Usseln. Es wird weniger Milch getrunken, in Zeiten, in denen die Bauernmolkerei Usseln für 20 Mio. Euro neu baut. Darum bleibt die Molkerei optimistisch.
Früher hieß es immer: Die Milch macht’s! Ist das heute noch so? Der Milchverbrauch in Deutschland ist im vergangenen Jahr auf den niedrigsten Stand seit 1991 gesunken. Wie das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) jetzt mitteilte, ging der Pro-Kopf-Verbrauch von Konsummilch 2021 um 2,2 Kilogramm auf durchschnittlich nur noch 47,8 Kilogramm zurück. Als möglicher Grund wurde der verstärkte Konsum pflanzlicher Milchalternativen genannt.
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Einen Rückgang um sieben Prozent auf 471.100 Tonnen verzeichnete das BZL bei der Herstellung von Butter, Milchfett- und Milchstreicherzeugnissen. Dies entsprach 6,1 Kilogramm Butter pro Person, 200 Gramm weniger als ein Jahr zuvor. Mildgesäuerte Markenbutter hatte demnach mit knapp 70 Prozent den größten Anteil an der Gesamtherstellungsmenge, verzeichnete aber auch den größten Rückgang mit minus 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Herstellungsmenge von Käse stieg dagegen mit 2,67 Millionen Tonnen um ein Prozent im Vergleich zu 2020. Damit setzte sich der langfristige Wachstumstrend bei der Käseherstellung fort. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Käse blieb in Deutschland allerdings mit 25,3 Kilogramm etwa konstant.“
Molkerei nicht beunruhigt
All das sind Zahlen, die die Upländer Bauernmolkerei nicht beunruhigen. Der neue Geschäftsführer Tobias Kleinsorge: „Die Milchmenge hat sich in den letzten Jahren bei uns sehr dynamisch entwickelt. Im Durchschnitt ist die Milch-Erfassungsmenge um etwa drei Prozent pro Jahr gestiegen, was auch in Summe die Absatzlage darstellt. Die Nachfrage nach Fett ist überdurchschnittlich gewachsen, im Trinkmilchbereich hingegen ist der Trend rückläufig.“
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Mit Kleinsorge hat die Molkerei einen weiteren Geschäftsführer bestellt. Neben Karin Artzt-Steinbrink ist nun auch der Sauerländer Tobias Kleinsorge einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der einzigen fairbio-zertifizierten Molkerei Deutschlands. Der studierte Betriebswirt (45) kommt aus Züschen und leitet seit 2014 den kaufmännischen Bereich der Molkerei. Mit der Doppelspitze ist Hessens einzige Bio-Molkerei nachhaltig und gut positioniert für die Zukunft. Denn der Betrieb steht vor großen Veränderungen.
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19,5 Millionen Euro investiert die Molkerei am Standort Usseln in ein neues Produktionsgebäude in der Milchstraße. „Wir befinden uns in der Phase der Inbetriebnahme. Die Technik steht größtenteils. Die neue Glaslinie läuft: Trinkmilch in der Ein-Liter-Flasche wird bereits im Handel verkauft, Naturjoghurt im 500 Gramm-Glas kommt in den nächsten Wochen hinzu. Unsere Giebelkartonabfüllmaschine sowie die Buttereiabfüllmaschine sind bereits im Einsatz, die Bechermaschine sowie die Tanks ziehen als Letztes vom Altbau in den Neubau um. Ab Juli verbleibt allein die Sauermilchquark-Produktion im Altbau, der Sauermilchquark wird für die Herstellung von Handkäse verwendet“, so Kleinsorge weiter.
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Alternative Produkte herstellen
Die vom Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) herausgegebenen Zahlen bereiten den Upländern in Anbetracht des Neubaus und der damit verbundenen Großinvestition kein Kopfzerbrechen. Sven Lorenz, Vorsitzender der Milcherzeugergemeinschaft Hessen: „Wir wollen im Vergleich zur veganen Ernährung alternative Produkte herstellen, die sich in ihrer Qualität deutlich vom Markt absetzen. Tierwohl, Klimaschutz und Biodiversität sind hierfür die wichtigsten Faktoren, bei gleichzeitigem fairen Umgang in der Lieferkette.“ Daher sind pflanzliche Alternativprodukte für Lorenz auch keine ökologische Alternative, „da wir bei nachhaltiger Grünlandbewirtschaftung mit Weidegang ähnliche Klimawirkung wie manche pflanzliche Alternativen schaffen, aber gleichzeitig durch Humusaufbau Kohlenstoff im Boden anreichern und somit dem Klimawandel entgegentreten können.“ Allerdings sei eine ausgewogene Ernährung mit pflanzlichen Lebensmitteln und weniger tierischen Lebensmitteln sehr wohl wichtig. Sven Lorenz: „Es gibt bei dieser Frage kein schwarz oder weiß, die Antwort liegt dazwischen. Die Milchauszahlungspreise für Bio-Rohmilch seien in den vergangenen Jahren stabil geblieben und hätten nicht die Entwicklung durchleben müssen, wie leider die konventionellen Auszahlungspreise, so Tobias Kleinsorge: Die Bio-Milchmarkt hat sich vom konventionellen Markt abgekoppelt.“