Hallenberg. Coole Sprüche an der „Heißen Ecke“: Die Freilichtbühne feiert Premiere mit dem rasant gespielten und scharf gewürzten Reeperbahn-Musical.
Hui, das ist aber eine verdammt „Heiße Ecke“! Hitzebedingt leider nur 400 Zuschauer sind am Samstag zur Premiere auf die Freilichtbühne gekommen. Aber alle erheben sich von ihren Plätzen und lassen das 60-köpfige Ensemble hochleben. Dem fällt so mancher Schweißtropfen auf den Boden und ein Stein vom Herzen, denn das Publikum ist begeistert und geht von Anfang bis Ende voller Elan mit. Na bitte, es darf auch in Hallenberg durchaus etwas schärfer gewürzt sein!
Freilichtbühne Hallenberg
Die Bühne ist mutig. Sie spielt erstmals das freche Reeperbahn-Musical, bei dem es sprachlich und optisch für Sauerländer Verhältnisse manchmal ganz schön zur Sache geht. Aber Mut, Können und Leidenschaft zahlen sich aus. Die gerafften 24 Stunden Kiez werden bei aller Hitze zu einem erfrischenden Tripp nach St. Pauli. Und begierig saugen die Gäste die kurzweilige Unterhaltung auf. Zisch – erfrischend wie ein Hamburger Astra-Bier oder wie ein Alster.
Würstchen und flotte Sprüche
Den roten Handlungsfaden gibt es nicht und auch nicht die bzw. den herausragende/n Schauspieler/in: Alle vier, fünf Minuten läuft eine andere Szene auf der sündigen Meile ab: Junggesellen feiern ihren Abschied. Prostituierte bieten ihre Dienste an. Einen Zocker verlässt das Glück im Spiel. Ein Musical-Darsteller träumt vom großen Auftritt. Man fällt sich in die Arme und in den Rücken. Hier reichen sich pralles Leben und hinterhältiger Tod die Hände. All das spielt sich an der Imbissbude „Heiße Ecke“ ab, wo Würstchen und flotte Sprüche nur so vom Grill purzeln, wo jede noch so kleine Rolle zum großen Stein im Mosaikbild „Reeperbahn“ wird.
Im fliegenden Wechsel müssen die Spieler/innen in andere Kostüme schlüpfen: Jeder ist für wenige Minuten ein Star. Eben noch bei der Müllabfuhr und wenig später in Taxifahrerkluft. Gerade noch eine Touristin aus Sachsen und kurz darauf in Lack, Leder und mit Peitsche unterwegs. Man spürt förmlich den Spaß, den jede/r an der Verwandlung und der Verantwortung hat. Und eigentlich ist die „Heiße Ecke“ mehr eine Nummern-Revue, eine Episoden-Reihe, in der sich die Akteure ausgesprochen facettenreich ausleben dürfen. Der Begriff „Große Freiheit“ bekommt da eine ganz eigene Note. Das Ensemble genießt sie, das Publikum spürt es.
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Eine Frage des Timings
Das Reeperbahn-Musical ist streng genommen nicht gemacht für die riesig breite Bühne. Dreh- und Angelpunkt ist eine Pommesbude, wo sich alles trifft. Mit wenigen Ausnahmen bei Auf- und Abgängen macht Regisseur Uwe Bautz ganz bewusst gar nicht erst den Versuch, die fokussierte Szenerie auf Cinemascop-Format auszudehnen.
Übergänge funktionieren ohne Vorhang und ohne Blacks, weil das Timing stimmt. Bautz konzentriert sich voll auf die Mitte, was noch mehr Tempo ermöglicht. Für ihn war es bei seiner ersten Regiearbeit in Hallenberg wichtig, ein in sich stimmiges Ensemble zu formen und grund-solide Unterhaltung mit Lachfaktor und Augenzwinkern abzuliefern. Das Timing passt, die Charaktere haben die richtigen Spieler gefunden oder umgekehrt. All das ist mehr als gelungen. Klasse gemacht!
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Bei der Einstudierung der Songs, die echte Ohrwurm-Qualität besitzen, haben Stefan Wurz, Mareike Schäfer und Maurice Ernst wirklich ganze Arbeit geleistet. Für die Choreografie mit witzigen Einfällen waren Anjuschka Uher und Vanessa Ante verantwortlich. Unterm Strich eine beeindruckende Gesamtleistung, die im Laufe der Saison ganz bestimmt viele Besucher begeistern wird und verdient hat. Besonders bei den Abendvorführungen wird das aufmerksame Technikteam besonders gefordert sein und viel Rotlicht-Atmosphäre zaubern.
Applaus bis zum Schluss
Ganz so sprachlich derb kann die „Heiße Ecke“ dann übrigens doch nicht gewesen sein. Eine Abordnung der Benediktiner in Meschede und die Hallenberger Ordensschwestern blieben bis zum Schluss und applaudierten kräftig. Der Spielplan ist ja auch auf lange Sicht betrachtet sehr vielfältig. Nach der Reeperbahn geht es nächstes Jahr nach Jerusalem. Die Passion wird nachgeholt. Und beides - wie in Hallenberg üblich - mit viel Passion!