen und „die Weichen richtig stellen. Unternehmer brauchen Planungssicherheit, damit sich Investitionen bei uns langfristig lohnen. Wir haben dafür als CDU und CSU hier im Sauerland vor wenigen Tagen eine Wachstumsagenda mit konkreten Maßnahmen vorgeschlagen.“ Die Bundesregierung müsse handeln, damit nicht immer mehr Unternehmen auch der heimischen Region Teile ihrer Produktion ins Ausland verlagern.
SPD-Bundestagsfraktion-Vize Dirk Wiese: „Verlagerungen keine kurzfristigen Entscheidungen.“
„Verlagerungen sind keine kurzfristigen Entscheidungen. Sie haben mehrere Ursachen. Dennoch hatten wir im Hochsauerlandkreis in den vergangenen Jahren eine robuste wirtschaftliche Entwicklung“, so Wiese. Weiter geht er auf die Produktionsverlagerung von Oventrop nicht ein, vielmehr nimmt er die gesamte wirtschaftliche Entwicklung in den Blick: Von 2017 bis 2023 habe die Zahl der Beschäftigten von 105.339 auf 112.493 stetig zugenommen. Zum Vorjahr 2022 allein um 1,5 Prozent. „Erhöhte Kurzarbeit ist auch nicht breit erkennbar, was normalerweise ein Indikator für Probleme in den Unternehmen darstellt“, sagt Wiese. Dennoch müsse man auf das gesamte wirtschaftliche Umfeld schauen. „Die Flaute der chinesischen Wirtschaft bremst deutsche Exporte und es gibt nach wie vor eine hohe Kaufzurückhaltung bei den Bürgern aufgrund der Inflation. Hinzu kommt ein harter internationaler Wettbewerb mit anderen Ländern, insbesondere den USA, aufgrund des Inflation Reduction Act. Gerade deshalb brauchen wir einen Industriestrompreis“, liefert Wiese einen Lösungsvorschlag. Es gäbe deutliches Licht am Ende des Tunnels. „Das DIW sieht im 2. Halbjahr eine langsame Erholung und für 2024 ein Wachstum von 1,2 Prozent.“
FDP-Bundestagsabgeordneter Carlo Cronenberg: „Jeder Stellenabbau beunruhigt“
Cronenberg: „Die wirtschaftliche Lage im Mittelstand ist alles andere als eindeutig. Klassische KMU leiden unter Bürokratie und der zunehmend schwachen Infrastruktur. Diese Unternehmen sind aber an ihren Standort gebunden, sie denken nicht über Verlagerungen ins Ausland nach. Für viele Unternehmen sind lange Planungs- und Genehmigungsverfahren ein massives Problem.“ Grundsätzlich investieren Unternehmen, laut Cronenberg, auch deshalb im Ausland, um neue Märkte zu erschließen. Die Gründe für Produktionsverlagerungen seien in der Regel vielfältig nimmt er Bezug auf Oventrop. Um dem entgegenzusteuern schlägt Cronenberg vor, Rahmenbedingungen massiv zu verbessern. „Vor allem die Entbürokratisierung hilft.“ Infrastruktur, also das Schienen- und Straßennetz, steuerliche Entlastungen und attraktive Abschreibungsbedingungen sorgen laut Cronenberg ebenfalls für mehr Investitionen im Inland. „Was schadet und nicht hilft, sind mehr staatliche Eingriffe und Subventionen. Von einem Industriestrompreis wird die überwiegende Mehrheit des Mittelstands nicht profitieren.“ Mit Bezug auf Brilon betont er: „Jeder Stellenabbau beunruhigt – unabhängig von den Ursachen. Gerade für die betroffenen Beschäftigten bedeuten Produktionsverlagerungen oft eine große Verunsicherung. Allerdings ist der Arbeitsmarkt in den Räumen Brilon und Olsberg immer noch sehr robust. Es gibt viele offene Stellen und weit mehr Unternehmen beklagen Fach- und Arbeitskräftemangel als fehlende Aufträge.“