Winterberg. Krawallartig ziehen Jugendliche nachts zweimal am Rande des Dirt-Masters durch die Straßen Winterbergs. Warum stoppte niemand die Chaoten?
Am Rande des Dirt-Masters-Festival in Winterberg ist es in den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag in der Innenstadt laut Anwohnern zu teils wilden Szenen gekommen. Videos, die der WP zugespielt wurden und in den sozialen Netzwerken kursieren, zeigen unter anderem eine laute, feierwütige Partytruppe, die an der Eisdiele Cortina am Waltenberg, angeheizt von einem Vorsänger, das „Humba Täterä“-Lied anstimmt. Im Hintergrund hört man Flaschen zerspringen, Blaulicht ist zu sehen.
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Verletzung wegen Feuerwerkskörper Wut auf Downhill-Raser
Der Pressesprecher der Polizei des Hochsauerlandkreises, Sebastian Held, bestätigt der WP, dass jeweils in den Nächten auf Freitag und Samstag 150 Personen in die Stadt gezogen seien. Einsatzschwerpunkte seien der Fichtenweg und der Waltenberg gewesen. Es seien Platzverweise erteilt und drei Anzeigen wegen Sachbeschädigung geschrieben worden. Außerdem bearbeite die Polizei zwei Anzeigen wegen Körperverletzung. Eine Person habe sich beim Entzünden eines Feuerwerkskörpers oder Bengalos verletzt. Laut Polizei soll es in der Nacht zu Samstag ruhiger gewesen sein.
Gerd Müller ist 77 Jahre alt. Er wohnt in der Straße am Waltenberg, wo die Gruppe johlender und grölender Jugendlicher nachts vorbei zog. „Seit 60 Jahren waren das die schlimmsten Nächte, die ich hier erleben musste“, sagt Müller. Vom Fenster aus habe er „das Treiben“ gut beobachten können. „Das waren zwei zukunftsweisende Krawallnächte marodierender Downhill-Raser“, sagt er.
Die Nerven der „leidgeprüften Anwohner und Polizeibeamten“ seien aufs Äußerste strapaziert worden. An der Stadt lässt er kein gutes Haar. Mit drastischen Worten formuliert er seinen Frust über die, wie er es scharf ausdrückt, „Krawallnächte“ und „Chaostage“: „Kein Bürgermeister oder Stadtmarketing-Manager war an der Front zugegen. Denkt in Zukunft doch bitte auch einmal an die wirklich schwer gebeutelten Anwohner der Innenstadt “, sagt er.
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Absperrungen weggetragen
Ganz so drastisch möchte es der Winterberger Günter Müller nicht formulieren. Er wohnt in der Nähe des St.-Franziskus-Hospitals und damit etwas weiter weg vom Geschehen. „Doch dieses Mal war die Lautstärke unverhältnismäßig laut und extrem“, sagt er. Trotzdem habe er sich an laute Nächte an den „wenigen Tagen im Jahr“ gewöhnt, sagt er.
Maike Kautz ist die Inhaberin des Hotel Restaurant Schneider. Ihr Betrieb liegt direkt an dem Weg, den die Partytouristen zurücklegten. Aus Erfahrung habe sie noch keine neuen Blumen in den Blumenkübeln vor dem Gebäude gepflanzt. Die würden während des Dirt-Masters-Festivals regelmäßig herausgerissen, berichtet sie. Die Gruppe sei auch skandierend an ihrem Hotel vorbeigezogen. Sie habe außerdem gesehen, wie Absperrungen einer Baustelle weggetragen und versetzt wurden. So „laut und schlimm“ sei es ihrer Meinung nach noch nie gewesen. „Ich glaube, die Jugendlichen wollen jetzt nach Corona einiges nachholen. Trotzdem ist das Festival eine wichtige Veranstaltung für Winterberg“, sagt Kautz.
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Ein Scherbenmeer
Zwei Anwohnerinnen berichten von einem „Scherbenmeer“ aus zerbrochenen Flaschen, das die Jugendlichen hinterlassen hätten. Ungeniert hätten sie in einer langen Reihe gegen ein Gebäude uriniert. Es seien „chaotische Zustände“ gewesen“. „Man kann ja feiern, aber dann muss man sich auch benehmen“, sagt eine der beiden Frauen. Und die andere berichtet davon, dass sie gesehen habe, wie jemand versucht habe, eine Eisenkette mit einer Zange zu zerstören.
Ähnlich äußert sich Jutta Kretzschmar vom Geschäft Outdoor 842. Bereits am Freitagmorgen habe man nicht mehr durch die Stadt laufen können, sagt sie. Überall hätten Scherben gelegen, Flaschen hätten in den Blumenkübeln gelegen. Und ihr Chef, Inhaber Lukas Bambeck, ergänzt: „Ich habe die Videos der Nacht gesehen und hatte wirklich Angst um meinen Laden. Zum Glück ist aber nichts passiert“, sagt er.
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Brabander-Chef beruhigt: Weniger schlimm als sonst
Der Juniorchef des Hotels Brabander, Danny Meurs, hatte sich schon für die Nächte gewappnet. Gemeinsam mit seinem Bruder stehe er die Nächte während des Festivals immer vor seinem Hotel, um aufzupassen. Trotzdem sei es weniger schlimm gewesen als während der Dirt Masters zuvor. „Wir versuchen, die Leute, die hier vorbei kommen, zu beruhigen. Wenn die beispielsweise versuchen, eine Sitzbank mit zunehmen, sagen wir, dass sie die doch bitte stehen lassen sollen. Das bringt euch doch nichts“, berichtet er.
Er und sein Bruder würden auch schon mal gestohlene Sonnenschirme von dem Partyvolk wieder einkassieren und an ihren ursprünglichen Platz zurückbringen. Seiner Erfahrung nach seien das alles „nette Leute. „Das sind Kinder, die Quatsch machen“, sagt er. Man müsse normal mit denen reden. Er selbst habe gesehen, wie jemand einen Bengalo gezündet habe. Trotzdem sei es bei ihm zu keiner Sachbeschädigung gekommen. „Die haben auch die Musik ausgemacht, als wir sie darauf hingewiesen haben, dass unsere Gäste schlafen möchten“, sagt Meurs. Was direkt in der Stadt geschehen sei, könne er aber nicht beurteilen.
Die WP hatte die Stadt heute (1. Juni) um Stellungnahme zu den Vorfällen gebeten. Bis zum Abend wurde unsere Anfrage nicht beantwortet