Brilon. Sie sind eine Camping-Community, die sich zu einer Hilfsorganisation gewandelt hat. Mit ihren Dachzelten, ihrem Werkzeug und ihrer Manpower.

Es war eine Nacht des Schreckens, die das Ahrtal für immer veränderte. Am 14. Juli 2021 brach eine Flutwelle über die idyllische Region herein, die alles mit sich riss, was ihr im Weg stand. Häuser, Autos, Brücken, Menschen. Die Wassermassen kamen so schnell und so heftig, dass viele Bewohner keine Chance hatten, sich in Sicherheit zu bringen.

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Die Warnungen der Behörden kamen zu spät oder gar nicht an. Die Strom- und Telefonnetze brachen zusammen. Die Rettungskräfte waren überfordert und konnten nur schwer zu den Eingeschlossenen vordringen. Am Ende zählte man mindestens 134 Tote im Ahrtal und unzählige Verletzte. Ganze Ortschaften wurden verwüstet und unbewohnbar. Der Sachschaden ging in die Milliarden. Mittendrin: Janine Schulte und ihr Freund Alexander Ladage aus Brilon. Die beiden begeisterten Camper haben sich den Dachzeltnomaden angeschlossen, um zu helfen. Während sich der Forstwirt vor allem um die Entkernung der vom Wasser zerstörten Häuser kümmert, hilft die gelernte Hauswirtschafterin bei Verpflegung und Organisation.

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Vom Camp zum Hauptquartier

Janine Ladage, damals noch Schulte, und ihr heutiger Mann Alexander im Ahrtal (beide rechts).
Janine Ladage, damals noch Schulte, und ihr heutiger Mann Alexander im Ahrtal (beide rechts). © WP | Franz Köster

Die Dachzeltnomaden sind eine Community von Menschen, die gerne mit ihren Dachzelten reisen und campen. Sie veranstalten regelmäßig Treffen und Festivals, bei denen sie sich austauschen und gemeinsam Spaß haben. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 haben sie eine Hilfsorganisation gegründet, um den Betroffenen vor Ort zu helfen. Sie haben ein autarkes Camp aufgebaut und bieten ihre Manpower und ihr Werkzeug an, um Häuser zu entkernen, zu trocknen oder abzureißen. Außerdem erfüllen sie Wünsche der Betroffenen, die durch Spenden finanziert werden. Vor Ort bietet sich für Alexander Ladage, der von seinem Arbeitgeber für die Hilfe freigestellt wurde, ein Bild des Schreckens. Unterspülte Straßen, mitgerissene Kraftfahrzeuge und vom Wasser zerschmetterte Existenzen: „Ich habe sowas wirklich noch nie gesehen. Das sah aus wie nach dem Krieg“, erinnert sich Ladage.

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Helfer sind zunächst Mangelware

Sein erster Einsatz führt ihn zu einem Haus der Lebenshilfe in Sinzig. Eine braune Spur an der weißen Mauer des Gebäudes markiert die Höhe des Wassers: Es reichte weit über die Fenster im Erdgeschoss hinaus, fast bis zur Decke. Die Flutwelle der Ahr hat im Haus der Lebenshilfe in Sinzig zwölf Todesopfer gefordert. Das Erdgeschoss des Gebäudes in Sinzig sei so schnell und mit solcher Wucht vollgelaufen, dass die Bewohnerinnen und Bewohner kaum eine Chance gehabt hätten, heißt es von der Lebenshilfe. Die Flutwelle habe die Menschen mehr oder weniger im Schlaf überrascht. Sie hätten sich nicht mehr selbst retten können. Nun muss der Estrich entfernt werden, um wenigstens das Haus noch retten zu können. Nur wenige Helfer stehen bereit: „Das war wirklich eine Herausforderung, die wir mit den wenigen Leuten nicht bewältigen konnten“. Am Abend setzt Ladage deswegen einen Hilferuf im Internet ab. Das zeigte Wirkung: „Wir konnten uns nicht vor Helfern retten. Nach meinem Hilferuf standen dort so viele Leute, mit so vielen Geräten, dass wir das Haus noch am selben Tag fertigstellen konnten“, erzählt Ladage, immer noch begeistert.

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Die Flut beschäftigt viele bis heute

Nach getaner Arbeit geht es für die Dachzeltnomaden auf das nahegelegene Camp, was als Hauptquartiert für die bis zu 150 Helfer dient: „Wir hatten wirklich alles, was man brauchte. Essen, Getränke und natürlich auch Toilettenwagen“, erinnert sich Ladage. Für das Wohl der Helfer sorgte auf dem Platz nämlich ein weiteres Team. Dazu gehört Janine Schulte, die Freundin von Alexander Ladage: „Wir haben uns dort um das Essen gekümmert und um die Sauberkeit im Camp und um alles, was noch so nebenher anfiel“, erinnert sich Schulte. Abends nach der Arbeit sitzen die Dachzeltnomaden noch gemeinsam am Lagerfeuer. Sie lassen den Tag Revue passieren, reden über das, was sie am Tag gesehen haben: „Es ist wichtig, noch mal alles zu besprechen“, findet Alexander Ladage. Vieles hätte besser laufen können, da sind sich die Helfer einig. Vieles von dem, was sie vor Ort sehen, hätte verhindert werden können, wenn früh genug gewarnt worden wäre, das beschäftigt viele noch bis heute.

Für Janine und Alex nahm alles aber ein gutes Ende. Das junge Paar hat sich am 1. Juli in Brilon das Ja-Wort gegeben. Herzlichen Glückwunsch!