Brilon/Olsberg. „Ich bin kein krummer Hund“, sagt der Briloner (74). Fast die Hälfte des Lebens saß er im Knast. Nun muss er wieder dorthin und versteht es nicht
Mehr als 30 seiner 74 Lebensjahre hat er hinter Gittern verbracht. Am Donnerstag kamen vier weitere hinzu. Die kassierte der in den kurzen Phasen der Freiheit im Raum Olsberg und Brilon lebende vitale Senior einmal mehr für eine ganze Reihe von Betrugsdelikten.
„Andere können sich in Ihrem Alter zurücklehnen“, sagte Vorsitzender Richter Michael Neumann, der sich gemeinsam mit den beiden Schöffen „viele Gedanken gemacht“ hatte, was den Angeklagten wohl vor langer Zeit „in die falsche Bahn gelenkt“ haben möge. Denn dazu hatten weder seine ausführlichen Einlassungen zur Person zu Beginn der Verhandlung etwas beitragen können noch das gut eine halbe Stunde dauernde „Letzte Wort“ zum Schluss. Dabei weiß sich der 74-Jährige eloquent zu präsentieren, seine wachen Augen zeigen Präsenz.
33 Vorstrafen angesammelt
Nach einem Arbeitsunfall habe er seine Lehre als Kfz-Mechaniker wegen eines bleibenden Wirbelsäulenschadens aufgeben müssen, danach habe er bei verschiedenen Unternehmen angeheuert und sei in den Handel mit Baumaschinen eingestiegen, erzählte er. Als auch noch seine Ehe kaputt gegangen sei und sich seine beiden Kinder von ihm losgesagt haben, sei alles „ein bisschen hektisch“ geworden.
Plädoyers: Vier Jahre Haft contra Freispruch
Die Staatsanwältin forderte für die sechs Fälle von gewerbsmäßigem Betrug, einen versuchten Betrug und die Unterschlagung eine Haftstrafe von vier Jahren.Der Verteidiger sagte, dass die Vorfälle jeweils „noch unterhalb der Grenze der Erfüllung einer Straftat“ lägen und plädierte auf Freispruch.
Insgesamt 33 Einträge weist das Bundeszentralregister für den 74-Jährigen aus. Im Frühjahr 2019 hatte er bis auf den letzten Tag die jüngste Strafe von zwei Jahren und acht Monaten abgesessen. Danach stand er unter Führungsaufsicht. Bis zur Gesetzesreform 2010, so Staatsanwältin Westermeyer, sei für notorische Betrüger wie den Angeklagten längst eine Sicherungsverwahrung angeordnet worden.
Firmenlogos von Radlader entfernt
Jedenfalls kaum wieder auf freiem Fuß, sammelten sich die Delikte an, die im Juni diesen Jahres zur Festnahme und gestern zur Verhandlung führten. Insgesamt elf Anklagepunkte führte die Staatsanwältin auf. Da bezahlte der 74-Jährige einen Elektriker nicht, der eine ihm überlassene Wohnung wieder ans Stromnetz anschließen sollte, eine Entsorgungsfirma blieb auf den Kosten für einen Schuttcontainer sitzen, bei zwei Baumaschinenhändler lieh er Radlader aus, blieb aber die Zahlungen ganz bzw. teilweise schuldig. In einem Fall entfernte er sogar die aufgeklebten Firmenlogos – für die Vermieterin und das Gericht ein eindeutiges Indiz, dass der Angeklagte das Fahrzeug verscherbeln wollte. Das sei, klärte die Branchen-Kennerin das darob doch etwas erstaunte Gericht auf, ohne weiteres möglich; Fahrzeugpapiere im klassischen Sinn gebe es nicht.
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Autohaus verzichtet auf Bonitätsprüfung
Bei einem Autohandel mietete der Angeklagte für einen Tag einen Transporter, und weil der ihm so gut gefiel, bestellte er für 38.900 Euro gleich einen neuen. Vereinbarter Zahlungsmodus: bar oder per Überweisung. Deshalb habe man auf die sonst übliche Bonitätsprüfung verzichtet, sagte der Geschäftsführer. Ein Vermögensschaden entstand dem Autohaus jedoch nicht. Es lieferte das Fahrzeug ohne Bezahlung natürlich nicht aus, sondern nahm es in seine Mietflotte. Immerhin wertete das Gericht dies als versuchten Betrug.
Weil einige Zeugen nicht erschienen waren, stellte das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Anklage wegen nicht gezahlter Wohnungsmiete von 6375 Euro ebenso ein wie den Betrugsvorwurf an einer Telefongesellschaft. Dabei ging es um offene 419,49 Euro. Unter den Tisch fallen ließ das Gericht auch die nicht bezahlte Rechnung über den Druck von 500 Broschüren für einen geplanten Holzhaushandel.
Verteidiger: „Einiges nicht richtig durchdacht.“
Für den Angeklagten waren die Ungereimtheiten eine Verkettung von Missverständnissen, seiner Meinung nach wegen Mängeln berechtigter, aber strittiger Zahlungsrückhaltungen und von ihm mit zu verantwortenden Schludrigkeiten: „Ich habe Rechtsgeschäfte gemacht. Dass dabei was schief ging, liegt nicht an mir alleine.“
Sein Mandant, sagte Verteidiger Ferkinghoff, habe versucht, sich eine Existenz aufzubauen, nachdem er mit leeren Taschen aus der Haft kam. Er habe den Eindruck, dass er „dabei einiges nicht richtig durchdacht“ habe.
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„Ich bin kein krummer Hund, wie das hier dargestellt wird“, sagte der 74-Jährige: „Wieder einsperren bringt nichts. Das zeigt die Statistik.“ Davon ließ sich das Gericht in der über siebenstündigen Verhandlung aber nicht beirren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.