Winterberg/Willingen. Skifahren soll 2022/2023 trotz Energiekrise in der Wintersportarena in Winterberg und Willingen zwar möglich sein. Es gibt aber Einschränkungen.
Schon jetzt bereiten sich die Skiliftbetreiber im Hochsauerland auf die Wintersportsaison vor. Angesichts der drohenden Energiekrise soll auch in dieser Branche Energie eingespart werden. „Das wird ein wirtschaftlich schwieriger Winter“, sagt Jörg Wilke, Sprecher des größten hessischen Skigebiets in Willingen. „Wir müssen sparen und noch effizienter werden.“
Die größten Energiefresser seien die bis zu 1500 Meter langen Seilbahnen. „Sie sind hinsichtlich effizienter Energienutzung und -einsparung schon gut aufgestellt“, sagte Wilke. Dennoch sieht er Einsparpotenzial, vor allem bei der Geschwindigkeit der Lifte. Die könne in diesem Winter gedrosselt werden.
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In Willingen gibt es Wilke zufolge rund 120 Schneekanonen. Sie seien im Schnitt nicht mehr als 250 Stunden jährlich in Betrieb. „Die Grundbeschneiung der 65 beschneiten Pistenkilometer im gesamten Sauerland verbraucht so viel Energie wie ein mit 250 Personen besetztes Flugzeug auf dem Hin- und Rückflug von Frankfurt in die Karibik“, rechnet Wilke vor. Die Liftbetreiber rechnen mit weiteren Kostensteigerungen für Strom, Heizöl, Diesel und Co. sowie für das Personal. Die Preise für die Tickets sollen teurer werden. „Wir werden die Preise anheben, aber sicherlich nicht so, wie es notwendig wäre“, sagte Wilke. Die Tageskarte etwa werde für Erwachsene um 5,2 Prozent und somit um zwei Euro angehoben, für Kinder um 4,3 Prozent beziehungsweise einen Euro. „Das deckt die Kostensteigerung nicht, aber wir haben versucht, den Spagat hinzubekommen, dass Skifahren noch eine bezahlbare Freizeitaktivität bleibt.“
Urlaub in der Nähe statt in der Ferne
Die aktuelle Lage bringt den Tourismusort Willingen vor neue Herausforderungen. „Ich denke, wir können Gewinner und Verlierer zugleich sein“, sagt Norbert Lopatta, der Tourismusmanager der Gemeinde Willingen. Steigende Preise könnten Menschen einerseits davon abhalten, Urlaub zu machen, andererseits könnten sich aber wieder mehr Menschen für einen Aufenthalt im Upland entscheiden, anstatt in die Ferne zu reisen, meint er.
Die Menschen sollen auch bei drohender Knappheit an Strom, Gas und anderen Energiequellen weiterhin zu Ausflügen und Reisen nach Willingen kommen, wenn es nach den Gastgebern geht. Daher wäre das Herunterfahren touristischer Angebote „das falsche Signal“, sagt Norbert Lopatta. Ein wichtiger Faktor sei die Eishalle. „Diese stellt eine erschwingliche Freizeitmöglichkeit dar“, sagt Lopatta. Die Eishalle soll daher offenbleiben. Aus energetischer Sicht sei die bauliche Variante der Eishalle mit offenen Seiten günstiger als eine geschlossene, da keine Lüftungsanlage nötig sei. Zurzeit werde geprüft, ob eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach machbar wäre. Zudem werde die Eishalle künftig beide Schwimmbecken im noch fertig zu stellenden Hallenbad mit Abwärme beheizen. Auch die Skiliftbetreiber erörtern derzeit, in welchen Bereichen Energie eingespart werden kann. Jörg Wilke nennt beispielhaft die Sitzheizung des Sesselliftes am Köhlerhagen. „Diese wird im kommenden Winter möglichst nicht angestellt. Man braucht sie auch nicht unbedingt, da der Lift Wetterschutzhauben hat.“
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Skifahren soll möglich bleiben, während diejenigen Dinge eingeschränkt werden sollen, die am ehesten verzichtbar sind. Dazu zähle auch, die Anzahl der Sessel den täglichen Besucherzahlen anzupassen. Die Skilifte werden elektrisch betrieben. Das Skigebiet Willingen bietet im Winter regelmäßig Flutlicht-Skifahren an. Gegebenenfalls könnte dies an weniger Abenden als sonst stattfinden. Wilke betont aber, dass mögliche Engpässe beim Strom eher tagsüber auftreten könnten, weshalb das Flutlichtfahren nicht das größte Einsparpotenzial berge. Er stellt klar, dass man weiterhin auf künstliche Beschneiung setze. Die Anlagen dafür liefen zwischen 250 und 280 Stunden pro Jahr. „Ausreichend Naturschnee haben wir im Mittelgebirge nicht.“ Der Speicherteich für die Beschneiung auf dem Ettelsberg fasst 52 000 Kubikmeter Wasser. Damit ließen sich rund 385 000 Badewannen füllen.
Tourismus wichtige Einnahmequelle
Von Mitte Dezember bis Mitte März sei der Schnee die Erwerbsgrundlage für etliche Betriebe in der Gemeinde Willingen. Mehr als 80 Prozent lebten vom Tourismus. Gästehäuser, die Gastronomie, der Einzelhandel und Zulieferer seien davon abhängig, dass im Winter Gäste kommen. „Und wenn kein Schnee da ist, kommen sie nicht.“ Die energieintensive künstliche Beschneiung sei daher „alternativlos“. Der Liftbetreiber sieht es aber als wichtig an, Menschen „vor der Haustür“ Wintersport anbieten zu können. Sie müssten nicht in die Alpen fahren, was wegen der An- und Abreise viel mehr CO2-Ausstoß bedeuten würde. Tausende aus der näheren Umgebung profitieren laut Wilke von dem Angebot, wenn mehrere Wochen im Jahr präparierte Pisten da sind. Das Skigebiet werde künftig verstärkt dafür werben, die Bahn zu nutzen. Der Bahnhof liege zentral – „wir haben einen Bahnanschluss im Skigebiet“.
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Auch in Winterberg schaut man nicht unvorbereitet auf die Wintersaison. Hinsichtlich der Energiekrise müsse man alle Möglichkeiten in Betracht ziehen und auf alles vorbereitet sein, sagt die Wintersport-Arena Sauerland. Man wolle aber auch nicht von vorn herein vom Schlimmsten ausgehen. Die Skigebiete hätten schließlich auch den milden Winter, die Lockdown- und Corona-Winter hinter sich gebracht. Auch im oberen Sauerland sei der Tourismus der Motor der Wirtschaft. Fast alle anderen Branchen hingen davon ab. Die Skipisten seien die Basis des touristischen Angebots für den gesamten Zeitraum von Dezember bis März.
Maßnahmen der Skiliftbetreiber
Trotzdem ziehen die Skiliftbetreiber auch weitere Maßnahmen in Erwägung, um auf die Energieknappheit zu reagieren. Bei den Skiliften gebe es eine Auswahl und Priorisierung von Anlagen, die unbedingt in Betrieb genommen werden sollen und welche nicht, so die Wintersport-Arena. Außerdem versuche man die Lifte voll zu besetzen - dabei könnten dann auch die Gäste mithelfen. Die Fahrgeschwindigkeit wolle man zusätzlich in weniger stark besuchten Zeiten reduzieren. Auch in der dazugehörigen Gastronomie achte man verstärkt auf den Energieverbrauch. Die möglichen Maßnahmen seien hier, die Raumtemperaturen zu senken und ungenutzte Räume gar nicht zu heizen. Die Beleuchtung könne ebenfalls noch optimiert werden und eine zusätzliche Wärmedämmung eingesetzt werden.
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Bei der Beschneiung fokussiere man sich auf die Pisten, die wirklich benötigt werden. Im Temperaturbereich von -1 oder -2 Grad wolle man vermeiden zu beschneiden, um effizienter vorzugehen, sagt die Wintersport-Arena. An kälteren Tagen könne man dann nämlich, wenn vorhanden, Schneilanzen einsetzen, da diese weniger Energie benötigten. Ebenso beim Flutlichtfahren wolle man in Winterberg Energie einsparen. Dabei helfe vor allem LED-Technik, die es an einigen Pisten in Winterberg bereits gebe. Auch Gäste könnten dazu beitragen Energie einzusparen. Der Umstieg auf den ÖPNV sei die beste Möglichkeit für Besucher den Energieverbrauch zu senken. Vor allem Shuttlebusse und vergünstigte Tickets für Skifahrer machten das Angebot attraktiver. Fahrgemeinschaften seien dazu eine gute Alternative, auch in Hinblick auf die hohen Spritkosten.
Seilbahnen schaffen Arbeitsplätze
Der Energiebedarf pro Gast an einem Skitag mit Seilbahn und Pistenpräparierung, aber ohne Anreise liegt nach Angaben des Verbands Deutscher Seilbahnen und Schlepplifte (VDS) im Schnitt bei 16 Kilowattstunden. Das entspreche dem Energiebedarf eines Mittelklassewagens mit einem Durchschnittsverbrauch von sieben Litern für eine Strecke von 22 Kilometern.
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Der VDS betont die wirtschaftliche Bedeutung der Seilbahnen. Sie leisteten besonders in strukturschwachen Gebieten einen unersetzlichen Beitrag für sichere und nachhaltige Arbeitsplätze. So schaffe beziehungsweise sichere ein Arbeitsplatz bei der Seilbahn insgesamt 5,1 Arbeitsplätze in der Region. In Deutschland sind nach Angaben des VDS 187 Seilschwebebahnen, 20 Standseilbahnen, rund 1240 Schlepplifte und vier Zahnradbahnen in Betrieb. In Hessen laufen im Winter acht Seilschwebebahnen, fünf Standseilbahnen und 63 Schlepplifte. ()