Marsberg/Erlinghausen. In Marsberg drehen sich viele Windkraftanlagen. Nun sollen etliche dazu kommen. Besonders betroffen wäre Erlinghausen, aber auch andere Orte.
„Nein, wir sehen uns nicht imstande darüber zu entscheiden“, so ein Ortsbeiratsmitglied. Der nächste will wissen, wieso eigentlich jetzt so „hopphopp“ das Thema diskutiert werden soll. „Wir fühlen uns nicht informiert und kennen das Meinungsbild des Dorfes dazu überhaupt nicht.“ In der Ortsbeiratssitzung ging es um das Thema Windkraft. Speziell: Sollen die städtischen Flächen in der Gemarkung von Erlinghausen für Windenergie genutzt werden? Etwa 35 Zuhörer wollten wissen, was der Ortsbeirat dazu zu sagen hat. Es gehe nicht darum ob Windkraft in Gemarkung von Erlinghausen ja oder nein, so Ortsbürgermeister Herbert Dülme in seinen einleitenden Worten. „Sondern darum“, pflichtet ihm Helmut Löhring vom städtischen Bauamt bei, ob, wenn weitere Windkraft in der Erlinghauser Flur nicht zu verhindern sei, dann auch die städtischen Flächen mit einbezogen werden sollen.“
11 Riesen-Windräder geplant südlichen von Erlinghausen
Denn die Westfalen Wind Planungs GmbH & Co.KG aus Paderborn will südlich von Erlinghausen (im Bereich Platte, vor dem Kump) einen Windpark mit elf Riesen-Windrädern bauen. Das Gebiet liegt außerhalb der städtischen Windkraftvorrangzone. Der dazu geänderte Flächennutzungsplan trat 2017 in Kraft und sieht, so verdeutlichte Helmut Löhring vor dem Beirat, die Flächen in Meerhof vor, nördlich von Erlinghausen und einige kleine in Canstein und Udorf.
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Auf hessischer Seite drehen sich nördlich von Erlinghausen bisher schon 30 Windkraftanlagen. Die Stadt hat mit 1120 Hektar Flächen (6,2 Prozent) ihr bisheriges Soll längst erfüllt. Bei der Windkraftvorrangzonenplanung habe man bewusst den Süden von Erlinghausen herausgenommen, da Erlinghausen ansonsten fast komplett von Windrädern umzingelt sei, so Löhring.
Aber das Gebiet gilt als besonders windhöfig und das weckt mit Hinblick auf neue Bundes- und Landesvorgaben das Interesse von Windkraftinvestoren. Viele Flächen würden aber wegen des neuen geplanten Vogelschutzgebietes rausfallen, so Löhring.
Seit Februar ist das neue Windenergie-am-Land-Gesetz in Kraft. Wie Helmut Löhring ausführte, sind die Bezirksregierungen aufgerufen, den Landesentwicklungsplan neu aufzulegen. Bis Mai 2032 soll er dann zugeteilt werden. 13.000 Hektar der Flächen (1,8 Prozent in der Region) sollen für Windkraft genutzt werden. Das sei allerdings weniger als ursprünglich vorgesehen, damals waren es 18.000 Hektar. Allerdings sind die neuen Anlagen auch um einiges höher und leistungsstärker. Die Bezirksregierung wolle aber schon im Mai 2025 den Regionalplan überarbeitet haben.
70 Grundstückseigentümer haben fast schon alle Vorverträge abgeschlossen
Nun hat die Investorengesellschaft schon erste Kontakte mit den rund 70 Grundstückseigentümern der Flächen südlich von Erlinghausen aufgenommen und erste Vorverträge abgeschlossen. Der Investor ist auch an die Stadt Marsberg herangetreten, die 15 Hektar Land in der vorgesehenen Fläche besitzt. Löhring: „Die Verwaltung hat mit Verweis auf die planungsrechtliche Situation und der Lage der Flächen außerhalb der Konzentrationszone die Unterzeichnung eines Nutzungsvertrages abgelehnt.“
Zur Debatte: 50 weitere Anlagen in Oesdorf, Westheim, Udorf und Heddinghausen
Der Planungs-, Bau- und Umweltausschuss wurde nichtöffentlich Ende Januar darüber informiert. Die Investorenfirma habe dann darum geworben, dass die Stadt ihre Position noch einmal überdenken möge. Im Hinblick auf die Energiewende, die den weiteren Ausbau der Windenergie forciere und der Einnahmen, die der Stadt entgehen würde, wenn der Windpark gebaut werden würde und die städtischen Flächen nicht einbezogen wären. Löhring: „Wir wissen nicht, wohin die Reise geht und ob unser Flächennutzungsplan mit Windkraftvorrangzonen einer Klage dagegen vor Gericht standhält.“
Keine Empfehlung
Der Ortsbeirat Erlinghausen einigte sich darauf, keine Empfehlung abzugeben. Die nächste Ratssitzung ist am 4. Mai, vorher tagt der Planungsausschuss am 28. April. Um den 20. April will sich der Ortsbeirat noch einmal treffen und beraten. Vorher ist eine Informationsveranstaltung mit Westfalen Wind in der Schützenhalle für alle geplant.
Darin soll das gesamte Vorhaben vorgestellt werden. Und auch, so Frank-Peter Folcz, welche akzeptanzfördernde Maßnahmen geplant seien, wie Zuschüsse für soziale Projekte, günstiger Strompreise oder ob Bürger sich beteiligen können. „Denn wir müssen unter den Belastungen leben.“
Außerdem soll die Befangenheitsregelung im Beirat abgeklärt werden.
Die Westfalen Wind Gruppe hat ihren Hauptsitz in Paderborn und eine Nebenstelle in Lichtenau. Einer der vielen Geschäftsführer ist Michael Flocke aus Meerhof.
Die Firma hat etliche Windparks realisiert, u. a. Etteln, Husen, Haaren-Leiberg, Wewelsburg oder Radlinghausen, plant weitere in Marsberg, Oelde oder Radlinghausen.
Wenn eine Anlage auf ihren Flächen steht, winken der Stadt Pachteinnahmen von 50.000 Euro im Jahr. Ohne Anlage immerhin noch 15.000 Euro im Jahr. Aber auch der Stadtrat sah sich in seiner jüngsten Sitzung vor einer Woche im nichtöffentlichen Teil, nicht in der Lage, darüber zu entscheiden, wie die Stadt sich an den Planungen der Investorenfirma beteiligen will, zumal sie noch viele weitere Riesenanlagen im ganzen Stadtgebiet (Oesdorf, Westheim, Udorf, Heddinghausen) plane – insgesamt steht steht die Zahl 50 im Raum. Kurzfristig sollten die Ortsbeiräte der betroffenen Ortsteile angehört und um eine Stellungnahme gebeten werden. Übrigens: Alle außerhalb der Winkraft-Vorrangzonen.
Westfalen Wind wollte Ende März festlegen, wo die einzelnen Anlagen stehen sollen. Inzwischen habe sie die Frist um einige Wochen verlängert, so Helmut Löhring. Danach gehe es daran verschiedene Gutachten zum Schallschutz oder Schattenschlag einzuholen.
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Unter den Zuhörern war auch der Erlinghauser Landwirt Franz-Christoph Mörs. Er fungiere als Verbindungsmann zur Investorenfirma, führte er aus. Der geplante Windpark soll eine Größe von 250 Hektar haben. Eine Anlage hat einen Flächenbedarf von 25 Hektar. Wenn die Stadt nicht mitmache, gebe es eine Anlage weniger. Wenn sie doch mitmache, könnte sie CO2-freien günstigen Eigenstrom beziehen, führte er weiter aus.
Windkraftverbindungsmann ist Franz-Christoph Mörs
Eine Anlage produziere soviel Strom im Jahr, dass 3000 Haushalte ihren Strombedarf damit abdecken können. Drei Anlagen würden die ganze Kernstadt abdecken. Mehrere große Firmen könnten mit Stromdirektbezug ihre Stromkosten decken.
Ratsherr Frank-Peter Folcz: „Warum hat die Investorenfirma ihre Pläne nicht schon längst in den Fraktionen vorgestellt.“
Die neuen Anlagen sind 250 Meter hoch. Die Abstandsregelung zur Wohnbebauung ist auch abgeändert. Der Abstand von 1000 Meter galt bis zur Flügelspitze, jetzt nur noch bis zur Narbenhöhe. Dadurch verringert sich der Abstand auf 920 Meter zum Dorf.
Die Planungen stehen ganz am Anfang, so Löhring und Mörs. Über eine Poolflächenvereinbarung sollen alle 70 Eigentümer von den Einnahmen aus der Stromerzeugung profitieren.