Winterberg. Hotelier Dirk Engemann räumt eine Etage für Kriegsflüchtlinge. „Unser Chef hat ein großes Herz“, sagt eine Mitarbeiterin vom Hotel Liebesglück.

Romantik-Urlaub im Grünen. Dafür steht das Vier-Sterne-Boutiquehotel Liebesglück in Winterberg. Seit Kurzem können hier 13 ukrainische Kriegsgeflüchtete aufatmen – nach einer traumatisierenden Flucht. Denn Dirk Engemann und sein Team stellen ihnen Zimmer und Verpflegung zur Verfügung. Für den Hotelier ist die Hilfe in der Not selbstverständlich. Zurück kommt eine Welle der Dankbarkeit und viel Anerkennung bei Mitarbeitenden und Gästen.

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Eine gesamte Etage steht den ukrainischen Neuankömmlingen zur Verfügung. Unter ihnen Kinder im Alter von fünf, sechs und 17 Jahren, sowie zwei kleine Babys. In diesen Tagen hängt Dirk Engemann mit ihnen Vogelhäuser an den Bäumen rund ums Hotel auf. „Wir sind ja eigentlich ein ‘only adults hotel‘“, sagt Dirk Engemann. Seine Hotelgäste habe er deshalb schon vorab informiert, dass eine kostenlose Stornierung möglich sei, falls sie der Kinderlärm störe. „Es hatten aber alle großes Verständnis“, so der Hotelier.

Vor Leid nicht die Augen verschließen

Der Plan, Geflüchtete aufzunehmen, sei schon vor Ausbruch des Krieges gefasst worden. Einer ukrainischen Mitarbeiterin hatte Dirk Engemann bereits zugesichert, Hotelzimmer für die zur Flucht gezwungenen Frauen und Kinder anzubieten, als sich der Konflikt politisch zuspitzte. „Unser Chef hat ein großes Herz“, sagt Mitarbeiterin Frida Scheknow, er könne vor Leid nicht die Augen verschließen.

„Und dann überschlugen sich schon die Ereignisse“, sagt der Hotelier. Nach der russischen Invasion sei es plötzlich nicht mehr so einfach gewesen, den Kontakt zu den Frauen herzustellen. „Es waren wirklich schlimme Tage, wo wir im Ungewissen waren: Wann können sie kommen, was passiert gerade, wo fallen Bomben?“

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Die Frauen, die sich in der Ukraine bereits kannten, weil ihre Ehemänner dort Arbeitskollegen sind, hätten allein 20 Stunden mit dem Zug bis nach Polen gebraucht. „Dabei hatten sie die ganze Zeit Angst, sich verstecken zu müssen“, erzählt Frida Scheknow. An der polnischen Grenze hätten sie stundenlang warten müssen. In Krakau konnten sie übernachten und einen Flug nach Dortmund buchen. Vom Flughafen aus aus ging es mit dem Zug weiter nach Winterberg. Um 21 Uhr konnte die erschöpfte Gruppe endlich vom Bahnhof abgeholt werden.

Einsatz geht weit über ihre normale Arbeitszeit hinaus

Im Hotel angekommen hatten Dirk Engemann und seine Frau schon die Zimmer und Abendessen vorbereitet. so Frida Scheknow. An diesem Abend hätten die Frauen erstmal kaum Worte über die Lippen gebracht: „Sie waren nur am weinen“, sagt Frida Scheknow – und gleichzeitig unfassbar dankbar nicht auf der Straße zu sitzen.

Am Ruhetag des Hotels übernahmen sie die Küche:ukrainische Geflüchtete im Hotel Liebesglück.
Am Ruhetag des Hotels übernahmen sie die Küche:ukrainische Geflüchtete im Hotel Liebesglück. © WP | Privat

Viele Tränen seien auch noch in den Tagen danach geflossen, erzählt Stephanie Hannemann, ebenfalls Mitarbeiterin im Hotel Liebesglück. Jeden Tag telefonierten die Frauen mit ihren Männern in der Ukraine. „Aber ich glaube sie sind schon mal ein Stückweit mehr angekommen und konnten etwas durchatmen.“ Es seien allesamt „wahnsinnig liebe Menschen, super freundlich“, sagt sie, „wir sind so froh, dass sie hier angekommen sind.“

Stephanie Hannemanns Einsatz geht seitdem weit über ihre normale Arbeitszeit hinaus. Plötzlich gehören zahlreiche Behördengänge zu ihrem Alltag. „Stephanie ist der heiße Draht zwischen Stadtverwaltung, Sozialamt und Dolmetschern“, so Dirk Engemann. Weil eins der ukrainischen Kinder krank war, sei sie an einem Tag abends noch ins Kinderkrankenhaus nach Arnsberg gefahren. Aktuell übernachte sie mehr im Hotel als bei sich zuhause. „Sie setzt sich wahnsinnig ein.“

Russischsprachige Mitarbeiter im Hotel Liebesglück

Klarer Vorteil für die Kommunikation: Die vielen russischsprachigen Mitarbeitenden im Hotel Liebesglück. Auch der Partner von Dirk Engemanns Tochter spricht Russisch. „Im Zweifel klappt es aber auch mit Händen und Füßen“, sagt Stephanie Hannemann. Hilfreiche Anlaufstellen in Siedlinghausen und Winterberg gebe es zum Glück viele, zum Beispiel Kleiderkammern, in denen sich die ukrainischen Frauen ausstatten konnten. „Es wurden aber auch viele Dinge vorbeigebracht“, sagt sie. „Ein Aufruf bei Facebook und gefühlt tausend Anrufe später hätten wir glaube ich 50 Kinderwagen haben können.“

Ihre große Dankbarkeit brachten die Frauen auch kulinarisch zum Ausdruck. Am Ruhetag des Hotels übernahmen sie die Küche: „ Sie haben für uns gekocht, ukrainisches Essen. Es gab Wein und es war ein richtig schöner Abend“, so Dirk Engemann. Egal was die Zukunft bringe, man bleibe auf jeden Fall in Kontakt: „Wir haben da schon echte Freunde gefunden.“ Für die nächste Zeit würden vor allem Wohnungen benötigt: „Sobald jemand etwas weiß, wäre das sehr hilfreich“ – und sei es nur für ein paar Monate. Natürlich gerne möbliert, sagt Stephanie Hannemann, „die Frauen möchten sobald es geht wieder zurück in ihre Heimat.“