Brilon/Olsberg. Soll man in diesen Corona-Tagen eine Tanzveranstaltung machen? Die Tanzwerkstatt Olsberg sagt „Ja!“ und überlässt nichts dem Zufall.
Tanzen oder nicht tanzen? Alle Proben für die Katz? Wieder ein Sieg von Corona über Kunst und Kultur? Davina Sauer hat mit sich gerungen. Soll sie mit ihrer Tanzwerkstatt das Programm „Freunde & Flausen“ auf die Bretter des Briloner Kolpinghauses bringen oder nicht? Hätte sie dieses Mit-Sich-Ringen vertanzt, wäre es ein einziger Knoten von Armen und Beinen geworden. Kopf oben, Kopf unten, Kopf im Sand, Füße in der Luft, Fäuste gen Himmel. Jetzt ist die Entscheidung gefallen. „Es war schwierig und am Ende sagte der Kopf: ,Es ist okay, dem Bauch zu folgen.“
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Besser kann man das nicht beschreiben. An diesem Samstag um 16.30 Uhr (ausverkauft) und um 19 Uhr (gibt noch Karten) wird im Kolpinghaus Brilon getanzt, gesungen, gesprochen, gestaunt, gelacht und 75 Minuten ohne Pause mal nicht an Corona gedacht. Die Tanzgruppen und die Tanzwerkstatt von Davina Sauer hat es in der Pandemie besonders hart getroffen. Bewegung im Innenraum zur Musik: ein No go! Daher stauten sich nicht nur bei den Jüngeren in der vergangenen Woche die ersten Tränen an, als die Veranstaltung nach wochenlangen Proben auf der Kippe stand.
„Ich bin mir der Verantwortung bewusst, in dieser Zeit eine Veranstaltung durchzuführen. Hätten wir resigniert, wäre das ein Zeichen dafür, dass man eigentlich gar nichts mehr planen kann. Und jetzt, wo wir es durchziehen, gibt es vermutlich auch Stimmen, die sagen: Muss das ausgerechnet jetzt sein?“, philosophiert Davina Sauer. Aber sie ist davon überzeugt: Es muss!
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Schon in den allerersten Überlegungen und Planungen hatte sie entschieden, die Vorstellungen deutlich kleiner zu veranstalten, um alles zu entzerren. Alle Aktiven ab 16 Jahren erfüllen nun 2G+, und auch die Kindergruppen kommen frisch getestet ins Bürgerzentrum. Für alle Zuschauer ab 16 Jahren gilt 2G+ (Nachweis/Ausweis bitte am Eingang bereithalten), maximal 160 Leute kommen pro Veranstaltung bei moderner Belüftungsanlage und Maskenpflicht (auch für die unter 16-Jährigen) in den Saal. Mehr kann man nicht machen – außer man macht nichts.
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„Die Tanzfamilien aus Siedlinghausen haben sogar mit ihrem Hausarzt klargemacht, dass er eine Stunde extra für Tänzerinnen und Zuschauer der Vorstellung seine Praxis zum Testen öffnet. Solche Aktionen rühren mich echt noch mal durch“, sagt die Tanzpädagogin. Alle zwei Jahre lädt die Tanzwerkstatt von Davina Sauer aus Olsberg zu einer - nennen wir es Tanz-Gala - ein. Es ist die Neunte. Davina spricht bescheiden von „Tanzwerkstatt-Vorstellung“. Aber Schülerinnen und Gruppen der Tanzpädagogin vertanzen an diesem Tag nicht nur einfach ihr Repertoire. Jedes Mal steckt sehr viel Herzblut und Persönliches in den Darbietungen.
Vor zwei Jahren ging es thematisch auf Kreuzfahrt. „Diesmal gibt es eigentlich gar keinen richtigen roten Faden wie sonst“, sagt die 44-Jährige. Es sei denn, man beobachtet die Gruppen, wie sie Frust, Freude und Hoffnung in einer surrealen Zeit von Lockdowns und Lockerungen in Schritte, Bewegungen und Körpersprache umsetzen.
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Persönliches
„Tanz, Gesang und die kleinen Geschichten dieser Vorstellung sind wie ein kleines Tagebuch der vergangenen zwei Jahre. Bei allen Hochs und Tiefs trotzdem voller Optimismus, Freude an den schönen Dingen und einem Auge für die komischen Momente in jeder Situation“, sagt Davina. Erstmals stellt sie an diesen Nachmittag/Abend Texte aus ihrem persönlichen Blog vor. Nach einem Poetry-Slam-Workshop hat sie ein Ventil für ihre unbändige Lust an Sprache entdeckt und schreibt unter dem Motto „Texte aus der Provinz“ ihre „LandMausFlausen“, bei denen sich viele an die Stirn tippen und schmunzelnd denken: Kenne ich auch, geht mir genauso.
45 Jugendliche und Erwachsene, drei ältere Kindergruppen ab 5. Schuljahr und der Chor „Abgestimmt“ fiebern nun dem Samstag entgegen. Auch wenn das Motto weniger konkret ist als das Thema „Kreuzfahrten“ vor zwei Jahren: es geht auch diesmal darum, den Blick in die Ferne zu richten, sich treiben und unterhalten zu lassen - trotz Corona und wie auf einem Schiff, das momentan durch unruhige Gewässer schippern muss.