Brilon. Jahrelang setzt sich die Stadt dafür ein, Hausärzte nach Brilon zu holen. Die Resonanz ist dünn. Was hält die Mediziner ab? Eine Ursachensuche.

Am meisten scheint ein bestimmter Kritikpunkt den Bürgermeister Dr. Christof Bartsch zu stören: Dass die Stadt untätig zugesehen habe beim entstehenden Hausarztmangel. Denn in den vergangenen Jahren habe es zahlreiche Maßnahmen und Projekte gegeben, um die Ärzte aufs Land zu holen, wie er im Gespräch mit der Westfalenpost betont. Doch Christof Bartsch muss auch sagen: „Wir wären gerne schon mit mehr Erfolg gesegnet.“ Zusammen mit Ludger Weber, Geschäftsführer vom MVZ Brilon, schaut er aus dem Blickwinkel der Stadt zurück auf eine Entwicklung, die anscheinend kaum aufzuhalten ist.

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Schon 2016 wird der Hausarztmangel Thema in Brilon

2015. Christof Bartsch beginnt mit seinem zweiten Jahr als Bürgermeister. In diesem Jahr habe er sich zum ersten Mal die Krankenhausversorgung und das ambulante Angebot angeschaut. Schon damals fällt ihm auf, wie er sagt, dass das Alter der Ärzte in einigen Jahren besorgniserregend sein werde. „Uns war klar, dass wir die Ärzte, aber auch die Bevölkerung nicht allein lassen dürfen. Also habe ich die medizinische Versorgung 2016 zum Schwerpunktthema gemacht.“ Damit habe er Bewusstsein schaffen und erste Maßnahmen ergreifen wollen. Im Juni 2016 folgt ein Diskussionsforum zum Thema, 50 Teilnehmer hören der Diskussion rund um Medibusse und die Versorgung auf dem Land zu. Im September dann eine weitere Veranstaltung zum Thema. 2017 wird in Brilon eine Befragung bei Ärzten gestartet, die Nachfolgeförderung in den Fokus nimmt. „Wir wollten wissen, was die Mediziner in der Öffentlichkeit tun, ob sie junge Ärzte anstellen oder wie sie untereinander zusammenarbeiten.“ Im gleichen Jahr wird die MVZ GmbH gegründet – auch gegen Widerstand, wie Bartsch sich erinnert. „Jetzt hat sich das Bild Gott sei Dank gedreht und viele sind froh, dass wir das MVZ haben.“

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Stadt soll attraktiver für alle Fachkräfte werden

Nur wenig später wird das Projekt „KommaufsLand.Arzt“ ins Leben gerufen – im Verbund mit Olsberg, Winterberg und Medebach. Das Projekt ist ein Marketingkonzept, dass Ärzte dazu bewegen soll, sich im ländlichen Raum niederzulassen. Die Stadt setzt sich intensiv dafür ein. Arbeitet mit Marketingagenturen zusammen und scheut sich auch nicht, Anwärter auch nach Feierabend Brilon näher zu bringen. Touristische Attraktionen wie der TrailGround sind laut Bartsch ebenfalls Maßnahmen, um Fachkräfte in die Stadt zu holen. Das Projekt hat Erfolg, zwei Ärzte kommen in die Stadt. Dr. Frank Wagener wird angestellter Arzt bei der MVZ. Dann folgt Dr. Michael Bloch, er sollte Ankermann des Projektes sein. Bartsch: „Er hatte viele Gespräche geführt, war gut vernetzt und wir haben uns erhofft, dank ihm weitere Ärzte nach Brilon zu holen.“ 2021 stirbt Michael Bloch überraschend.

MVZ bietet flexible Lösungen

Die Stadt bemüht sich weiter, junge Ärzte zu finden. Ludger Weber erzählt: „Wir haben rund 500 Praxen angeschrieben, um für Nachwuchs zu werben. Die Resonanz war bei null.“ Wieso? Sowohl Bartsch als auch Weber zucken die Schultern. „Das Geschäft ist zäh“, sagt Bartsch. „Der Markt ist so dünn“, sagt Ludger Weber. Doch beide versuchen im Laufe des Gesprächs dennoch, Ursachen zu finden. So sei zum Beispiel gerade für jüngere Ärzte eine Anstellung im Krankenhaus attraktiver. Keine teuren Praxisräume, keine administrativen Aufgaben sowie die Möglichkeit sich zu spezialisieren. „Das macht eine eigene Praxis auf dem Land eben unattraktiver.“ Weber verweist dahingehend auf die MVZ GmbH, die Ärzte jederzeit einstellen könne und die Vorteile einer Stelle im Krankenhaus biete sowie einer ausgeglichenen Work-Life-Balance. „Wir können auch Frauen in Teilzeit einstellen, wir bieten flexible Lösungen um Hausärzte nach Brilon zu holen.“

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Junge Studenten wollen im Ballungszentrum bleiben

Dennoch, die jungen Studenten bleiben meist in der Nähe ihrer Uni, in den Ballungszentren. „Obwohl sie dort nicht immer eine Niederlassung finden“, so Bartsch. Das liegt auch daran, dass die Universitäten den Praxisbetrieb auf dem Land nicht gerade aktiv bewerben. Er glaubt, es würden ein oder zwei Ärzte reichen, die sich für einen Betrieb in Brilon entscheiden. Als Durchbruch sozusagen. „Dann wird sich herumsprechen, was Brilon für Vorteile hat und ich hoffe, dann entwickelt sich ein Selbstläufer.“ Zusätzlich ergreift die Stadt nun konkrete Maßnahmen gegen den Hausarztmangel.

Arztmangel ist kein Briloner Exklusivproblem

Christof Bartsch glaubt außerdem, dass man schon beim Einstieg in den Beruf ansetzen müsse, um den Arztmangel – der kein Briloner Exklusivproblem sei – zu bekämpfen. „Der Zugang zum Studium ist wegen des hohen NCs schwer. Wenn man vielleicht die Hürden senken könnte in Verbindung mit einer Verpflichtung sich für einen Zeitraum im ländlichen Raum niederzulassen. Das könnte eine Lösung sein, aber das liegt nicht in unserer Hand.“