Marsberg/Brilon. Der Europaabgeordnete Dr. Peter Liese hat heute im EU-Parlament gegen ein neues Naturschutz-Gesetz gestimmt. Vergeblich: Es wurde verabschiedet.

„Bürgermeister, Landräte, Waldbesitzer und Landwirte klagen mir gegenüber seit vielen Jahren über zu viele Auflagen aus der Europäischen Union. Insbesondere haben die Menschen den Eindruck, dass Naturschutzverbände aufgrund der FFH- und Vogelschutzrichtlinie schon sehr viel Einfluss haben und wichtige Projekte behindert werden. Auch deshalb werde ich am Mittwoch gegen das sogenannte Gesetz zur Wiederherstellung der Natur stimmen.“ Das erklärte der südwestfälische CDU-Europaabgeordnete Dr. Peter Liese im Vorfeld der Abstimmung über das entsprechende Gesetz im Europäischen Parlament in Straßburg.

Genutzt hat es nichts: Das Europäische Parlament hat das Gesetz mit einer knappen Mehrheit von 336 zu 300 bei 13 Enthaltungen angenommen „Ich bin natürlich enttäuscht, aber durch unser Engagement ist jedem klar, wo die Schwachstellen dieses Gesetzes liegen.“ Er habe selten erlebt, dass in der ländlichen Region, die er vertrete, und in der Brüssler und Straßburger Blase die Positionen so weit auseinander gehen wie bei diesem Gesetz.

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Diskussion mit Experten

In einer Videokonferenz hatte er noch am Dienstag mit Expertinnen und Experten aus der Region über das Thema diskutiert. Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur sieht unter anderem vor, dass bis 2030 zwanzig Prozent und bis 2050 sogar 90 Prozent der Flächen, die sich nicht in einem guten Zustand befinden, wiederhergestellt werden sollen. Dies sehen Naturschutzverbände wie der NABU, so Liese, als Chance, zusätzlichen Druck auf Landwirte und ländliche Kommunen auszuüben, um den Artenschutz weiter voranzubringen. Die Definition, welche Flächen sich nicht in einem guten Zustand befinden, sei im Vorschlag der Europäischen Kommission sehr unklar, es werde aber Bezug genommen auf den Zustand von vor 70 Jahren. „Dies ist aus meiner Sicht ein Kernproblem des Vorschlags. Einerseits ist die Definition so unklar, dass jeder alles und nichts hineininterpretieren kann und andererseits ist der Zustand von vor 70 Jahren nicht unbedingt erstrebenswert.“ Waldbauern würden zum Beispiel zu Recht darauf hinweisen, dass neue Baumarten benötigt würden, wie die Douglasie, die vor 70 Jahren nicht heimisch war, aber mit dem geänderten Klima besser klarkomme.

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Heftige Kritik geübt

Neben den Christdemokraten im Europäischen Parlament haben auch viele andere Akteure, zum Beispiel die FDP-Abgeordneten, die allerdings in ihrer Fraktion in Straßburg keine Mehrheit haben, der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann und der Städte- und Gemeindebund Kritik geübt. Auch Bürgermeister aus der Region schlossen sich dieser Kritik an. „Naturschutz ist wichtig und richtig. Wenn allerdings konfrontativer Naturschutz zu einer Eskalation beiträgt, die uns Kommunen in unserer Handlungsfähigkeit einschränkt, dann geht das am Thema vorbei,“ so Thomas Schröder, Bürgermeister der Stadt Marsberg.

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Fließgewässer zurückversetzen

Besonders kritisch ist Artikel 7 des Vorschlags, der vorsieht, 25.000 Kilometer Fließgewässer wieder in den natürlichen Zustand zurück zu setzen. Dadurch sehen sich Betreiber von Wasserkraftwerken unter Druck. Für Peter Liese ist dies ein klares Beispiel dafür, dass der Vorschlag nicht wie behauptet dem Klimaschutz nutzt, sondern an vielen Stellen sogar schadet. Liese: „Die jetzt von der Kommission vorgesehenen Maßnahmen werden der Natur nicht nutzen, sondern massiv schaden. Es bedeutet, dass großräumig Wehranlagen aus der Kultur- und Naturlandschaft herausgerissen werden. Die regenerative Energieerzeugung und der Klimaschutz werden unterbunden. Der Hochwasserschutz wird verschlechtert. Das Wasser fließt im Winter schneller ab und füllt nicht mehr die Grundwasserspeicher, so dass in trockenen Sommern die Gewässer und die Aue vielfach komplett austrocknen. Diese Vorhaben sind kontraproduktiv für die Auenlandschaften, für die Biodiversität, für die Gewässerökologie die Landwirtschaft und den Klimaschutz.“ Im Ergebnis, so befürchtet Liese, würden ganze Landstriche massiv austrocknen. Das kann niemand ernsthaft wollen. Wir müssen zukünftig das Wasser in der Landschaft halten und nicht wegfließen lassen!“, betonte Carsten Linneborn, Wasserkraftwerksbetreiber an der Ruhr.

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Die Land- und Forstwirtschaft protestiert gegen den Vorschlag. Liese teilt auch diese Kritik: „Die Einschränkung der Land- und Forstwirtschaft in einer Zeit, in der wir dringend Holz und Nahrungsmittel brauchen, halte ich für problematisch.“

„Die Wiederherstellung der Natur darf nicht über noch mehr Flächenextensivierung vorgeschrieben werden, denn die fehlt uns dann zur Versorgungssicherheit. Man kann aber bestehende Umweltmaßnahmen optimieren und moderne (Sensor-, Kamera-, Drohnen-, …-) Technik fördern und einsetzen, um Dünger und Chemie zu reduzieren,“ erläuterte Josef Lehmenkühler (Vorsitzender des landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV)). ________________________________________