Brilon-Gudenhagen. Das Heim für Kriegsblinde in Brilon-Gudenhagen steht vor der Schließung. Grund ist fehlendes Geld. Jetzt bleibt nur Hoffnung auf einen Retter.

Bittere Nachrichten gab es für die ständigen Bewohner des Hauses der Kriegsblinden in Brilon-Gudenhagen: Sollte kein Wunder geschehen, müssen sie bis spätestens zum Ende des Jahres aus ihrer gewohnten Umgebung ausziehen. Grund sei, dass dem Trägerverein, dem Kriegsblindenhilfsverein Westfalen e. V., zunehmend das Geld ausgehe, erklärt der ehemalige Polizist Günter Huster, der dem Verein ehrenamtlich vorsteht. „Das Haus ist auf Dauer nicht mehr existenzfähig“, so seine deutliche Aussage.

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Für die 35 Mitarbeiter des Hauses, besonders aber für die 12 Bewohner sei das eine schlimme Nachricht, das sei ihm klar, sagt Huster. „Mein primäres Ziel ist es, die Bewohner geordnet in weiteren Einrichtungen unterzubringen“, so der 65-jährige, der die Geschicke des Hauses seit 2018 leitet. 1961 wurde das Haus in Gudenhagen inmitten eines idyllischen Waldgebietes erbaut. Es sollte als Erholungsstätte für durch den Krieg erblindete Personen und deren Angehörige dienen. Der Schwerpunkt lag auf Kur- und Reha-Angeboten. Über lange Zeit, bis in die 2000er-Jahre, konnte sich die Einrichtung sehr gut über Wasser halten. „Es gab sogar lange Wartelisten“, so Huster.

Gute Ausstattung

Das lag unter anderem auch an der guten Ausstattung: Ein Schwimmbad und eine Kegelbahn gehören ebenso dazu wie eine Bar, ein Clubzimmer und ein Speiseraum. Zwar sei das Mobiliar schon etwas in die Jahre gekommen, aber die Einrichtung sei tadellos gewesen. Erst im letzten Jahr hätte man ein neues Qualitätssiegel erhalten, hört man aus dem Umfeld des Hauses. Auch der anliegende Wald wurde mit Vorrichtungen ausgestattet, damit auch Blinde die freie Natur ohne Risiko genießen können. Kernstück der Kureinrichtung sei die Badabteilung mit medizinischen Bädern, Massagen, Unterwassermassagen, Elektro- und Ultraschalltherapie, Laser- und Lichttherapie, Magnetfeldtherapie, Inhalationen, Sauerstoffinhalation, Wassertretbecken, Schlingentisch, Bewegungstherapie und Krankengymnastik sowie weiteren Angeboten.

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Versäumnisse in der Vergangenheit

Allerdings, das gibt auch Huster zu, habe man es in der Vergangenheit versäumt, sich auf die demographischen Entwicklungen einzustellen. Das räche sich heute, denn die Zielgruppe der Kriegsblinden reduziere sich von Jahr zu Jahr. Seit die Einrichtung wegen Corona zeitweise schließen musste, sei der Anteil der Kurgäste radikal gesunken und damit das finanzielle Standbein, welches das Haus am Laufen gehalten habe. Er habe zwar schon 2018 versucht, einen Strukturwandel anzuregen, sei im Vorstand aber nicht erfolgreich gewesen, kann sich Huser erinnern. 2021, als der Niedergang nicht mehr aufzuhalten war, erhielt er vom Vereinsvorstand die Genehmigung, sich nach einem anderen Träger umzuschauen. „Wir waren seit Mai 2021 in vielversprechenden Gesprächen mit dem DRK. Im Januar 2023 haben wir dann aber doch eine Absage bekommen“, berichtet Huster über den kleinen Hoffnungsschimmer und den unerwarteten Rückzieher des DRK.

Mitarbeiter und Bewohner informiert

Die Absage des DRK sei dann auch der Grund gewesen, die Mitarbeiter und die Hausbewohner am Donnerstag, 26. Januar, über die Entwicklung zu informieren. „Wir möchten den Übergang eigenverantwortlich gestalten und dafür war nach der Absage des DRK der richtige Zeitpunkt“, sagt Huster, der selbst im Einsatz als Polizist erblindet ist. Noch sei der Verein zahlungsfähig: „Wenn wir die Forderungen nicht mehr bedienen können, dann stellen die Krankenkassen den Insolvenzantrag und wir hätten keinen Einfluss mehr auf den weiteren Ablauf“, so Huster über mögliche Konsequenzen und den Wunsch, einen geordneten, aber schmerzhaften Übergang zu gestalten.

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Schock für die Bewohner

Gerade für die betagten Bewohner sei das ein Schock gewesen, denn sie hätten sich eigentlich schon darauf eingerichtet, in Gudenhagen ihren Lebensabend zu verbringen. Der älteste Bewohner des Hauses kann im April seinen 100. Geburtstag feiern, der jüngste sei 82 Jahre alt, erzählt Huser. Gerade für Blinde sei es besonders schwierig, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden, erklärt ein Spezialist. Die Bewohner seien auf Routine und ihren Tastsinn angewiesen. Eine neue Umgebung würde die betagten Bewohner vor unlösbare Aufgaben stellen. Hinzu komme, dass Pflegeheimplätze knapp seien: „Wenn alles ganz schlecht läuft, werden sogar Ehepartner getrennt“, so die traurige Perspektive. Manch ein Bewohner hätte deshalb auch schon die Hoffnung geäußert, das nicht mehr miterleben zu müssen. Auch die Angehörigen seien verzweifelt, seien oft selbst im Rentenalter und mit der Situation völlig überfordert.

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Aber auch die Mitarbeiter stehen vor großen Herausforderungen. Zwar werden dringend Pflegekräfte gesucht, für die Mitarbeiter in der Hauswirtschaft könnte es aber schwieriger werden, eine Anschlussverwendung zu finden. „Wir haben eine Mitarbeiterin, die 43 Jahre für uns tätig war“, kann Huster berichten. Auch sie müsse sich jetzt noch nach einem neuen Job umschauen.

Hoffnung noch nicht aufgegeben

Derzeit befinde man sich zwar noch in Gesprächen mit der Caritas, aber die Aussichten seien eher gering, sagt Huster. Das Haus sei zu sehr auf blinde Gäste ausgerichtet, auch das sei ein Versäumnis der Vergangenheit. Investoren müssten viel Geld in die Hand nehmen, um das Haus mit seinen 45 Zimmern auch für andere Gäste vorzubereiten. Auch eine Nutzung als Hotel sei grundsätzlich vorstellbar, heißt es aus dem engeren Umfeld des Blindenheims.„Vielleicht findet sich ja noch ein Träger, der bereit wäre, das Haus mit ihren Bewohnern weiterzuführen“, gibt Huster die Hoffnung noch nicht ganz auf.