Hochsauerlandkreis/Marsberg. Ulrich Gödde züchtet weiße Chianina-Rinder. Mit einem Stockmaß von bis 1,80 Meter und 1.500 Kilo Gewicht sind es die größten Rinder der Welt.

Auf Gut Wieringsen ist mit Ulrich Gödde aus Bredelar bei Marsberg wieder landwirtschaftliches Leben eingezogen. Der Bredelarer Unternehmer und studierte Landschaftsgärtner hat den Zuschlag nach einer Versteigerung erhalten. Zuvor gehörte es dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Gebaut wurde der Musterhof in den Vorkriegsjahren 1937 bis 1939 nach Plänen von Otto Hein aus Obermarsberg als „Erbhof Wieringsen“ nach dem Reichserbhofgesetzt. Der Bruder von Otto Hein, Karl-Friedrich-Hein, hatte 1916 das ehemalige Stift Obermarsberg gekauft und lebte dort mit seinen Geschwistern und deren Familien.

Gut Wieringsen ist aus dem Dornröschenschlaf ewacht. Dafür gesorgt hat Ulrich Gödde (links). Unterstützt wird er von dem Muttertierhalter Friedhelm Gerlach aus Obermarsberg,
Gut Wieringsen ist aus dem Dornröschenschlaf ewacht. Dafür gesorgt hat Ulrich Gödde (links). Unterstützt wird er von dem Muttertierhalter Friedhelm Gerlach aus Obermarsberg, © Annette Dülme | Annette Dülme

Karl-Friedrich Hein war als Wohltäter der damaligen Stadt Obermarsberg zu deren Ehrenbürger ernannt worden. Er hatte, wie mehrfach berichtet, die Schützenhalle in Obermarsberg erbaut. Vor kurzem erst wurde der Schützenplatz nach ihm benannt.

Vermögensgesellschaft

Jetzt gehört das Gut mit einigen Wiesen einer Vermögensgesellschaft um Ulrich Gödde, nachdem es einige gerichtliche Auseinandersetzungen zu klären gab. Die Ländereien hat der LWL größtenteils weiterhin an einen Landwirt aus Meerhof verpachtet. „Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen“, sagt Ulrich Gödde. Der 65-jährige kämpft sich nach einer schweren Corona-Erkrankung gerade zurück in die Realität.

Er lebt mit seiner Lebensgefährtin und den zwei Kinder in Osnabrück, seinem Hauptwohnsitz. Aber er möchte demnächst in das stattliche Wohnhaus auf das Gut umziehen. Es steht unter Denkmalschutz. Für Ulrich Gödde ist das durchaus eine Chance.

Lesen Sie auch:Preisexplosion beim Hausbau: Das müssen Sie jetzt wissen

Das Haupthaus wurde während der Naziherrschaft erbaut. Das eingeschnitzte Hakenkreuz im oberen Querbalken im Westgiebel erinnert daran. Darüber ist die Hofmarke in die Giebelspitze eingeschnitzt. Die Hofmarke findet sich auch geschmiedet an der eichenen Eingangstür.

Friedlich grasen die Chianina-Rinder auf den Wiesen um Gut Wieringsen.
Friedlich grasen die Chianina-Rinder auf den Wiesen um Gut Wieringsen. © Ulrich Gödde | Ulrich Gödde

Im Inneren des Hauses, soll möglichst viel ursprünglicher Hauscharakter erhalten bleiben. Die schmalen helleichenen Fußbodendielen sind wieder freigelegt. Die geschlungene Holztreppe mit Empore zum oberen Stockwerk ist schon abgeschliffen. „Es ist noch viel zu tun“, blickt Ulrich Gödde verheißungsvoll in die Zukunft. Im oberen Stockwerk haben bereits zwei Mitarbeiter Räume bezogen.

Biogasanlage in Bau

Gödde betreibt mit Partnern die Firma StM-Energie in Marsberg, die sich um Projektierung und Vertrieb von Bioenergieanlagen kümmert. Eigentlich suchte er nach einem geeigneten Standort für den Bau einer eigenen Biogasanlage. Deshalb fiel seine Wahl auf den seit 13 Jahren leerstehenden und mehr und mehr dem Verfall preisgegebenen Musterhof. „Ich war sofort von dem Anwesen und der stadtnahen Lage begeistert“, spricht Ulrich Gödde von einem Filetstück in der Marsberger Gemarkung

Große Pläne

Der LWL nutzte das Gut Wieringsen bis 1976 zur Selbstversorgung. Danach pachtete der ehemalige Verwalter Volker Edel das Gut und bewirtschaftete es bis zu seinem Renteneintritt in 2007.

Mit Gut Wieringsen hatten Stadt und LWL große Pläne. Ein Ferienpark sollte dort entstehen. Ein holländischer Investor war 2012 abgesprungen. Ein neuer Investor, die Firma s.a.b AG aus Friedrichshafen wollte dort ein Feriendorf mit Gesundheitscharakter verwirklichen. Nach Turbulenzen um die Firma nahm die Stadt 2013 Abstand.

Eine Biogasanlage ist dort bereits im Bau und in seinem Kuhstall stehen porzellanweiße Chianinas. Die Rinderart ist um einiges größer als die rot- oder schwarzbunten Kühe auf den heimischen Wiesen. „Sie sind auch bekannt als die weißen Riesen aus Italien, eine der ältesten und zugleich edelsten Rinderrassen der Welt“, ist Ulrich Gödde „zutiefst überzeugt“ von deren Fleischerzeugnissen.

Lesen Sie auch:Mit diesen 10 Tipps sparen Sie im Alltag richtig Geld

„Es ist das beste Fleisch der Welt“, sagt er. Er ist selbst in den Südostzipfel der Toskana gereist, denn von dort stammen die Riesenkühe ursprünglich, um sich von deren Fleischqualität zu überzeugen. „Die Steaks sind feinfasrig, leicht marmoriert und von einer unbeschreiblichen Größe“, schwärmt er.

Das Haupthaus Gut Wieringen wird gerade aufwendig renoviert. Im Vordergrund wächst auf dem früheren Rondel jetzt Gemüse und Salat.
Das Haupthaus Gut Wieringen wird gerade aufwendig renoviert. Im Vordergrund wächst auf dem früheren Rondel jetzt Gemüse und Salat. © Annette Dülme

Gödde kaufte im Januar 2020 seine ersten 13 Chianina-Kühe. Sie stehen auf Stroh in seinem Kuhstall. Die ersten zehn Kälbchen sind inzwischen geboren. Und die haben zuerst ein braunes Fell. „Das ist wohl das markanteste Kennzeichen dieser beeindruckenden Rinderrasse“, weiß Ulrich Gödde. Inzwischen gehören zwei Bullen zu seiner Herde. „1955 stellte der Chianina-Stier Donetto im italienischen Arezzo einen bis heute gültigen Rinder-Gewichtsrekord von 1740 kg auf und in 2007 kam der Chianina-Ochse Florino mit einer Widerristhöhe von 2,05 Meter ins Guinness-Buch der Rekorde“, zählt der neue Rinderzüchter stolz auf.

60 Muttertiere

Er möchte seine Rinderherde auf 60 Muttertiere aufstocken. Dabei unterstützt ihn Landwirt Friedhelm Gerlach aus Obermarsberg. Er betreibt selbst eine Mutterviehhaltung auf seinem Hof und steht Ulrich Gödde mit Rat und Tat zur Seite. Inzwischen gehören ihm auch einige der Chianinas.

WP-Newsletter per Mail: Was ist los in Brilon, Olsberg, Marsberg, Winterberg, Medebach und Hallenberg? Holen Sie sich den Newsletter für Ihren täglichen Nachrichtenüberblick

Von Mai bis November sollen sie auf Wiesen um das Gut herum friedlich grasen und ihre Kälber zur Welt bringen können. Weiterhin ist eine kleines Schlachthaus geplant. Gödde: „Damit ersparen wir den Tieren Transportstress.“ Und das sorge wiederum für gute Fleischqualität. Das Fleisch soll direkt am Gut vermarktet werden. Erste Kontakt zu Restaurants und Fleischereien sind bereits geknüpft

In dem früheren Schweinestall grunzt auch schon wieder das Borstenvieh. Erst einmal zwei Duroc-Säue und vier Ferkel für den Hausgebrauch. Duroc-Schweine gelten als eine der ältesten Rassen von Hausschweinen. Enten, Gänse und Hühner sollen auch noch folgen. Möglichst auch alte Rassen. Und neben dem Wohnhaus mit Blick ins Diemeltal, wachsen heute auf 1000 Quadratmetern Rebsorten. Chardonnay und Regent. Beides robuste Arten.