Hochsauerlandkreis. Sind Schützenfeste ein Treiber der Corona-Welle im HSK? „Nicht nur“ - unser Interview mit dem Leiter des Gesundheitsamtes. Wie er die Lage sieht.

Es ist Sommer - und trotzdem macht Corona keine Pause. Eine neue Welle baut sich in Deutschland auf. Die einen reagieren mit einem Schulterzucken, die anderen machen sich Sorgen. Das sagt Dr. Klaus Schmidt, der Leiter des Gesundheitsamtes im Hochsauerlandkreis in Meschede.

Dr. Klaus Schmidt, der Leiter des Kreisgesundheitsamtes in Meschede.
Dr. Klaus Schmidt, der Leiter des Kreisgesundheitsamtes in Meschede. © Unbekannt | Ute TolksdorF

Die Corona-Inzidenz im Hochsauerlandkreis ist zuletzt deutlich gestiegen. Haben wir es hier schon mit BA5 zu tun, jener Variante, die zuerst in Portugal aufgefallen war, oder was ist der Grund?

Die Zahlen steigen bundesweit an, das hat sicherlich mit dieser Variante zu tun. Es ist bei uns nicht anders als in anderen Regionen. Entscheidend ist, dass BA5 noch übertragbarer ist als die bisherigen Varianten.

Dieser dritte Pandemie-Sommer ist ein anderer und die meisten Menschen sind sehr froh darüber. Ganz nüchtern und ohne erhobenen Zeigefinger: Sorgen Feste und insbesondere Schützenfeste für höhere und schneller steigende Fall-Zahlen – und kann das nicht jeder eigenverantwortlich in Kauf nehmen?

Bei den aktuellen Corona-Maßnahmen wird auf Eigenverantwortung gesetzt. Jeder entscheidet selbst, ob er größere Ansammlungen von Menschen besucht oder meidet. Klar ist: Wo viele Menschen zusammentreffen, kommt es logischerweise zu einer höheren Übertragung des Virus. Das ist auch bei jeder Veranstaltung so. Die Politik hat entschieden es so zu tolerieren.

Manche Menschen gehen auf Feste, vermeiden aber Besuche in Hallen. Ist das übertrieben?

Auch hier muss es jeder für sich selbst verantworten. Ob ich in volle Restaurants oder in volle Hallen gehe: Je enger und mit weniger Schutzmaßnahmen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, infiziert zu werden - auch, wenn nicht jede Infektion automatisch krank macht.

In den Krankenhäusern befinden sich kaum Menschen an oder mit Corona, auf den Intensivstationen nur sehr wenige: Sind sie gelassen oder in Sorge, wenn Sie auf die Auswirkungen der Inzidenzen schauen?

Die Inzidenz hat seit Omikron an Aussagekraft verloren – wegen der geringeren Krankheitslast durch diese Variante. Die Krankenhäuser sind nicht so belastet wie vor einem Jahr – und von einer Überlastung ist absehbar nicht auszugehen.

Blick auf das Kontakt-Tagebuch nach einem Schützenfest: alle Tage Alarm.
Blick auf das Kontakt-Tagebuch nach einem Schützenfest: alle Tage Alarm. © Unbekannt | Ilka Trudewind

Nur noch positive PCR-getestete gehen in die Statistik ein. Die wahre Inzidenz müsste daher um ein Vielfaches höher liegen. Können Sie eine Schätzung dazu abgeben?

Das war schon immer so, allerdings wurden früher mehr PCR-Tests gemacht. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, weil viele aufgrund eines Schnelltests zu Hause bleiben. Ich kann die wirkliche Zahl nicht beziffern.

Provokant gefragt: Ist es nicht besser, es infizieren sich jetzt mehr Menschen im Sommer, damit wir einen ruhigeren Herbst und Winter haben?

Unter Umständen entsteht so ein gewisser Schutz für die kommende Jahreszeit – aber wir wissen es nicht. Es ist unklar, welche Variante im Herbst vorherrschen wird. Von daher kann die Frage momentan niemand beantworten.

Es wird in der Politik viel über den Herbst gesprochen. Womit rechnen Sie mit Ihrer medizinischen Erfahrung?

Das ist auch ein Blick in die Glaskugel. Es weiß keiner. Der Expertenrat der Bundesregierung hat drei mögliche Szenarien aufgezeigt: mit geringer, moderater und riskanter Problematik. Wenn die Experten es also schon nicht wissen – wir müssen abwarten.

Mal angenommen, die Politik entscheidet sich wieder für Maßnahmen ab dem Herbst: Müssten wir dann nicht künftig jeden Herbst damit rechnen? Das Corona-Virus verschwindet doch nicht mehr. Was wäre im Herbst 2023 anders als im Herbst 2022?

Wenn Omikron nicht verschwindet, würden wir jeden Herbst eine Welle haben. Die Fragen sind dann: Welche Auswirkungen haben diese Wellen noch? Wie gehen wir damit um, wenn Omikron nicht schwer krank macht und wir dagegen impfen können? Diese Entscheidungen muss die Politik treffen. Das Virus wird nicht verschwinden. Ich kann mir vorstellen, dass es saisonal ähnlich wie die Grippe verlaufen wird - mal mehr und mal weniger ausgeprägt.

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Viele Menschen sind pandemiemüde. Können Sie das nachvollziehen?

Ja, das kann ich nachvollziehen. Es waren jetzt 2,5 anstrengende Jahre für uns alle. Und wenn eine Welle jedes Mal zu massiven Einschränkungen führt, wird diese Müdigkeit eher zunehmen.

Abstrich für einen Corona-Test: Nur positive PCR-Tests gehen in die Statisik ein.
Abstrich für einen Corona-Test: Nur positive PCR-Tests gehen in die Statisik ein. © dpa | Tom Weller

Auch die Impfbereitschaft lässt mit jeder weiteren Dosis nach: Kommt nach der vierten die fünfte und sechste…?

Man muss überlegen, ob man vulnerablen Gruppen eine Impfung im Herbst anbietet – wie bei der Grippe. Die Corona- Impfung führt nicht zu steriler Immunität und muss aufgefrischt werden. Wichtig für diesen Sommer ist ein Plan, wie wir mit dem kommenden Herbst umgehen möchten: Wie beobachten wir die Pandemie? Welche Daten müssen wie generiert werden? Müssen wieder sämtliche Infektionen erfasst werden?

Die Schützen feiern erfolgreich ihre Saison. Können Sie den Karnevalisten etwas Mut machen für November und Februar?

Leider nein, weil auch hier gilt: Niemand weiß, was im Herbst passiert. Tritt das Szenario ein, dass wenig Probleme bereitet, kann ich mir vorstellen, dass die Karnevalisten feiern können. Kommt es zu unangenehmen Verläufen mit einer gefährlicheren Variante, dann sind wieder Einschränkungen vorstellbar. Keiner kann es wissen.