Brilon. Der Neubau des Kirchturms in Brilon wird auf Eis gelegt. Jetzt wird der Innenraum komplett neu geplant. Gerechnet wird auch mit Kritik.

„Wir bauen eine neue Kirche“. Die Sanierung ihrer Stadtkirche und den damit verbundenen Abriss des maroden Kirchturms, will die evangelische Gemeinde Brilon nutzen, um sie auch mit zahlreichen neuen Angeboten zukunftsfähig zu gestalten.

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Mehr als nur Gottesdienste

Dass das Projekt „Neue Kirche“ nicht nur eine bauliche Maßnahme ist sondern es auch um Inhalte geht, erläuterten Pfarrer Rainer Müller, die Presbyter Claudia Bork-Thiel und Benedikt Meckel sowie Mitarbeiterin Marie Kretzschmar am runden Tisch bei einer Tasse Kaffee vor dem Altar der Stadtkirche. Schon dieses Ambiente machte deutlich, wohin der Weg führen soll und dass eine Kirche mehr sein kann, als ein Gebäude in dem Gottesdienste abgehalten werden. Man wolle sich nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich neu aufstellen, betont Pfarrer Müller und fügt hinzu: „Das gehe nicht von selbst“.

Am Reformationstag – 31. Oktober – wird das Projekt den Gemeindemitgliedern vorgestellt, so Pfarrer Rainer Müller, der sich klar darüber ist, dass der Titel reichlich provokant klingt und schon im Vorfeld für jede Menge Diskussionsstoff sorgen wird. Gerade bei der älteren Generation dürfte das, was das Presbyterium und die Arbeitsgruppen bei einer Bestandsaufnahme erarbeitet hat und als Handlungsfelder vorschlagen, vielleicht nicht sofort überall auf Begeisterung stoßen. So sollen unteren anderem die Bänke nicht mehr wie bisher hintereinander stehen. Vielmehr werden sie so gruppiert, dass sich die Gläubigen gegenüber sitzen. Claudia Bork-Thiel: „Wir wollen ja den Gottesdienst gemeinsam feiern“. Auch das Podest am Altar wird verschwinden, so dass der gesamte Raum eine einzige Ebene bildet. Außerdem ist geplant, das Taufbecken mehr im Mittelpunkt der Kirche zu positionieren.

Die evangelische Stadtkirche in Brilon.
Die evangelische Stadtkirche in Brilon. © Joachim Aue | Joachim Aue

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Kein neuer Kirchturm

Bekanntermaßen muss ja der Kirchturm (erbaut 1921-23) wegen erheblicher Bauschäden abgerissen werden und an einen Wiederaufbau ist aus finanziellen Gründen nicht zu denken. Auch für die Sanierung des Kirchenschiffsraums ist die Gemeinde noch auf Spenden angewiesen, denn die Eigenmittel und das aufzunehmende Darlehen reichen nicht aus. Während die Planungen weitgehend abgeschlossen sind, wartet die Gemeinde jetzt auf die Genehmigung um die nächsten Schritte einleiten zu können. Allerdings ohne den Bau eines Kirchturms, denn der müsse so lange warten, bis man sich ihn leisten könne, auch wenn er für das Stadtbild wünschenswert wäre, so Pfarrer Rainer Müller.

Für Claudia Bork-Thiel und auch Marie Kretzschmar ist die evangelische Kirchengemeinde heute ebenso lebendig wie selbstbewusst und noch immer eine Energiequelle des Glaubens. Hier lohne es sich auf Bewährtem aufzubauen sowie Neues anzubieten und zu entdecken. Wenn auch die Kirche weiterhin der Mittelpunkt der Begegnung bleiben soll, so kann man es sich auch vorstellen, Gottesdienste im Kurpark und auf den Dörfern zu feiern, um mit der Bevölkerung in Kontakt zu bleiben. Auch sollen die Gottesdienste lebendiger werden, z.B. mit Jugendbands, Chören und zur Weihnachtszeit einem Krippenspiel. Weiterhin will man noch mehr für einander da sein, wie durch die Mitwirkung an der Tafel, Kranken- und Seniorenbesuche und was sonst noch auf einer langen Liste mit Vorschlägen steht.

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Jugend verstärkt ansprechen

Breiten Raum nehmen auch die Angebote für die Kinder ein. Hier soll vor allem auf das Erzählen des Glaubens und das „gemeinsame leben“ der Fokus gelegt werden. Weiterhin könnte der KirchRaum für Kunst und Kultur geöffnet werden und auch ein spiritueller Waldspaziergang, ein Emmaus-Gang, ein Wandergottesdienst und ein Jugendkreuzweg großes Interesse wecken. Vor allem aber sei das Taufen an den Almequellen ebenso so gut angekommen wie die Fensteraktion bei der Bevölkerung vor Weihnachten.

Durch den Einsatz der sozialen Medien will man auch die Jugend verstärkt ansprechen. „Wir müssen neue Wege gehen“ plant Benedikt Meckel und nennt in diesem Zusammenhang den Discord-Channel und spezielle Angebote für junge Leute.

Pfarrer Rainer Müller kündigte an, dass das Kirchen-Mobil am Reformationstag in Brilon Station macht und vielleicht anschließend auch auf den Dörfern zu einem Ort der Begegnung werden könnte. Und das Ziel, mit der Sanierung und dem Umbau der Kirche auch inhaltlich nach neuen Wegen zu suchen, nannte der Pfarrer: „Das ist Reformation live“.