Brilon/Winterberg/Arnsberg/Hamm. Das Verfahren gegen einen ehemaligen Betreuer aus dem Altkreis Brilon geht weiter. Das OLG Hamm kassierte ein Urteil des Landgerichts.

Das Briloner „Mitternachts-Urteil“ ist zum Spielball der Instanzen geworden: Nachdem das Landgericht Arnsberg das Urteil des Amtsgerichts Brilon gegen einen ehemaligen Betreuer aus dem Raum Winterberg aus prozessualen Gründen aufgehoben hatte, so hat das Oberlandesgericht Hamm nun das Arnsberger Urteil erneut aus formaljuristischen Gründen für nichtig erklärt. Damit geht der Prozess in seine fünfte Runde.

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Es war bereits nach 23 Uhr, als das Schöffengericht in Brilon im Oktober 2019 nach drei teils heftig geführten Prozesstagen das Urteil gegen damals 54 Jahre alten Angeklagten verkündete und ihn wegen schweren Betrugs zu drei Jahre und neun Monate Gefängnis vergatterte. Was auffiel: Die Anklage hatte noch auf Untreue gelautet und das Mündel als Opfer dargestellt. Im Urteil dagegen hatte der Richter die Versicherung als Geschädigten bezeichnet.

Urteil an Anklage gebunden oder nicht gebunden?

Und genau deshalb hatte das Landgericht Arnsberg im August vergangenen Jahres dem Revisionsantrag der Verteidigung stattgegeben. In einem sogenannten „Prozessurteil“, in der rein formaljuristische Aspekte zur Sprache kamen, hatte die 1. Kammer des Landgerichts die Ansicht vertreten, dass der Angeklagte wegen einer gar nicht angeklagten Tat verurteilt worden sei. Oder wie die Sprecherin des Landgerichts Arnsberg, Leonie Maaß, für den Laien plakativ formuliert: „Es gab für das Urteil keine Anklage.“

Den „Gegenstand des Urteils“ regelt § 264 der Strafprozessordnung. Danach muss Gegenstand der Urteilsfindung „die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt“, sein. Ein Gericht ist „an die Beurteilung“ der angeklagten Tat „nicht gebunden“.

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Rund 180.000 Euro auf eigene Konten geleitet

Und genau das legen das Land- und das Oberlandesgericht gegensätzlich aus. Das OLG sieht nämlich „kein Verfahrenshindernis“ darin, dass das Gericht in Brilon aufgrund der Beweisaufnahme von der Untreue zum Betrug geschwenkt und nicht das Mündel, sondern dessen Versicherung als Geschädigten ausgemacht hatte.

Prozess geht ins vierte Jahr

Runde 1, Oktober 2018: Das Schöffengericht Brilon gibt das Verfahren nach drei Verhandlungstagen an das Landgericht Arnsberg ab, weil mit Entlarvung der gefälschten Vorsorgevollmacht eine Strafe von über vier Jahren im Raum steht, die das Schöffengericht nicht mehr aussprechen kann. Darauf geht das Landgericht Arnsberg nicht ein und verweist den Fall an das Amtsgericht Brilon zurück.

Runde 2, Oktober 2019: Das Schöffengericht Brilon in anderer Besetzung schickt den Angeklagten nach drei Verhandlungstagen mit einem kurz vor Mitternacht verkündeten Urteil wegen schweren Betrugs für drei Jahre und neun Monate hinter Gitter.

Runde 3, August 2020: Das Landgericht Arnsberg gibt der Revision der Verteidigung statt und hebt das Urteil auf.

Runde 4, Mai 2021: Das Oberlandesgericht Hamm gibt der Revision der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Landgerichts-Urteil statt und verweist den Fall zurück nach Arnsberg.

Zwar seien die angeklagte Untreue und der abgeurteilte Betrug „zwei zeitlich und räumlich getrennte Vorgänge“, beide seien jedoch „ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang“ und deshalb als „als einheitlicher Lebensvorgang ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung“ abzuurteilen“. Betrug (§ 263 StGB) und Untreue (§ 266 StGB) stellen „eine einheitliche prozessuale Tat dar, wenn die Untreuehandlung auf die Verwertung der Tatbeute gerichtet ist“.

Zur Erinnerung: Der Angeklagte soll nach Feststellung des Schöffengerichts in Brilon eine Vorsorgevollmacht gefälscht, damit Lebensversicherungen in Höhe von 200.000 Euro gekündigt und davon 180.000 Euro auf eigene Konten abgezweigt haben.

Demnächst auch noch einmal zurück nach Brilon?

Als nächstes ist nun erneut eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts Arnsberg mit dem Fall am Zuge. Wie Gerichtssprecherin Leonie Maaß sagte, gebe es dort einen langen Terminverlauf. Offen sei zudem, ob dann - im Gegensatz zur ersten Runde - eine Beweisaufnahme vorgenommen und der Fall auch inhaltlich aufgearbeitet wird. Und was die Sprecherin betonte: Die jetzt mit dem Fall betraute Kammer sei „an das Urteil der höheren Instanz nicht gebunden.“

Eine sechste Runde, diesmal wieder am Amtsgericht Brilon, scheint nicht ausgeschlossen.