Hochsauerland. Der Ukrainekrieg erschüttert unser Sicherheitsgefühl. Ist das der Grund, dass mehr Kleine Waffenschein im HSK beantragt werden? Zahlen und Fakten
Die schrecklichen Kriegsbilder aus der Ukraine machen Angst: Mit einer Schreckschuss-Pistole oder einer Gaswaffe könnte man sich im Falle einer Eskalation wohl nicht wirklich damit schützen. Dennoch fühlen sich offenbar 2734 Bürger im HSK generell sicherer damit. Denn so viele Über-18-Jährige sind im Besitz eines „Kleinen Waffenscheins“. Der Blick in die Statistik zeigt: Die Tendenz steigt. Gesamtzahlen aus den vergangenen 20 Jahren liegen zwar nicht vor. Aber allein bis Mitte 2019 stieg sie auf 2439; Stand heute sind es seitdem noch mal 295 mehr geworden.
Tendenz steigend
Landesweit besaßen zum vergangenen Jahresende rund 181.000 Menschen einen Kleinen Waffenschein – 6328 mehr als im Jahr zuvor. Auch bundesweit stieg die Zahl: von 469.700 im Jahr 2016 auf mehr als 700.000 Ende 2021. Da für die Beantragung eines Kleinen Waffenscheins keine Gründe angegeben werden müssen, kann man darüber auch nur spekulieren: Angst vor Einbrüchen und Überfällen, aber auch Imponiergehabe dürften die häufigsten Beweggründe sein.
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„Jeder, der 18 Jahre alt ist, kann sich eine Schreckschuss,- Gas- oder Signalwaffe kaufen. Solange sie zu Hause gut gesichert aufbewahrt wird, braucht es dafür noch nicht einmal einen Waffenschein. Den braucht man allerdings für das Führen einer Waffe“, erklärt Polizeisprecher Volker Stracke auf Nachfrage unserer Zeitung. Denn bei der Kreispolizeibehörde müssen diese Scheine beantragt werden.
Nur für zu Hause
Unter Führen versteht man „die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Waffen“ also das „Bei-sich-Tragen von Waffen außerhalb der eigenen Wohnung, von Geschäftsräumen, dem eigenen befriedeten Besitztum oder einer Schießstätte“. Dabei ist es unerheblich, ob Munition mitgeführt wird. Für das pure Aufbewahren einer Gas-, Schreckschuss- oder Signalwaffe in der eigenen Wohnung ist keine waffenrechtliche Erlaubnis (Kleiner Waffenschein) erforderlich, ebenso nicht für den einmaligen Transport der ungeladenen Waffe nach dem Kauf zur eigenen Wohnung.
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Wichtig: Das Mitführen solcher sogenannter PTB-Waffen bei öffentlichen Veranstaltungen wie Demonstrationen, Versammlungen, Sportereignissen, Theater- oder Konzertbesuchen ist grundsätzlich verboten. Das gilt entgegen weitläufiger Meinung auch für das Schießen an Silvester/Neujahr.
Nur eine Person im HSK darf scharfe Waffen führen
Die Berechtigung zum Führen einer scharfen Waffe in der Öffentlichkeit unter Auflagen hat (mit Ausnahme der Polizei) aktuell im HSK nur eine einzige Person. Das können Tierärzte oder Personenschützer sein. Wer das ist, möchte die Polizei aus Datenschutzgründen nicht sagen.
Die Kriminalitätsrate im HSK ist sehr gering: 2021 sank die Anzahl der angezeigten Straftaten um 5,85 Prozent auf 11.709 Fälle. Das ist der niedrigste Wert der letzten 20 Jahre.
Einen regelrechten Waffen-Boom gab es übrigens im Sauerland 2016. Grund dafür waren die Ereignisse der Silvesternacht 2015 in Köln. Dort waren im Bereich von Hauptbahnhof und Dom hunderte Frauen sexuell bedrängt und angegriffen worden. Diese Vorfälle sorgten dafür, dass allein 2016 im HSK 683 dieser „Kleinen Waffenscheine“ ausgestellt wurden. In den Vorjahren war die Nachfrage um ein Vielfaches geringer (siehe Grafik).
Polizei: Den Schritt gut überlegen!
Die Polizei warnt aber auf ihrer Internetseite davor, dass so eine Waffe ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln kann. Dort heißt es: „Vor der Beantragung eines Kleinen Waffenscheins oder dem Erwerb einer Gas-, Schreckschuss- oder Signalwaffe sollte man sich fragen, ob man eine solche Waffe wirklich benötigt oder auch in der Öffentlichkeit tragen will. Denn das Mitführen birgt erhebliche Gefahren. Der Träger ist sich dessen oft nicht bewusst.“
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Polizeisprecher Volker Stracke zu der Problematik: „Die genannten Waffen sehen meistens wie scharfe Waffen aus. Das kann bei einem vermeintlichen Angreifer unter Umständen zu unkontrollierten Handlungen und zu einer Eskalation der Situation führen.“ Die Polizei warnt außerdem: Ungeübte Waffenträger können sich in extremen Stresssituationen selbst gefährden oder Unbeteiligte verletzen. Aus nächster Distanz können sie sich sogar lebensgefährlich verletzen. Beim Benutzen von Schreckschusswaffen mit Tränengaspatronen können Windrichtung und -stärke eine große Rolle spielen.
Alternativen suchen
Die Polizei rät: Wer für Notsituationen vorsorgen möchte, kann alternativ auf einen Schrillalarm zurückgreifen. Damit kann man weiträumig auf sich aufmerksam machen und Angreifer abschrecken oder in die Flucht schlagen. Weiter heißt es: „Denken Sie vielleicht über die Teilnahme an einem Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskurs nach. Und lernen Sie rechtzeitig Grenzen zu setzen sowie Strategien für Ausweichmöglichkeiten oder eine Gegenwehr zu entwickeln.“ Vielleicht hätte die große Politik Letzteres gegenüber dem russischen Regierungschef auch beherzigen sollen...