Bigge/Meerhof. Es geht um ein paar hundert Quadratmeter „steinreichen Ackers“ bei Marsberg, den Zugvögel auf ihrem Weg von Nordafrika in die Tundren aufsuchen.

Der Hochsauerlandkreis setzt sich über den Beschluss des Naturschutzbeirates hinweg und erteilt dem im Windpark Himmelreich zwischen Meerhof und Essentho erforderlichen neuen Umspannwerk die Baugenehmigung - obwohl er das eigentlich nicht dürfte. Denn dafür wäre die Zustimmung des Naturschutzbeirates erforderlich. Doch der hat das bei sechs zu sechs Stimmen abgelehnt - und sich damit erneut den Ärger von großen Teilen des Kreistags, vor allem von CDU und SPD, zugezogen.

Vorsitzender gibt im Naturschutzbeirat den Ausschlag

Denn bei einem Patt gibt die Stimme des Ausschussvorsitzenden den Ausschlag. Und das ist mit Johannes Schröder (Marsberg) ein Vorstandsmitglied des VNV. Und der vertritt nach eigenen Angaben im HSK den Naturschutzbund (NABU), der den HSK wegen der Baugenehmigung beklagt. SPD-Kreistagsmitglied Ludger Böddecker (Brilon) wies am Freitag im Kreistag darauf hin, dass der Beirats-Vorsitzende „in mehrfacher Hinsicht Verfahrensbeteiligter“ sei. Sein politisches Mandat, so Böddecker, dürfte der Beirats-Vorsitzende „nicht für eigene Interessen instrumentalisieren“.

Bezirksregierung am Zug

Windpark und Umspannwerk befinden sich in der von der Stadt Marsberg ausgewiesenen Windvorrangzone.Nach dem Beschluss des Kreistags, den Widerspruch des Naturschutzbeirates abzulehnen, ist nun innerhalb von sechs Wochen die Höhere Naturschutz bei der Bezirksregierung am Zuge.

In dem Beirat sind weitere VNV-Vorstandsmitglieder vertreten. Sie hatten sich jedoch von einem Fachanwalt einen Persilschein ausstellen lassen. Auf die Frage von Böddecker, ob dieses Gutachten etwa vor dem Hintergrund einer Organstreitigkeit auch noch vom HSK bezahlt werden müsse, sagte Fachbereichsleiterin Stefanie Kissmer, dass „bis jetzt keine Rechnung eingereicht“ worden sei. Wie berichtet, soll der Windpark Himmelreich für rund 170 Millionen Euro repowert und ausgebaut werden. Für rund drei Dutzend neuer Windräder ist ein neues Umspannwerk nötig. Das nimmt eine Fläche von rund 1400 qm in Anspruch.

Deutschland Randreiseroute

Dieser - so Maria Tillmann, Kreistagsmitglied der Grünen und deren Bundestagskandidatin - „steinreiche Acker“ liegt aber im Rastrevier des Mornellregenpfeifers. Wie viele dieser Zugvögel auf ihren rund 4000 km langen Reise von den Winterquartieren im Norden Afrikas zu den Tundren in Nordeuropa im Sintfeld für wenige Tage pausieren, ist nicht bekannt. In dem Korridor zwischen Kölner Bucht und Warburger Börde sind es keine 100 Exemplare; die ganz große Schwärme legen von Nordafrika oder dem Nahen Osten Strecken bis in den Himalaya zurück.

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Die Abgeordnete regte an, den Standort des Umspannwerks doch besser um 500 Meter zu verschieben. Auch Reinhard Loos von der Sauerländer Bürgerliste (SBL) sprach sich für einen anderen Standort aus. Windenergie sei unbestritten ein wichtiger Faktor für die Energiewende und den Klimaschutz - „Wir brauchen mehr davon.“ - andererseits gebe es aber auch „Konfliktpotential“ wie in diesem Fall. Für das Umspannwerk, so Loos, gebe es „andere Möglichkeiten“. Das sah auch Maria Tillmann so: „Wir müssen den Klimawandel jetzt aufhalten soweit es geht, dabei aber den Artenschutz im Auge behalten.“

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Der NABU begründet seine Klage u.a. auch damit, dass sich das geplante Umspannwerk innerhalb des geplanten Vogelschutzgebietes Brilon-Marsberg liege, das verfahrenstechnisch schon jetzt ein „faktisches Naturschutzgebiet“ sei und deshalb eine Veränderungssperre gelte.

Der Hochsauerlandkreis argumentiert, dass „das öffentliche Interesse an der Realisierung von Windenergie und der entsprechenden Infrastruktur - wie vorliegend dem Umspannwerk - das Interesse des Landschaftsschutzes an dem konkret vom Antragsteller vorgesehenen Standort“ überwiege.