Brilon. Ein Dorf braucht einen Versammlungspunkt, wo die Gemeinschaft Freude und Trauer teilen kann. Doch das Projekt Bürgerkneipe braucht Wirtsleute.
„Ein Dorf ohne Kneipe ist wie ein Mensch ohne Herz.“ Das hat Manfred Leikop vor einigen Jahren in einem WP-Interview in Brilon-Thülen gesagt. Der Ehrenvorsitzende des örtlichen Sportvereins ist im Dorf- und Vereinsleben sehr aktiv. In dem Gespräch ging es damals um das Projekt „Bürgerkneipe“. In einer beispielhaften Aktion haben die Thülener es bis heute geschafft, ihre Gaststätte als von Bürgern getragene Gastronomie und damit als Lebensmittelpunkt für Jung und Alt zu erhalten. Sie setzen damit ein Ausrufezeichen gegen das allgemeine Kneipensterben. Jetzt hat das Pächterehepaar seine Zelte abgebrochen. Thülen sucht neue Wirtsleute für die Bürgerkneipe.
„Der Strukturwandel kündigte sich bei uns im zweiten Halbjahr 2012 an. Die Pächterfamilie Reitz hatte ihren Vertrag zum Jahresende gekündigt. Eine weitere Zusammenarbeit und eine Verlängerung mit dem ehemaligen Eigentümer der Gaststätte waren nicht mehr möglich. Schon von diesem Tag an hatten sich einige Thülener ernsthaft damit beschäftigt, die Gaststätte zu erhalten und damit auch einen Verfall der Bausubstanz zu verhindern“, berichtet Leikop rückblickend. Projekt gelungen, kann man heute nach neun Jahren sagen.
Bürger beteiligen sich in Thülen
Die Thülener fanden ein Konstrukt, in dem sich einige Bürger/innen finanziell mit einer Einlage beteiligten. Andere boten Eigenleistungen an, so dass die Gaststätten-Wohnung und auch der Gasthof wieder auf Vordermann gebracht wurden. Die Pächter-Familie Reitz blieb, zog aus einer Mietswohnung in die Wohnung der Kneipe um (115 Quadratmeter, zwei Badezimmer) und das Bürgerprojekt funktionierte.
Noch drei Stammtische im Dorf
Hochzeiten, Beerdigungskaffee, Vereinsversammlungen, Knobelclubs, Kultur, Stammtische – wer vom Dorf kommt, der weiß, wie wichtig ein Ort ist, an dem all diese Dinge stattfinden können. „Die Bürgerkneipe im Gasthof ,Zur Post`wurde gut angenommen. Der Saal allein hat 100 Sitzplätze, der Gastraum weitere 55, es gibt ein Vereinszimmer mit 26 Plätzen und drei Stammtische halten der Kneipe die Treue – der älteste Teilnehmer ist 94“. Man konnte hier auch sehr gut essen“, sagt Manfred Leikop.
Wolfgang und Meike Reitz seien aufmerksame und beliebte Wirtsleute gewesen. Mit Unterstützung der Kinder Jan und Marie sei der Laden gut gelaufen. Es gab regelmäßige Kulturveranstaltungen: Lesungen, Krimi-Dinner, Wirtshaus-Singen, Konzerte. Beamer, Leinwand, Holzscheit-Ofen – für jede Anforderung ist die Kneipe gerüstet. Doch dann kam Corona und bremste den Betrieb zwangsweise aus.
Kontakt
Wer als möglicher Pächter mit den Verantwortlichen des Bürgerprojektes Kontakt aufnehmen möchte, kann sich an Manfred Leikop wenden: 02963 1865 oder leikpop@gmx.de Die erste Bürgerversammlung zur Vorstellung des Projektes rief damals mit 68 Teilnehmern eine große Resonanz und Identifikation mit der Idee hervor.
„Am Anfang der Bürgerkneipe konnte man noch ganz gut davon leben. Heute wäre es schon besser, wenn zum Beispiel ein Ehepaar den Betrieb pachten und das Ganze als zweites Standbein sehen würde“, sagt Manfred Leikop. Die Corona-Zwangspause haben die Bürgerkneipen-Verantwortlichen für kleinere Renovierungsarbeiten genutzt. Jetzt könnte der Betrieb wieder starten, wenn sich denn neue Pächter fänden. Die Familie Reitz ist inzwischen nach Hamburg umgezogen. Schweren Herzens und mit viel Dankbarkeit haben die Thülener sich von ihren Wirtsleuten verabschiedet.
Moderate Pacht und Miete
Jetzt muss ein Plan B entwickelt werden. Manfred Leikop: „Pacht und Miete sind wirklich sehr moderat; uns geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern darum, die Kneipe in Dorf zu behalten. Wir haben immerhin noch zehn aktive Vereine, wir brauchen unserer Kneipe im Ort.“ Jedes Dorf müsse eine Kneipe als sozialen Treffpunkt für Stammtische, Vereinsversammlungen, Geburtstage, Hochzeiten, Vorstandssitzungen haben. Denn letztlich seien Erhalt und Ausbau der Vereinsstrukturen nur mit einer intakten Dorfkneipe möglich. Schon damals hat der Gedanke an den Verlust sozialer Infrastruktur die Initiatoren dazu bewegt, die Kneipe zu kaufen und als Bürgerprojekt zu führen – eben weil sie in gewisser Weise das Herz einer Dorfgemeinschaft ist und bleiben soll…