Im 18. Jahrhundert sollte die Zeit der Vernunft und der Menschenrechte anbrechen. Doch in Brilon drohten noch unmenschliche Strafen.

Brilon. Vom düsteren 17. Jahrhundert ging es im 18. Jahrhundert in die Zeit der Aufklärung: Voltaire, Goethe, Schiller, Kultur und Entdeckung des mündigen Menschen. Die Menschen in Europa fingen an, ihr Denken zu verändern, es sollte Menschenrechte geben. Individualismus, Toleranz in der Gesellschaft, in Religion und Politik sowie staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen. Auch in Brilon??

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Ein schriftlicher Versuch, alles zu ordnen, zu reglementieren und zu aktualisieren war die „Verfassungssammlung“ von 1772 von Erzbischof Maximilian Friedrich, Landesherr von Westfalen. Wie die Regel der Satisfikation, also das Verbot sich zu duellieren. So gut wie alle Themen gehörten dazu, wie die Brand-, Forst-, Berg- sowie Zölleordnung. Aber auch die Judenschaft. Juden durften nur noch an bestimmten Tagen Waren verkaufen und „es war ihnen explizit verboten, mehr Rüschen an ihren Hemdsärmel zu haben, als Christen“, betonte Museumsleiter Carsten Schlömer.

Die Zunge an den Galgen nageln

Strick Strick, Nägel, Ketten, glühendes Eisen, alles musste laut Gebührenordnung bezahlt werden
Strick Strick, Nägel, Ketten, glühendes Eisen, alles musste laut Gebührenordnung bezahlt werden © Monika Wiegelmann | Monika Wiegelmann

Eigentlich ein herrliches Werk zu allen Themen der Gesellschaft, wenn es nicht so grausame Kapitel hätte. Zu dem „modernen“ Verständnis von Regulationen gehörten auch 54 Regeln für Kriminelle und eine Gebührenliste für Henkerdienste:

Die Zunge oder ein Stück davon abzuschneiden und mit glühendem Eisen zu Brandmarken machte 5 Taler. Die Zunge oder abgehauene Hand an den Galgen zu nageln plus 1 Taler und 26 Pfennige. Laut Gebührenordnung kamen für die tägliche Verpflegung noch 1 Taler und 26 Pfennige hinzu.

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Vierteilen: Einen Menschen mit vier Pferden an Armen und Beinen auseinanderreißen, kostete die Hinterbliebenen 5 Taler und zwei Pfennige. Ein Vermögen.

Jemanden an den Pranger stellen: 78 Pfennige. Sollte dieser noch angebunden und ausgepeitscht werden, plus ein Taler und 26 Pfennige. Dazu Brandmarken weitere zwei Taler und 20 Pfennige.

Die Vorbereitung des Galgens kostete zwei Taler, dann Hinrichten und Vergraben plus ein Taler, 26 Pfennige.

Rädern: Vier Taler. In Brilon gab es dafür eine Art Mühlenrad. Arme und Beine wurden festgebunden und der Mensch mit Stöcken geschlagen, bis die Knochen brachen. Der Kopf wurde auf eine Stange gestochen und dann das Rad gedreht.

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Es ging um Abschreckung, nicht um Sozialisierung

Ursache für unmenschliche Strafen waren alle möglichen Verbrechen wie Mord, es waren keine Apfeldiebe. Die Art und Weise, wie derjenige zu Tode kam, lag im Ermessen des Richters. Der Friedrichsche Leitfaden bei Verbrechen wurde in Brilon weiterhin angewendet und zeigt, dass Justiz immer noch marchialisch geschah. „Es ging nicht um Sozialisierung, sondern um Abschreckung. Aber so langsam setzte schon der Gedanke an den mündigen Menschen ein“, meinte Schlömer.

Ein hochherrschaftliches Tafelgemälde aus dem 18. Jahrhundert aus dem Haus Hövener zeigt, wie einerseits Pracht und Kultur im katholischen Bürgertum zur Schau gestellt und wenige Meter weiter in der Stadt ein Bettler verprügelt wurde. Die Szenerie zeigt die Moderne, aber auch das Marchialische dieser Zeit.