Brilon/Marsberg. Die EU-Kommission hält das Vogelschutzgebiet für unnötig. Das teilte sie dem VNV mit. Der verschwieg das einfach. Was das für das Verfahren heißt

Bürgermeister Dr. Bartsch hält es für einen „weiteren Nachweis für die Heimlichkeit und Intransparenz“, mit der der Verein für Natur- und Vogelschutz im HSK (VNV) die Ausweisung des Vogelschutzgebietes Brilon-Marsberg betreibt: Denn als der VNV Ende 2019 bei der EU-Kommission mit seinem Antrag vorstellig wurde, hat die Kommission „keine ausreichende rechtliche Grundlage“ gesehen, die „von Ihnen geforderte Erweiterung zu verlangen“. Begründung: Die Bundesrepublik Deutschland habe allgemein bereits „ausreichende Vogelschutzgebiete für die von Ihnen aufgeführten Arten ausgewiesen“. Genau so hat es die EU-Kommission dem VNV mit Datum vom 10. Januar 2020 mit Blick auf das Vogelschutzgebiet mitgeteilt.

Bürgermeister informiert Politiker aus Brilon

Jetzt informierte Dr. Bartsch den Forst- und Umweltausschuss über die Existenz dieses Schreibens, das der VNV offenbar bis heute allen Beteiligten vorenthalten hat. Selbst dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) liege die Aussage der EU-Kommission nicht vor - und dabei sei es doch gerade das LANUV gewesen, das die Ausweisung und vor allem das dabei angelegte Tempo mit der Befürchtung eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens begründet habe.

VNV bestätigt Existenz des Schreibens

Gegenüber der WP bestätige das LANUV am Donnerstag, erst am 7. Juni, also am Montag dieser Woche, von dem Schreiben aus Brüssel erfahren zu haben. Für das vom VNV initiierte Verfahren habe die Stellungnahme keinen Einfluss gehabt. Es sei lediglich „als Eingangsbestätigung“ des VNV-Antrags zu werten. Genau so erklärt auch VNV-Vorstandsmitglied Johannes Schröder (Marsberg) gegenüber der WP den Umgang mit dem Brief aus Brüssel. Deshalb habe man die Stellungnahme auch „den anderen Stellen nicht weiter gegeben“.

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Inhaltlich teile das LANUV die „fachliche Auffassung der EU-Kommission, dass sich für die Abgrenzung und Ausweisung eines neuen Vogelschutzgebietes angesichts des fortgeschrittenen Standes des Melde- und Gebietsausweisungsverfahrens innerhalb Deutschlands besondere und gesteigerte Anforderungen ergeben“.

Das Schreiben stelle „lediglich die geltende und vom LANUV zugrunde gelegte Rechtslage dar“.

Das Schreiben, so LANUV-Pressesprecher Wilhelm Deitermann zur WP, „enthält ausdrücklich die Aufforderung an den VNV, sich mit seinem Anliegen an das zuständige Umweltministerium in NRW zu wenden.

Schutzzone von insgesamt rund 120 Quadratkilometern skizziert

Das LANUV hat „nach eigener naturschutzfachlicher Einschätzzung“ der vom VNV vorgelegten ornithologischen Fachdaten, also der vorgenommenen Kartierung, im Raum Brilon-Marsberg die für mehrere bedrohte Vogelarten bedeutsames Schutzzone von insgesamt rund 120 Quadratkilometern skizziert und die Bezirksregierung Arnsberg zur Einleitung des formellen Ausweisungsverfahren aufgefordert.

Für Bürgermeister Dr. Bartsch bestätigt die Stellungnahme der EU-Kommission die „Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens“.

Diese Auffassung teilen, wie berichtet. mehrheitlich auch die Räte von Brilon und Marsberg und auch die Kreisverwaltung. Alle drei stimmen ihre im Rahmen der noch bis 30. Juni laufenden Anhörungsfrist abzugebende Stellungnahme aufeinander ab. Gemeinsamer Tenor:

Bisher hat sich lediglich der Naturschutzbeirat des HSK mehrheitlich gegen die Stellungnahme ausgesprochen. Die Sauerländer Bürgerliste (SBL) feiert dies auf ihrer Homepage als Triumpf, ohne allerdings zu erwähnen, dass der HSK-Umweltausschuss zwei Tage später die Stellungnahme bei lediglich drei Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen hat. Der Naturschutzbeirat setzt sich zusammen aus Naturnutzern - wie zum Beispiel Repräsentanten von Land- und Forstwirtschaft - und Naturschützern wie BUND und NABU, es gehören ihm allein drei Vorstandmitglieder des VNV an, die sozusagen in eigener Sache mit abstimmten.

Bürgermeister Dr. Bartsch möchte gerne eine weitere Fristverlängerung für das Anhörungsverfahren erreichen, um vorher die in der Video-Konferenz mit Ministerin Heinen-Esser vorgeschlagene Vereinbarung a la Medebacher Bucht zu formulieren. Erst mit diesen Eckpunkten mache eine Stellungnahme Sinn. Für den Stadtforst etwa seien durch Einschränkungen bei der Aufforstung „erhebliche Einbußen“ zu befürchten, wie Forstamtsleiter Dr. Bub sagte.

Die CDU wiederholte ihre Kritik an der fachlichen Kompetenz der ehrenamtlichen Vogelbeobachter und dem Zurückhalten der Rohdaten. Fraktionssprecher Eberhard Fisch: „Ich werde ja auch nicht automatisch zum Sportler, wenn ich in einen Sportverein eintrete.“