Hochsauerlandkreis. Nach dem monatelangen Lockdown haben viele wieder Lust, essen oder auf Reisen zu gehen. Wieso das aber nun ein Problem für das Gastgewerbe ist:

Supermarktkasse statt Biertheke: Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die Hotels und Gaststätten im Hochsauerlandkreis eine dramatische Abwanderung von Fachkräften.

Innerhalb des vergangenen Jahres haben im Kreis rund 1000 Köche, Servicekräfte und Hotelangestellte dem Gastgewerbe den Rücken gekehrt – das ist jeder siebte Beschäftigte der Branche, wie die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf jüngste Zahlen der Arbeitsagentur mitteilt. Damit haben 14 Prozent der Beschäftigten die Branche verlassen. Angesichts weiterer Lockdowns bis in den Mai hinein dürfte sich der Personal-Schwund bis heute nochmals zugespitzt haben, befürchtet Lars Wurche, Gewerkschaftssekretär der NGG-Region Südwestfalen. „Viele Menschen schätzen es, nach langen Entbehrungen endlich wieder essen zu gehen oder zu reisen. Aber ausgerechnet in der Sommersaison fehlt einem Großteil der Betriebe schlicht das Personal, um die Gäste bewirten zu können“, so Wurche.

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Einbußen durch Kurzarbeit

Für die Lage macht der Gewerkschafter insbesondere die Einkommenseinbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich: „Gastro- und Hotel-Beschäftigte arbeiten sowieso meist zu geringen Löhnen. Wenn es dann nur noch das deutlich niedrigere Kurzarbeitergeld gibt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.“ Wenn die gut ausgebildeten Fachkräfte in Anwalts- oder Arztpraxen die Büroorganisation übernehmen oder in Supermärkten zwei Euro mehr pro Stunde verdienen als in Hotels und Gaststätten, dürfe es niemanden überraschen, dass sich die Menschen neu orientierten.

„Schon vor Corona stand das Gastgewerbe nicht gerade für rosige Arbeitsbedingungen. Unbezahlte Überstunden, ein rauer Umgangston und eine hohe Abbruchquote unter Azubis sind nur einige strukturelle Probleme. Die Unternehmen haben es über Jahre versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt“, kritisiert Wurche.

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Neustart für Gastronomie-Branche

Wirte und Hoteliers hätten nun die Chance, die Branche neu aufzustellen. Zwar seien viele Firmen nach wie vor schwer durch die Pandemie getroffen. Doch wer künftig überhaupt noch Fachleute gewinnen wolle, müsse jetzt umdenken und sich zu armutsfesten Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen. Dazu seien Tarifverträge unverzichtbar, unterstreicht Wurche: „Am Ende geht es um einen Kulturwandel. Auch Servicekräfte haben ein Recht darauf, vor dem Dienst zu wissen, wann Feierabend ist. Sie haben Anspruch auf eine anständige Bezahlung.“ Gastronomen, die das Mittagessen so günstig anböten, dass sie davon das Personal nicht mehr bezahlen könnten, machten ohnehin etwas falsch. „Viele Gäste sind durchaus bereit, ein paar Cent mehr für die Tasse Kaffee zu bezahlen“, so Wurche.

Die Gewerkschaft NGG verweist zudem auf die umfassenden Finanzhilfen des Staates für angeschlagene Betriebe. Durch Überbrückungshilfen können bis zu 60 Prozent der Personalkosten bezuschusst werden, wenn man Angestellte aus der Kurzarbeit zurückholt.