Hochsauerland. Zeckenbisse können gefährlich werden, denn die Insekten übertragen Borreliose. Im Sauerland gibt es nun eine Anlaufstelle für Betroffene.

„Eigentlich ist überall Risikogebiet“, sagt Monika Schulte. Sie ist Vorsitzende der Selbsthilfegruppe für Borrelioseerkrankte im HSK. Und ihre Behauptung deckt sich nahezu mit einer Deutschlandkarte des Robert-Koch-Institutes. Rot gekennzeichnet sind die Gebiete, wo das Risiko durch einen Zeckenstich an einer Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME = Hirnhautentzündung) zu erkranken sehr hoch ist und eine Impfung empfohlen wird. Orange-gelb sind die Städte und Kreise markiert, in denen es vereinzelt FSME-Erkrankungen gab. Sie entsprechen jedoch nicht der Definition des RKI, wonach zwischen 2002 und 2022 rund 200 Fälle aufgetreten sein müssen. Aber gelb markiert sind z.B. auch der HSK und der Landkreis Waldeck-Frankenberg.

Lesen Sie auch: Grundsteuer im HSK: Jetzt macht das Finanzamt Brilon ernst

Lesen Sie auch:St. Franziskus: Der Krankenhauschef verlässt Winterberg

Oft werden Zeckenbisse als harmlos abgetan. Sie selbst wurden 1993 von einer Zecke gebissen. Können Sie kurz schildern, wie das bei Ihnen war und wie sich die Symptome bemerkbar gemacht haben?

Zeckenbisse oder -stiche müssen nicht immer zwangsläufig gefährlich sein, sie können es aber. Deshalb sollte man so einen Vorfall immer dokumentieren, sich aufschreiben, wann es passiert ist, die Stelle merken und eventuell ein Foto machen. Meine Vorgeschichte konnte nicht zwangsläufig mit einer Borreliose in Verbindung gebracht werden. Bei mir wurde erst circa zehn 10 Jahre nach Beschwerdebeginn ( 1993 ) die richtige Diagnose gestellt. In dieser Zeit wurden von allen möglichen Ärzten und auch Fachärzten falsche Diagnosen gestellt. Meine Beschwerden waren Gelenkschmerzen, Schlafstörungen, einseitiger Körperschmerz, Wackelkopf, Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit und kein Zu-Ruhe-Kommen. Die Symptome können sehr vielfältig sein, meist beginnen sie wie bei einer Grippe.

Können Sie dem Laien kurz erklären, was der Unterschied zwischen einer FSME-Erkrankung und einer Borreliose ist?

FSME ist eine Gehirnhautentzündung, gegen die man sich impfen lassen kann. Diese Fallzahlen sind in Deutschland nicht sehr hoch und bei uns noch geringer. Gegen Borreliose gibt es noch keine Impfung und unseres Wissen nach steht auch keine in Aussicht. Ich glaube, daran besteht auch seitens der Pharmaindustrie kaum Interesse.

Wann und warum haben Sie die Selbsthilfegruppe gegründet?

Durch die Selbsthilfe gelangte ich erst zu der richtigen Diagnose. Da es in der näheren Umgebung zu der Zeit - heute ist es nicht viel anders - keine Ärzte gab, die sich mit dieser Problematik auskannten bzw. auskennen und wir gezwungen waren, weite Wege in Kauf zu nehmen, habe ich mich 2008 dazu entschlossen die Selbsthilfegruppe Hochsauerland zu gründen. Dabei wurde ich von der damaligen nächstgelegenen Selbsthilfeorganisation Kassel Stadt und Land unterstützt.

Was würden Sie Menschen raten, die von einer Zecke gebissen wurden?

Menschen, die von einer Zecke gebissen oder gestochen wurden, sollten diese unmittelbar durch Herausziehen – nicht drehen oder Sonstiges! - entfernen. Dazu gibt es Zeckenzangen oder Karten. Sollte sich keine Hautrötung – auch die muss nicht zwangsläufig sein -an dieser oder einer anderen Stelle am Körper zeigen – das muss nicht zwangsläufig die Einstichstelle sein – und sollten sich auch keine weiteren Beschwerden wie eben erklärt einstellen, muss man nicht zwangsläufig zum Arzt. Dieser würde bei einem Antikörpertest vielleicht einen positiven Befund machen, dieser sagt aber lediglich aus, dass man Kontakt mit eine Zecke hatte. Hier spielt das eigene Immunsystem die entscheidende Rolle, welches bei vielen Menschen in der Lage ist, den Erreger in Schach zu halten.

Würden Sie generell zu einem Arztbesuch raten oder ist das im Sauerland nicht nötig, weil wir hier kein Risikogebiet sind?

Ein Arztbesuch sollte auf jeden Fall dann erfolgen, wenn sich nach einiger Zeit ein unerklärliches Krankheitsbild einstellt. Das können Symptome wie oben beschrieben sein, aber auch andere. Dann sollte das Ganze mit einer Antibiose drei bis vier Wochen behandelt werden. Unserer Erfahrung nach kann mittlerweile von einem generellen Risikogebiet gesprochen werden.

Gibt es Testverfahren, um festzustellen, ob die Zecke ihr Opfer mit einer Krankheit infiziert hat? Und zahlen die Krankenkassen solche Tests?

Es gibt solche, die aber keine hundertprozentige Sicherheit geben und die in der Ärzteschaft umstritten sind. Bezahlt werden diese meist nur von den privaten Krankenkassen. Wichtig ist die Symptomatik, wobei auch der ganze Körper betroffen sein kann. Sollten größere gesundheitliche Probleme auftreten und mit dem behandelnden Arzt keine Fortschritte erzielt werden, bleibt einem nur der Weg zu einem Spezialisten, der über uns, die Selbsthilfe, erfragt werden kann.

Sie haben vermutlich viel mit ratsuchenden Menschen zu tun? Wie sind deren Erfahrungen bei Ärzten? Wird so ein Zeckenbiss ernst genommen?

Einige sind aufgeschlossen, andere verweisen auf die Leitlinien hierzu; diese entsprechen jedoch nicht der Realität und andere sind schlichtweg überfordert. Positiv anzumerken ist aber, dass die meisten Ärzte mittlerweile wissen, was ein Zeckenbiss ist und diesen, wenn eine Hautrötung vorliegt oder entsprechende Symptome vorliegen, diesen aber meist zu kurz, mit einer Antibiose behandeln. Nicht oder nur höchst selten wird eine chronifizierte Borreliose erkannt und dementsprechend richtig behandelt.