Hochsauerland. Tradition ist vielen Schützenvereinen im Hochsauerlandkreis besonders wichtig. Doch sind Schützen mit geschulterten Gewehren noch zeitgemäß?
Sind sämtlich Schützen-Traditionen heute noch zeitgemäß? Kann man zum Beispiel mit geschulterten Gewehren durch die Städte und Dörfer im HSK marschieren, während in der Ukraine ums Überleben gekämpft wird? Diese Fragen werden in einer Zeit, wo ein Krieg mitten in Europa tobt, möglicherweise vielen verantwortlichen Vorstandsmitgliedern der Bruderschaften, Vereine und Gesellschaften gestellt. Auch die WP-Redaktion hat solche Anfragen bereits aus der Leserschaft erhalten. Vor allem die in einigen Festzügen mitgeführten Holzgewehre sind in die Kritik geraten.
Lesen Sie auch: Diebstahl in Brilon: Biergarten vermisst Stühle und Tische
Friede ernährt - Unfriede verzehrt
„Einige Vorstandsmitglieder von uns sind schon darauf angesprochen worden, ob das noch zeitgemäß sei“, sagt der Schriftführer der Briloner St.-Hubertus-Schützenbruderschaft Roland Bunse und ergänzt: „Dabei sind die Holzgewehre zum Zeichen der friedlichen Absicht mit einer Blume geschmückt.“ Letztlich sei der Schützenumzug ja auch kein militärischer Akt, sondern ein Zeichen dafür, die Werte von Glaube, Sitte und Heimat zu verteidigen. Dieser Wahlspruch ziere so ziemlich jede Schützenfahne, die im Festzug mitgeführt werde. Eine wesentlich wichtigere Botschaft in der heutigen brutalen Zeit sei der zweite Wahlspruch auf den Fahnen: „Friede ernährt – Unfriede verzehrt“. Das besage eigentlich alles, wofür die Schützen heute stehen, so Brilons Schriftführer.
An Kreisoberst Rüdiger Eppner (Hallenberg) sind Forderungen zum Verzicht von Gewehren in Festzügen noch nicht herangetragen worden. Auch er unterstreicht deutlich den friedlichen Charakter des Schützenwesens. Kriege habe es leider immer wieder und viel zu oft gegeben. Und die Situation in der Ukraine sei schrecklich. Keinesfalls wolle man bei Menschen, die zum Beispiel jetzt hier als Flüchtlinge leben, beim Anblick von Gewehren Ängste auslösen. Wenn jemand daran tatsächlich Anstoß nähme, müsse man neu überlegen und gegebenenfalls reagieren. Das Gewehr habe aber hier aber eine ganz andere Bedeutung.
Lesen Sie auch: Warum bei der Briloner Schnade alle zur Flasche greifen
Holzgewehre sind unverzichtbar
Ähnlich wie im Hallenberger und Winterberger Stadtgebiet werden aber auch im Stadtverbund Medebach längst keine Holzgewehre mehr mitgeführt, so Manfred Gerbracht (Düdinghausen). Er besucht als Kreisschießmeister regelmäßig die Schützenfeste im Altkreis. Dagegen gibt es im Raum Marsberg noch ein paar Vereine, weiß Kreisjugendsprecher Sascha Trippke für dessen Heimatverein St. Magnus Niedermarsberg das Holzgewehr im Festzug am Sonntag und auch am Montag einfach unverzichtbar ist. Nicht nur bei den Brilonern, sondern auch bei rund der Hälfte der 19 Vereine und Bruderschaften des Stadtverbundes der alten Hansestadt gehört das Holzgewehr zur Grundausstattung eines jeden Schützenbruders, wie zum Beispiel in Thülen.
Dort bezieht der 1. Vorsitzende der St.-Hubertus Schützen, Uwe Kemmerling, deutlich Stellung zum Für und Wider von Holzgewehren: „Wer Schützenfest und Holzgewehre mit dem Ukraine-Krieg in Zusammenhang bringt, hat den Sinn des Schützenwesens nicht verstanden.“ Beim Schützenwesen gehe es einzig und alleine um den Erhalt alten Brauchtums. Und das hätten sich die Schützen auch auf ihre Fahnen geschrieben. Allein schon die bunte Blume am Holzgewehr beweise die friedliche Absicht eines jeden Schützenbruders.
Lesen Sie auch:Olsberg: Mann erpresst Frau (22) mit Nacktfotos
Der Stadtverbund Olsberg sei mit diesem Thema bisher noch nicht konfrontiert worden, so Dominik Flügge von der Schützenbruderschaft St. Sebastian Bigge, die derzeit den Vorsitz im Stadtverbund innehat. Ohnehin wird das Holzgewehr im Raum Olsberg in den meisten Bruderschaften kaum noch geschultert. Nicht so die St.-Liborius-Schützen in Assinghausen, wo allerdings noch niemand am Festhalten dieser alten Tradition Anstoß genommen hat, wie der 1. Vorsitzende und Hauptmann Sebastian Klüppel, bestätigt. Wie es aussieht, möchte kaum einer der Verantwortlichen im Kreisvorstand, in den Stadtverbünden oder auch der Vereinsvorsitzenden an den alten Traditionen und Bräuchen rütteln. Denn der Leitsatz: „Glaube – Sitte – Heimat“ hat besonders im Schützenwesen noch immer einen mehr als hohen Stellenwert.