Brilon-Alme/Büren. Andreas Werner aus Brilon entscheidet sich nach dem Abitur, Bestatter zu werden. Der Beruf fasziniert ihn und der Tod macht ihm keine Angst mehr.
Andreas Werner ist 23 Jahre alt und entscheidet sich nach dem Abitur dazu, Bestatter zu werden. Ein eher ungewöhnlicher Beruf für einen jungen Menschen, der mit viel Unverständnis aus seinem Umfeld einhergeht. Für den gebürtigen Almer, einem Ortsteil bei Brilon, jedoch genau das Richtige: 2020 schließt er seine Ausbildung als bundesweit bester Absolvent beim Unternehmen Sauerbier in Büren ab. Im Interview verrät er, warum er sich für diesen Beruf entschieden hat und was seine Pläne für die Zukunft sind.
Was wollten Sie als Kind werden und wann kam der Wunsch, die Ausbildung zum Bestatter zu absolvieren?
Andreas Werner: Als Kind wollte ich immer Landwirt werden. Meine Großeltern hatten in Polen einen Bauernhof und ich konnte mir damals nichts Schöneres vorstellen, als jeden Tag Trecker zu fahren und mich um die Tiere zu kümmern. Der Gedanke, Bestatter zu werden, kam erst viel später: Mit 14-15 habe ich nebenbei für Tischlerei Kraft in Alme gearbeitet und mir etwas Geld dazu verdient. Als Tischlerei hat der Betrieb natürlich auch Särge gebaut, sodass ich dort erste Einblicke erhalten habe. Der Beruf hat mich irgendwie nicht losgelassen und dann habe ich 2016 vor dem Abitur ein Praktikum bei Sauerbier in Büren absolviert. Ich hatte zwischenzeitlich mal überlegt Psychologie zu studieren, aber das Praktikum hat mich eigentlich nur weiter bestätigt und ich bin dabei geblieben.
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Wie ist es Ihnen in der Ausbildung ergangen?
Die Ausbildung zum Bestatter besteht aus drei Teilen: Die meiste Zeit war ich natürlich bei Sauerbier im Betrieb und habe gearbeitet. In Deutschland gibt es nur drei Berufsschulen für Bestatter, daher hatte ich wegen der weiten Anfahrt Blockunterricht am Berufskolleg in Wermelskirchen. Der dritte Teil der Ausbildung war das Bundesausbildungszentrum in Münnerstadt: Weil alle Bestattungsunternehmen mit unterschiedlichen Standards arbeiten, sollen die Lehrlinge dort auf das gleiche Niveau kommen. Dort haben wir zum Beispiel auch die Grabmachertechnik kennengelernt. Insgesamt kann ich sagen, dass mir die Ausbildung gut gefallen hat. Mit Abitur vorher war auch die Berufsschule machbar und ist mir relativ leicht gefallen.
Was fasziniert Sie an dem Beruf?
Der Job ist total vielseitig und jeden Tag anders. Man kann nicht vorhersehen, was als nächstes passiert und hat immer unterschiedliche Aufgaben. Einerseits gehört natürlich die Arbeit am Verstorbenen dazu, also Überführung und Hygiene. Dann muss ich die Angehörigen beraten und in ihrer Trauer begleiten - das hat auch mit dem Bereich Psychologie zu tun. Man erfährt als Bestatter viel Dankbarkeit von den Angehörigen. Sie vertrauen mir, indem sie mir ihren Verstorbenen anvertrauen - das gibt mir total viel. Anfangs hat mein Umfeld mit viel Unverständnis reagiert, als sie von meinem Berufswunsch erfahren haben, und ich wurde oft gefragt, warum ich nach dem Abitur kein Studium anfange. Aber wer sich mehr mit dem Job beschäftigt, der erkennt, dass da viel mehr hintersteckt.
Erinnerst Sie sich an Ihren ersten Verstorbenen? Hatten Sie Berührungsängste?
Ja, mein erster Verstorbener ist mir schon im Kopf geblieben. Das war anfangs ungewohnt, aber man lernt damit umzugehen und das gehört nun mal zum Beruf dazu. Viel prägender war allerdings mein erstes Beratungsgespräch: Da war ich noch in der Ausbildung und mein Chef sollte das Gespräch führen, ist aber plötzlich krank geworden. Da wurde ich ein bisschen ins kalte Wasser geschmissen: „Du machst das jetzt“, hat er gesagt und ich war natürlich total nervös. Ich war vorher zwar schon bei vielen Gesprächen dabei, aber selbst eins zu führen, ist ja nochmal etwas ganz Anderes. Im Endeffekt ist es aber nur ‘Learning by doing’ und man entwickelt dabei schnell seinen eigenen Stil.
Worauf legen Sie Wert bei der Organisation von Trauerfeiern und im Umgang mit Angehörigen?
Auf Trauerfeiern sollen sowohl die Trauerreden als auch die Dekoration einen Einblick in das Leben des Verstorbenen geben und etwas Besonderes sein. Bei Regen organisiere ich Regenschirme; bei Hitze kühle Getränke. Die Gäste sollen sehen, dass wir uns Mühe gegeben haben und dass wir der verstorbenen Person einen passenden Abschied ermöglichen. Den Angehörigen gebe ich so viel Zeit und Raum, wie sie brauchen - die Trauerphase ist bei jedem unterschiedlich lang. Ich passe mich dabei einfach den Wünschen der Angehörigen an: Manche wollen alle Aufgaben an mich abgeben, die mit der Beerdigung zu tun haben. Andere wollen mithelfen und zum Beispiel Briefumschläge der Trauerkarten beschriften, um etwas zu tun zu haben und den Tod ihres Geliebten besser verarbeiten zu können.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Nein, das habe ich nicht. Sterbefälle, die im gleichen Alter sind wie ich, belasten einen schon und man ist sich bewusst, dass es schnell vorbei sein kann. Auch beim Motorrad fahren habe ich das im Hinterkopf, aber ich würde nicht sagen, dass ich grundsätzlich vorsichtiger lebe. Wenn mir irgendwelche Lappalien passieren, dann rege ich mich nicht darüber auf, weil ich weiß, es gibt Schlimmeres. Insgesamt würde ich mir wünschen, dass der Tod kein Tabuthema in der Gesellschaft mehr ist. Sterben ist schließlich ganz natürlich und betrifft jeden eines Tages. Auch Kindern sollte man das Thema erklären, wenn zum Beispiel Oma oder Opa stirbt. Wenn man es vor ihnen versteckt, entsteht dieses Tabuthema erst recht.
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Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?
Ich habe nach der Ausbildung den Bürokommunikationsfachwirt im Bestattungsgewerbe absolviert und beginne jetzt im April den Meisterkurs. Danach könnte ich mir vorstellen mich in verschiedene Richtungen weiterzubilden: Da gibt es zum Beispiel Lehrgänge im Bereich Thanatopraxie, Trauerpsychologie, Früh- und Totgeburten sowie Demenztodesfälle. Auch Trauerredner werden finde ich interessant. In Zukunft möchte ich einfach nicht aufhören, mich fortzubilden, sondern immer weiterlernen.