Hallenberg. Größer könnte der Kontrast nicht sein. Vom Reeperbahn-Musical in Hamburg geht es nach Jerusalem. Wie Hallenberg sich auf die Passion einstimmt.

Passion. Alle Bärte sprießen. Die Freilichtbühne macht 2023 einen neuen Anlauf. Eigentlich steht seit 1950 alle zehn Jahre die Geschichte vom Leiden, Sterben und der Auferstehung Jesu Christi auf dem Spielplan. Doch dann kam Corona. Und die Kreuze mussten 2020 unbenutzt vom Sauerländer Golgatha abgeräumt werden. Kein „Kreuzigt ihn!“ kein „Hallelujah! Passion. Das ist für die Hallenberger eine eigene Zeitrechnung. Wie oft kann ich noch dabei sein? Welche Rolle kann ich spielen? Ehre, Ehrgeiz, Verpflichtung, Träume. Erst Anfang Juni ist Premiere, aber schon jetzt laufen die Vorbereitungen.

Regisseur Uwe Bautz erklärt den jüngsten Darstellerinnen und Darstellern im Heimstudio der Bühne, worauf es in der Passion ankommt und was ihm besonders wichtig ist.Thomas Winterberg
Regisseur Uwe Bautz erklärt den jüngsten Darstellerinnen und Darstellern im Heimstudio der Bühne, worauf es in der Passion ankommt und was ihm besonders wichtig ist.Thomas Winterberg

Abends im Heimstudio: Zunächst die Kinder, dann die Frauen, dann die Männer. Zeitversetzt im Stundentakt haben Regisseur Uwe Bautz und zu dem Zeitpunkt Noch-Spielleiter Stefan Pippel die potenziellen Akteure eingeladen. Pippel wird einige Tage darauf zum Vorsitzenden der Bühne gewählt. Doch dazu später. „Wir wollen erst mal schauen, wie groß das Interesse ist“, sagt Bautz und versucht den Kindern, die mit ihren Eltern gekommen sind, seine Ideen zu beschreiben. Gut und gerne 40 Jungen und Mädchen sind es.

Wie erklärt man Kindern, was ein Regisseur macht und was eine Passion ist? „Ich bin der, der die Proben leitet, der sagt, wie welche Rolle gespielt wird, wer wo was macht.“ Gespannt hört die Gruppe zu. Es sei ein trauriges Stück, das aber ein hoffnungsvolles Ende habe. Ein Stück, das zwar ernst sei, das man aber lebendig gestalten wolle. „Keine heilige Veranstaltung, kein Weihespiel! Wer von euch kann sich vorstellen, mitzumachen und wer würde auch etwas sprechen?“ Verhalten gehen die Hände nach oben. Dann immer mehr. Die Mädchen sind mutiger. „Im Theater kann auch ein Mädchen einen Jungen spielen“, sagt Bautz. Er brauche aber viele Kinder mit Sprechrollen. Denn die Figuren, die als Erwachsene vorkommen, soll es auch noch mal in klein geben…

2019 hatte Florian Hinxlage mit den Vorbereitungen für die Passion begonnen. Es gab ein fertiges Textbuch und es gab auch bereits ein Casting für die Rollen. Hinxlage ist mittlerweile nicht mehr als Regisseur an der Bühne tätig und Uwe Bautz möchte natürlich seine eigenen Akzente in der Inszenierung setzen. Die Spieler und Spielerinnen, die bereits vor drei Jahren für eine Rolle gecastet wurden und nach wie vor dafür zur Verfügung stehen, dürfen sie behalten. Andere wollen oder können inzwischen nicht mehr mitmachen, so dass nachbesetzt werden muss. Mitte Dezember soll aber der Stab der Mitwirkenden stehen. Denn eine Passion braucht viele Menschen mit Passion.

Gut und gerne 120 werden es sein. Aber die Zeiten, in denen das Stück wie vor 12 Jahren 34 Mal aufgeführt wurde und 42.520 Zuschauer lockte, sind vorbei. 34 Aufführungen und vielleicht noch Zusatztermine sind für berufstätige Menschen eine Herausforderung - in puncto Proben und in puncto Spielen. Daher reduziert die Bühne die Zahl der Termine diesmal auf 22. „Es geht uns auch darum, die Mitspieler und -spielerinnen zu schonen“, sagt Bühnensprecher Georg Glade. Zum Vergleich: In „normalen“ Spielzeiten gibt es zwei Inszenierungen mit jeweils durchschnittlich 16 Aufführungen. Und wer im Familienstück dabei ist, spielt in der Regel nicht auch noch im Erwachsenentheater mit.

Zurück ins Heimstudio: Die Namen der Kinder und ihrer Eltern, die mitspielen möchten, sind in einer Liste vermerkt. Mail-Adressen werden ausgetauscht. Es gibt erste Überlegungen, dass nicht immer bei jeder Probe von jedem Kind ein Elternteil als Aufsicht mitkommen muss. „Wir können uns doch auch absprechen!“ Die Stimmung ist gut, entspannt, aber erwartungsvoll. Gleich kommen die Frauen, dann die Männer, von denen iele bereits seit Wochen ohne Friseurkontakt sind. Insgesamt haben dann an diesem Abend 120 Leute Passionsluft geschnuppert. „120 - wenn alle mitmachen, wäre das eine gute Zahl. Auch für die großen Bilder mit Massenszenen, mit denen wir auf der Bühne arbeiten“, freut sich Georg Glade.

Wen der Bühnensprecher diesmal spielen wird? Mal schauen. Die Rolle des Herodes Antipas, für die er gecastet wurde, ist ersatzlos gestrichen. In diesem Jahr hat er in roten Stöckelschuhen und stark geschminkt einen Travestie-Star vom Hamburger Kiez gespielt. Überhaupt könnte der Kontrast vom Spieljahr 2022 auf 2023 nicht größer sein. In dem Musical „Heiße Ecke“ ging es um Liebe, Lust und Leidenschaft. Diesmal geht es um Passion. So facettenreich ist halt Theater.

Info: In dem vom Papst Pius XII. ausgerufenen „Heiligen Jahr“ 1950, fasste die Freilichtbühne den Entschluss, die Passion aufzuführen. Sie wird seitdem alle zehn Jahre dargestellt und hat Hallenberg über die regionalen Grenzen bekannt gemacht. Über 280.000 Besucher haben bisher die Passion miterlebt.

Premiere ist am 4. Juni um 15.30 Uhr. Infos unter www.freilichtbuehne-hallenberg.de