Hochsauerlandkreis. Fünf Thesen gegen das Impfen oder mit einer Corona-Impfung noch zu warten. Hausarzt Siegfried Paffe aus dem HSK hört sie sich an – und erwidert.
Der entspannte Sommer ist vorbei, der Winter steht vor der Tür und die Corona-Fallzahlen steigen wieder. Gleichzeitig stellen Ärzte, aber auch Impfzentren eine gewisse Impfmüdigkeit fest – auch im Hochsauerlandkreis. Impfbusse, die vor Ort die Menschen direkt ansprechen, soll die Quote wieder in die Höhe treiben, um die Herdenimmunität zu erreichen. Viele scheuen dennoch den Gang zur Impfung, aus den verschiedensten Gründen. Wir haben einen Arzt für Allgemeinmedizin, Siegfried Paffe aus Hallenberg im HSK, mit den häufigsten Impf-Ausreden konfrontiert. Er beantwortet damit die Frage: „Warum sollte ich mich jetzt noch impfen lassen?“
Lesen Sie auch: Impfdurchbrüche im HSK - Das Gesundheitsamt nennt Fakten
These 1: Die nächste Corona-Variante kommt bestimmt
Der Impfschutz wirkt gegen die neuen Varianten wie Delta, aber eben offenbar nicht mehr so stark wie gegen die Varianten davor. Warum soll ich mich impfen lassen, wenn die Impfung vielleicht schon gegen die nächste Variante nicht mehr hilft?
Siegfried Paffe: Der Impfschutz gegen die Delta Variante ist nach meinem Wissensstand durch die verfügbaren Impfstoffe unverändert und ausreichend, um schwere Krankheitsverläufe bei Geimpften zu verhindern. Impfdurchbrüche lassen sich bekanntermaßen nicht vollständig verhindern, aber schwere Krankheitsverläufe treten signifikant seltener auf.
Lesen Sie auch:Lehrermangel im HSK: An diesen Schulen in es dramatisch
These 2: Ich bin doch nur ein Risiko für mich
Die Risikogruppen sind geimpft, meine Familie kann ich nicht mehr gefährden. Ungeimpft bin ich doch nur eine Gefahr für mich selbst, oder?
Alle ungeimpften Personen riskieren in der Tat eine Infektion, deren Verlauf vorab nicht kalkulierbar ist. Insbesondere da durch die vorherrschende Delta Variante das Infektionsrisiko deutlich gestiegen ist.“
These 3: Die Herde schützt mich doch eh bald
Was ist denn mit der Herdenimmunität? Schützt die mich nicht auch bald, wenn ich nur lange genug warte? Das Vertrauen auf eine baldige Herdenimmunität für alle – auch Nichtgeimpfte – greift zur Zeit noch nicht, da wie oben festgestellt das hohe Ansteckungsrisiko durch die Delta-Variante – im epidemiologischen Fachbegriff „Kontagiosität“ – genannt, eine höhere Durchimpfungsquote der Bevölkerung erfordert. Dieser Zusammenhang lässt sich anhand epidemiologischer Parameter gut erfassen und vorausberechnen. Die Schlussfolgerung hieraus ist banal: trifft das Virus auf viele geimpfte Personen, reißt die Infektionskette schneller und öfter ab. Bei einem Anteil von ca. 60 Prozent geimpfter Bevölkerung ist dieser Herdenschutz noch nicht erreicht, eine etwa 80 prozentige Impfquote wäre hierfür erforderlich.
Lesen Sie auch: Corona im HSK: Impfungen an den Schulen – Top oder Flop?
These 4: Jetzt habe ich wirklich keine Zeit für Nebenwirkungen
Ich habe bald Prüfungen, will bald übers Wochenende ans Meer oder habe einfach keine Zeit für Nebenwirkungen, die mich zwei Tage aus dem Verkehr ziehen. Ich kann die Impfung doch auch später noch durchführen lassen, oder?
Der Verweis auf mögliche Impfnebenwirkungen wird aus meiner hausärztlichen Sicht oft überstrapaziert. Natürlich sind solche Nebenwirkungen im üblichen Rahmen erwartbar, aber die bisherige Erfahrung zeigt, dass bisher keine häufigen Komplikationen aufgetreten sind. Seit Januar diesen Jahres wurden durch meine Praxis mehr als 2000 Impfdosen verschiedener Hersteller verimpft, ich kann von keinem einzigen Fall berichten, in dem es zu schwerwiegenden Komplikationen gekommen ist. Wer sich dennoch Sorgen macht, kann den Impftermin vor arbeitsfreien Tagen legen und sich eine Ruhephase einplanen.
These 5: Das AstraZeneca-Chaos gibt Menschen, die abwarten Recht
Das Abwarten hat mir Recht gegeben, wenn man sich anschaut, wie sich die Empfehlungen zu AstraZeneca verändert haben. Kann es nicht bei anderen Impfstoffen auch zu so einem Chaos kommen?
Was die Diskussion um den Impfstoff von AstraZeneca betrifft, ist sicherlich im Rückblick einiges an kommunikativen Pannen festzustellen, aber auch dieser Impfstoff hat bisher seine Wirksamkeit bewiesen – siehe das Beispiel Großbritannien. Zur Zeit spielt dieser Impfstoff aber keine nennenswerte Rolle mehr, die Verfügbarkeit anderer Impfstoffe ist derzeit gut und die Bedenken bezüglich Nebenwirkungen sollten damit ausgeräumt sein.
Warum ist eine Impfung für mich so wichtig?
Letztlich trifft jeder selbst seine Impfentscheidung. Ich kann nur den ärztlichen Rat geben, das Risiko einer Infektion nicht leichtfertig einzugehen. Kürzlich berichtete mir eine Intensivkrankenschwester von Ihren Erlebnissen auf einer großen Intensivabteilung im Ruhrgebiet. Sie hat leider zahlreiche Covid-Patienten sterben sehen, unter anderem auch einen jungen Mann von 23 Jahren, der nach einer vorsätzlichen Teilnahme an einer Corona-Party verstorben ist. Auch eine junge Kollegin von 37 Jahren musste über drei Wochen beatmet werden. Ich hoffe auf die Motivation der noch unentschlossenen Mitbürgerinnen und Mitbürger.