Marsberg. Schüler des Carolus-Magnus-Gymnasiums Marsberg reinigten die Stolpersteine in der Stadt. Was der Auslöser für die Aktion war:
Die sogenannten Stolpersteine in Marsberg glänzen jetzt wieder im schönsten hellen messinggoldgelb. Dafür gesorgt haben dieSchülerinnen und Schüler des Leistungskurses Deutsch und Geschichte des Carolus-Magnus-Gymnasiums Marsberg.
Mit Wurzelbürste, Schwamm, einfachem Edelstahlreiniger und viel Wasser, das sie eigens in Kanistern abgefüllt mitgenommen haben, gingen sie jetzt kurz vor Beginn der Sommerferien ans Werk und reinigten die Stolpersteine in der Stadt, vor der ehemaligen Synagoge im Weist, der Magnusstraße, der Hauptstraße, Bahnhofstraße und am jüdischen Friedhof in der Hameke.
+++ Lesen Sie auch: Delta-Variante oder mehr? HSK fast mit höchster NRW-Inzidenz +++
Buch ist Intention zum Reinigungsprojekt
Als erstes standen die Stolpersteine vor der ehemaligen jüdischen Schule in der Paulinenstraße an. „Ihr müsst erst etwas Edelstahlreiniger auf die Messingplatten geben, ihn etwas einwirken lassen und dann rubbeln, rubbeln, rubbeln und mit viel Wasser nachspülen“, gab ihnen Ralf Trachernach, stellvertretender Schulleiter als Hinweis an die Hand. Sodann machten sich Tom, Paul, Hendrik, Nele, Dara, Paula, Indira, Johanna, Maria Alexandra, Saskia Louisa und Julius an die Arbeit, begleitet von Schulleiter Dr. Markus Bohnensteffen, seinem Stellvertreter Ralf Trachternach. Er leitete den Deutsch-Leistungskurs und Kerstin Bomha. Sie leitet den Geschichts-Leistungskurs.
„Im Deutsch-LK haben wir die Lektüre ´Unter der Drachenwand` durchgenommen“, erklärt Ralf Trachternach die Intention zu dem Reinigungsprojekt. Das Buch handelt von der Kriegszeit und dem Schicksal der Juden in Österreich.
Um den Spuren der Juden in Marsberg nachzugehen, sind die Schülerinnen und Schüler den Stolpersteinen gefolgt. „Dabei fiel uns auf, dass sie total nachgedunkelt und verschmutzt sind“, sagt eine Schülerin. „Die Schrift darauf war kaum mehr zu erkennen.“ Die Geschichte hinter den Stolpersteinen haben sie den Büchern von Gudrun Banke entnommen und der Begleitbroschüre „Sie waren unsere Nachbarn“.
+++ Lesen Sie auch: Winterberg: Warum will niemand Hotelfachfrau lernen? +++
Auswanderung gelingt nicht
Die Stolpersteine vor der jüdischen Schule erinnern an Anna Meyerhoff ihre Kinder Helmut (geb. 1927), Liesel (geb. 1919) und Ernst (geb. 1921). Anna Meyerhoff (geb. 1893 in Padberg) war die Witwe des 1935 verstorbenen Lehrers Levi Meyerhoff, der 23 Jahre in der Niedermarsbeger jüdischen Schule unterrichtet hatte, bis die Schule 1934 geschlossen worden war. Das Ehepaar hatte vier Kinder. Die Familie konnte nach der Schließung der Schule zunächst weiterhin in der Lehrerwohnung bleiben.
Gudrun Banke schreibt in der Broschüre, dass beim Novemberprogrom 1938 SA-Leute auch in der Lehrerwohnung wüteten. Wie die anderen jüdischen Marsberger musste sich Frau Meyerhoff schriftlich verpflichten die Emigration ihrer Familie beschleunigt zu betreiben. Auch ihr 85-jähriger Vater Abraham Rosenbaum (gest. 1939) lebte zu dieser Zeit bei ihr. Die Tochter Liesel und der Sohn Ernst gingen nach Hannover und besuchten dort die Israelitischen Gartenbauschule, wahrscheinlich als Vorbereitung auf eine Emigration nach Palästina. Der älteste Sohn Werner begann nach dem Abitur in Warburg ein Lehrerstudium in Berlin. Aber weder der Mutter noch den drei jüngeren Kindern gelang die Auswanderung.
Der Deportationsbefehl kam für den 28. April 1942. Zusammen mit ca. 1000 Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg wurden sie nach Ostpolen verschleppt, in das Ghetto Zamose. Gudrun Banke in ihrem Buch: „Wie wir heute wissen wurden sie umgebracht, wahrscheinlich im Vernichtungslager Sobibor. Liesel und Ernst wurden Opfer einer Aussiedlungsaktion. Sie gelten als verschollen. Sohn Werner gelang 1939 die Emigration in die USA.“
+++ Lesen Sie auch: Tod in Winterberg: Täter und Opfer hatten wohl vorher Streit +++
Finanzierung ausschließlich über Spenden
In Marsberg ging die Initiative zum Verlegen der Stolpersteine als Gedenksteine vom örtlichen Jugendparlament unter Vorsitz von Tim Folcz aus. Der Stadtrat segnete einstimmig die Aktion ab. Um Tim Folcz hatte sich eine kleine Projektgruppe gebildet, mit Friedrich Kies, Siegfried Stolz und Gudrun Banke. Finanziert wurde das Projekt ausschließlich über Spenden.
Im Dezember 2009 verlegte der Kölner Künstler Gunter Demnig die ersten Stolpersteine in Niedermarsberg. Im Mai 2013 kamen weitere Steine in Niedermarsberg und Westheim hinzu, im März 2015 in Canstein, Borntosten, Beringhausen, Giershagen und Essentho. Die letzten Stolpersteine wurden im September 2016 in Udorf und Beringhausen verlegt.