Brilon. Der Blumenstein ist nicht mehr nur wegen der B7n in Brilon Thema. Im Forstausschuss gab es Verwunderung über dort vorgenommene Pflegearbeiten.

Vor kurzem haben am Großen Blumenstein bei Brilon wieder die Motorsägen geknattert, jetzt wimmern die Freischneider und Rauchfahnen ziehen die Kalkkuppe hoch. Ein Landschaftspflegetrupp der Biologischen Station Hochsauerland nimmt dort letzte Entbuschungsarbeiten vor. So richtig tabula rasa gemacht worden ist in dem Naturschutzgebiet in den vergangenen beiden Jahren bereits. Im Oktober 2020 hatte ein Lohnunternehmen dort Grund reingebracht - und zwar „großzügig“, wie Stephan Becker vom Stadtforstbetrieb jetzt im Forst- und Umweltausschuss sagte.

So sah 2015 der Blumenstein bei Brilon aus: dicht bewaldet. Forst und Naturschutz legen die Begriffe Wald und Gebüsch unterschiedlich aus. 
So sah 2015 der Blumenstein bei Brilon aus: dicht bewaldet. Forst und Naturschutz legen die Begriffe Wald und Gebüsch unterschiedlich aus.  © Unbekannt | Geoservice HSk

Das Thema aufs Tapet gebracht hatte Martin Kürmann, Pächter eines benachbarten Jagdreviers und als sachkundiges Mitglied im Ausschuss tätig. Was ihn und Jagdfreunde aufgebracht hat: Dass dort im vergangenen Frühjahr die Arbeiten bis weit in den April und damit in die Brut- und Setzzeit von Wild und Vögeln vorgenommen worden waren. Immerhin habe es dort Hasen, Rehwild, Elstern und eine Krähenkolonie gegeben: „Eine bodenlose Schandtat an der Umwelt. Jedem Privatmann wäre das teuer zu stehen gekommen.“

Über Ziel hinaus geschossen?

Eigentümer des nicht ganz zehn Hektar großen Naturschutz- und FFH-Gebietes ist das Land NRW. Und das habe sich, so Stephan Becker, wegen der Geländepflege an die Untere Naturschutzbehörde des Hochsauerlandkreises gewandt. Die wiederum habe die anstehenden Arbeiten an die Biologische Station delegiert und die hatte eine Fremdfirma damit beauftragt: „Das Resultat sehen wir im Moment.“

Landschaftsplan Briloner Hochfläche

Das Naturschutzgebiet Blumenstein ist 9,85 Hektar groß und gehört zu den insgesamt 32 unter FFH-Schutz stehenden Kalkkuppen.Zu den Auflagen gehört u.a. dass nicht mehr als zwei Großvieheinheiten pro Hektar dort gleichzeitig weiden dürfen.Der Große Blumenstein spielt bei der Trassenfindung der B7n eine Rolle.

Soweit bestätigt auch Robert Trappmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Biologischen Station den Vorgang. Aber: Das Unternehmen sei im Oktober 2020 nur für zwei Einsätze beauftragt gewesen und habe dabei vorwiegend Haselnuss und zwei etwa zehn bis 15 Meter hohe Weiden beseitigt.

Danach hätte der Landschaftstrupp der Biologischen Station an jeweils zwei Terminen im November und Dezember die Flächen aufgearbeitet - und an genau einem einzigen Tag im vergangenen Frühjahr „mit drei Freischneidern“ Restarbeiten erledigt. Das sei in der Tat am 30. April gewesen - und zwar „einen halben Tag“ lang, wie Rudolf Madweis, Landwirtschaftsmeister und Leiter des Landschaftspflegetrupps der Biologischen Station, gegenüber der WP sagte.

Wild keine „Zielart“

Dass es zwischen dem Naturschutz auf der einen und Forst und Jagd auf der anderen Seite Interessenkonflikte gibt, steht für beide außer Frage. Das fängt bei der Deutung von Begriffen wie Gebüsch und Wald an und reicht bis zur Bewertung des Tierbestandes. „Wild gehört nicht zu unseren Zielarten“, sagt Robert Trappmann: „Reh und Hase sind ja nicht bedroht.“ Für den Naturschutz relevant seien die sogenannten „Zeigerarten“, also Tiere und Pflanzen, die Wertigkeit und Charakter eines Biotops prägen. Dazu gehören Insekten, Reptilien und Vögel und Pflanzen wie hier Flechten, Moose, Orchideen oder das Sommerröschen

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Da haben die Briloner Kalkkuppen ein ganz exponierte Stellung - „Man kann sie mit den Dolomiten vergleichen, sie haben den gleichen Ursprung“, sagt Robert Trappmann.

Ohne Beweidung und die harte Arbeit der Bergbauern würde auch diese eindrucksvolle Alpenlandschaft verbuschen und verkommen. Am Blumenstein - so Trappmann - sei dazu ein „technischer Eingriff“ nötig.: „Das ist viel Arbeit, aber sie sie lohnt sich.“

Die großflächige Entfernung des Gehölzes komme dem thermophilen Lebensraum zugute. Der Boden nehme Wärme auf und sorge für ein besonderes Mikroklima. „Das hier ist wertvollste Kulturlandschaft“, sagt Robert Trappmann.

Brutrevier für den Neuntöter

Falls die verbusche, „verschwinden die Arten“, sagt auch Johannes Schröder vom Verein für Natur- und Vogelschutz im HSK (VNV). Das gilt auch für den Neuntöter, der sich langsam im Norden Afrikas auf den Flug ins Hochsauerland vorbereiten dürfte. Für den sei Gebüsch als Nistplatz wichtig, sagt Robert Trappmann: „Sobald das aber zu hoch wird, nimmt er es als Wald wahr und es geht damit als Bruthabitat verloren.“

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Gegenüber dem Zustand des 2008 in Kraft getretenen Landschaftsplans Briloner Hochfläche hat sich am Blumenstein einiges verändert. In der Vergangenheit, so berichten die Mitarbeiter der Biologischen Station, habe man bei der Unteren Landschaftsbehörde gelegentlich eine Ausnahmegenehmigung eingeholt, um auch noch in die Brut- und Setzzeit hinein nicht geschaffte Pflegearbeiten zu erledigen. Für Martin Kürmann und weitere Anrainer ist bei allen Erklärungen der Biologischen Station das, was am Großen Blumenstein geschehen ist, ein „sehr radikaler Eingriff in die Natur. Aber das müssen wir wohl hinnehmen.“