Brilon. Ein Schnäppchen ist das Haus Sauvigny in Brilon nicht gerade. Hier nächtigte ein König auf der Flucht und hier wuchs Friedrich Merz auf.

Es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben. Nach einer für 790.000 Euro - inklusive 140.000-Euro-Einbauküche - angebotenen Penthouse-Wohnung steht nun inBrilonmitten in der Stadt ein Zwei-Millionen-Objekt zum Kauf: das Haus Sauvigny, ein wirtschafts- und kulturhistorisches Kleinod von besonderem Rang. In wenigen Tagen, am 27. Oktober, ist es 208 Jahre her, dass König Jerome Bonaparte, der jüngste Bruder von Napoleon I. und Regent des kurzlebigen Königreichs Westfalen, nach der legendären Völkerschlacht von Leipzig auf der Flucht nach Paris dort die Nacht verbrachte. Für eine aktuelle Person der Zeitgeschichte ist es das Elternhaus: der CDU-Politiker Friedrich Merz wuchs darin auf.

So wird das Haus Sauvigny - bzw. das ganze 2183 qm große Ensemble - zum Kauf angeboten.
So wird das Haus Sauvigny - bzw. das ganze 2183 qm große Ensemble - zum Kauf angeboten. © Scrrenshot Immonet

Nach neun Generationen in Familienbesitz gelangt das spätbarocke Anwesen nun in neue Hände. Vorweg: Wer so viel Geld für eine Immobilie auf den Tisch legt und dort einzieht, darf sich besonders sicher fühlen. Seit 1982 steht das Gebäude auf der Schutzliste der „Haager Konvention“, dem internationalen Register zur Bewahrung von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten.

Spekulationen sprießen

Für 1,89 Millionen Euro plus 228.123 Euro Kaufnebenkosten bietet ein Makler aus Arnsberg die „historische Villa mit Nebengebäuden und großem Grundstück“ an. Interesse ist offenbar vorhanden. Auf dem Immobilien-Portal im Internet trägt die Anzeige bereits den Vermerk „Reserviert!“ - und in Brilon sprießen deshalb natürlich schon die Gerüchte...

Das Verkaufspaket besteht aus weit mehr als nur dem stattlichen Palais. Das Grundstück ist 2183 Quadratmeter groß und umfasst neben dem dreigeschossigen Stammhaus aus dem Jahr 1752 die im Steinweg angrenzende ehemalige Scheune sowie die sich in der Friedrichstraße hinunterziehende Ladenzeile mit einer Buchhandlung, einer Apotheke und der Stadtschänke.

Hausgeschichte

Bauherr des Stammhauses und der Nebengebäude war 1752 Adam Eberhard Ulrich.

1865 erbte Caroline Sauvigny geb. Ulrich das Haus von ihrem unverheirateten Bruder Peter, einem Urenkel des Erbauers; damit änderte sich der Name des Hauses.

Ihr Enkelsohn Josef Paul Sauvigny (1875 - 1967) war von 1917 bis 1937 Bürgermeister der Stadt Brilon und ist der Großvater von Friedrich Merz.

In dem Haus betrieb Clara Füchtmeier-Sauvigny eine von ihrem Sohn Felix Füchtmeier weitergeführte Rechtsanwaltskanzlei und ihr in diesem Jahr verstorbener Gatte Dr. med. Theo Füchtmeier eine Arztpraxis.

Mitte des 19. Jahrhunderts war im Parterre des Hauses das Königlich-Preußische Postamt untergebracht und im Nebengebäude die Pferde-Wechselstation.

Was dem Passanten verborgen bleibt: Hinter und über diesem geschäftlich genutzten Trakt befindet sich ein weitläufiger, prächtiger, rund 900 qm großer Garten - mit Busch- und Baumbestand, einem Teich und einem ebenfalls historischen Gartenpavillon mit einer barocken Schieferhaube. Knapp die Hälfte der Grünfläche ist als Dachgarten über den Ladenlokalen angelegt.

„Ein Monument für die erfolgreiche Geschichte der Sauerländer Wirtschaftsbürger.“

Für Carsten Schlömer, den Leiter des benachbarten Stadtmuseums Haus Hövener, ist das Haus Sauvigny „ein Monument für die erfolgreiche Geschichte der Sauerländer Wirtschaftsbürger“. Unternehmerfamilien im Montansektor der frühen Neuzeit und Vormoderne „prägten die Stadt, schufen Denkmäler und lenkten die Geschicke Brilons“.

Eine doppelläufige Freitreppe mit einem schmiedeeisernen Geländer führt zu dem repräsentativen Portal des Hauses Sauvigny.
Eine doppelläufige Freitreppe mit einem schmiedeeisernen Geländer führt zu dem repräsentativen Portal des Hauses Sauvigny. © Jürgen Hendrichs

Dazu gehörte die Familie Ulrich, die mehrere Güter bewirtschaftete und erfolgreich Hammer- und Eisenwerke, wie die Theodorshütte im ehemaligen Kloster Bredelar, betrieb. Adam Eberhard Ulrich (1695 - 1754) gab den Bau des Stadtpalais in Auftrag. Es stammt, so die Inschrift auf dem Schlussstein neben dem Kellereingang im Garten, aus dem Jahr 1752. Als Baumeister gilt Johann Matthias Kitz, der u.a. von 1763 bis 1778 das Bad Arolser Schloss gebaut und 1755 der baufälligen Fassade des Briloner Rathauses ihr heutiges Aussehen gab.

Geschwister bilden Eigentümer-GbR

Das Stammhaus ist ein Flächenriese. Das rund 23 mal 14 Meter große Stammhaus ist aus Bruchstein gemauert, hat zwei Etagen und ein dreigeschossiges Mansarddach. Zu dem historischen Ensemble gehören die ehemalige Scheune im Steinweg, in dem bis vor einigen Jahren eine Arztpraxis, ein Modehaus und Beratungsstellen der Caritas untergebracht waren, die in der Friedrichstraße erbaute Remise, in der sich heute eine Buchhandlung befindet, sowie das Gartenhaus.

Zum Haus Sauvigny gehört auch diese ehemalige Scheune. Dort waren u.a. ein Modegeschäft, eine Arztpraxis und Beratungsstellen der Caritas untergebracht,
Zum Haus Sauvigny gehört auch diese ehemalige Scheune. Dort waren u.a. ein Modegeschäft, eine Arztpraxis und Beratungsstellen der Caritas untergebracht, © Jürgen Hendrichs

Wegen seines, so das Denkmalamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, zur WP, „für Westfalen historisch und gestalterisch hervorgehobenen Ranges“ sei das Gebäude auch in den „Dehio“, das - so der LWL - „wichtigste deutsche Nachschlagwerk der Denkmalpflege“ aufgenommen worden.

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Das Haus sei ein „sehr wichtiges Zeugnis“ dafür, dass Brilon dank zahlreicher Berg-, Hütten- und Hammerwerke im Umland mindestens vom 14. bis in das 18. Jahrhundert hinein „ein blühendes Zentrum“ von Bergbau und Eisenherstellung war und „daraus seine heutige Stärke erwuchs“. Das kann Winfried Dickel, Vorsitzender des Briloner Heimatbundes Semper Idem und der Stiftung Briloner Eisenberg und Gewerke, dem Trägerverein des Stadtmuseums, nur unterstreichen. Das Haus Sauvigny symbolisiere den Ausgangspunkt „für die Prosperität der Stadt.“

In neunter Generation Eigentümer des Anwesen ist eine aus den drei Geschwistern Füchtmeier bestehende GbR. Von denen lebt und arbeitet allerdings nur Rechtsanwalt Felix Füchtmeier selbst in dem Stammhaus; andere Bereiche des Bau-Ensembles sind vermietet oder stehen derzeit leer. Für den künftigen Eigentümer, so Felix Füchtmeier zur WP, komme es vor allem darauf an, ein Nutzungskonzept vor allem für das Stammhaus und die ehemalige Scheune im Steinweg zu erstellen. Die dort vorhandenen 622 qm stehen leer, allmählich mehr und mehr von Efeu überrankte Schilder verweisen auf einige der letzten Mieter. „Hier macht ggf. eine Umnutzung zu Wohnraum Sinn“, heißt es in dem Verkaufs-Exposé. Die Geschäftseinheiten - insgesamt 464 qm Fläche - in der Friedrichstraße seien „alle langjährig vermietet“.

Denkmalpflege redet mit

„Auf einen Verkauf des Hauses hat die LWL-Denkmalpflege keinen Einfluss“, heißt es aus Münster. Allerdings muss dem Käufer die Denkmaleigenschaft mitgeteilt werden. „Mit dem Eigentümerwechsel eventuell beabsichtigte Nutzungsänderungen oder Baumaßnahmen“, so der LWL weiter zur WP, würden „natürlich ebenfalls von der Unteren Denkmalbehörde der Kommune und der LWL-Denkmalpflege beraten“.

Eines steht fest: Brilon ist gespannt - auf den Käufer und auf das Konzept.