Olsberg. Aus Tadschikistan zur Dachdecker-Ausbildung ins Sauerland. Zwei junge Männer erzählen, auf welch ungewöhnlichem Weg es dazu gekommen ist:

Das Internet macht’s möglich: Shohin Bobojonvo hatte im fernen Tadschikistan erfahren, dass der Olsberger Dachdecker-Fachbetrieb Jedamzik Azubis sucht. Das brachte ihn auf eine Idee, die zunächst verrückt klang, aber am Ende erfolgreich war. Inzwischen ist der 22-Jährige im zweiten Lehrjahr und konnte im Sommer dieses Jahres einen Freund als Ausbildungs-Kollegen in Olsberg begrüßen.

Win-Win-Situation

Senior- und Juniorchef des Sauerländer Handwerksbetriebs Jedamzik freuen sich, dass sie durch die ungewöhnliche Aktion zwei Auszubildende bekommen haben, mit denen sie sehr zufrieden sind: „Wir sind froh, dass die beiden bei uns ihre Ausbildung machen und hoffen, dass sie uns auch später als Gesellen erhalten bleiben“, sagt Firmen-Inhaber Dirk Jedamzik. Er freut sich, dass sein Sohn Daniel sich so dafür eingesetzt hat, dass die beiden Tadschiken in ihrem Betrieb tatsächlich eine Lehre beginnen konnte.

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Bürokratische Hürden

Denn von der Bewerbung bis zum Ausbildungsvertrag war es ein langer Weg, auf dem es jede Menge bürokratische Hürden gab. Daniel Jedamzik erzählt, dass Shohin Bobojonvo sich im Dezember 2019 beworben hatte, im Oktober 2020 war es dann endlich soweit: Der junge Mann konnte nach Deutschland einreisen und seine Ausbildung starten. Vorher mussten aber viele Dinge erledigt werden: So musste zum Beispiel ein fester Wohnsitz für den Azubi vorhanden sein, ein Visum beantragt werden und ausreichende Deutschkenntnisse nachgewiesen werden.

Sprachtest bestanden

„Die Kreishandwerkerschaft und die Handwerkskammer haben uns dabei beraten und unterstützt. Sie hatten allerdings auch noch nicht viel Erfahrung auf dem Gebiet“, erklärt Daniel Jedamzik. Zugute kam Shohin und später auch seinem Kollegen Bahrillo Subhonqulov, dass sie in ihrer Heimat gemeinsam Deutsch und Religionswissenschaften studiert hatten. Sie erzählen, dass sie dadurch zumindest schon Grundkenntnisse der deutschen Sprache hatten und das erforderliche Sprachlevel bei einem Test in der Deutschen Botschaft erfolgreich bestehen konnten.

Betrieb übers Internet entdeckt

Shohin Bobojonvo, dessen Bruder schon in Bigge wohnte, war beim Surfen im Internet auf einen Beitrag über die Ausbildungsbörse der Städte Brilon und Olsberg gestoßen. Und da er in seiner Heimat bereits erste Erfahrungen mit der Arbeit als Dachdecker-Helfer gemacht hatte, stand der Entschluss schnell fest, sich mehr als 5000 Kilometer fern der Heimat zu bewerben. Der 22-Jährige erzählt, dass es eine vergleichbare Ausbildung in Tadschikistan nicht gibt. „Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. Ich bin froh, dass ich nach Deutschland gegangen bin“, sagt der junge Mann. Und da ihm die Arbeit so gut gefiel, vermittelte er seinem Arbeitgeber schon kurze Zeit später einen zweiten Azubi: Bahrillo Subhonqulov.

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Bei der Arbeit immer ganz oben

Die beiden Tadschiken stammen beide aus kleinen Orten und haben sich durch ihr Studium in der Hauptstadt Duschanbe kennen gelernt. Auch Bahrillo hatte den Dachdeckerberuf bereits vorher bei einem Arbeitsaufenthalt in Russland kennengelernt. Er sagt: „Der Beruf macht mir Spaß.“ Auf Nachfrage räumt er ein: „Ja, natürlich ist es besser, wenn das Wetter gut ist.“ Und sein Kollege ergänzt: „Am besten ist, dass wir bei der Arbeit immer ganz oben sind.“ Das heißt: Viele gute Aussichten gibt es quasi kostenlos dazu.

Weit weg von der Heimat

Trotzdem ist es für die beiden 22-Jährigen natürlich nicht immer leicht, so weit weg von Zuhause zu leben und zu arbeiten. Deshalb versuchen sie, den Kontakt zur Familie - so gut es geht - zumindest über das Internet zu halten. Bahrillo Subhonqulov erzählt: „Hier in Deutschland ist alles komplett anders als bei uns zu Hause, aber es gefällt uns hier sehr gut.“ Für die nächsten Tage haben sich die beiden jungen Männer übrigens einen besonderen Ausflug vorgenommen, der ihnen ein Stück Heimatgefühl vermitteln soll: Sie wollen in einem tadschikischen Restaurant in Köln essen und freuen sich schon auf die leckeren Sachen, die dort auf der Speisekarte stehen - zum Beispiel Teigtaschen gefüllt mit Rindfleisch oder „Plow“, ein traditionelles Reisgericht. Aber auch in der deutschen Küche haben die beiden, die kein Schweinefleisch essen, inzwischen einige Leckereien entdeckt - beispielsweise Rindersteaks oder Gänsebraten.

Familienbetrieb 1988 gegründet

Insgesamt hat der Olsberger Familienbetrieb zwölf Mitarbeiter. In der Firma, die 1988 von Dirk Jedamzik gegründet wurde, gibt es heute drei Meister und noch zwei weitere Dachdecker-Auszubildende. Juniorchef Daniel Jedamzik berichtet, dass es heute gar nicht so einfach sei, junge Leute zu finden, die eine Lehre im Dachdecker-Handwerk machen möchten. Sein Vater erinnert sich, dass das in den 80er und 90er Jahren noch ganz anders gewesen ist: „Wir hatten früher jedes Jahr 25 bis 30 Bewerbungen. Heute ist es genau umgekehrt: Wir müssen uns als Firma praktisch bewerben, damit wir Azubis bekommen.“ Er kritisiert, dass das Handwerk von der Politik lange nicht mehr richtig geschätzt worden sei.

Um so mehr wünschen sich die Jedamziks, dass die beiden Azubis aus Tadschikistan auch über die Ausbildung hinaus in ihrem Betrieb mitarbeiten können. Der Juniorchef sagt: „Dann hat sich der ganze Aufwand für uns gelohnt.“

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