Winterberg. Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis bemängelt fehlenden Impfstoff trotz „Berg an Anfragen“. Wie seine Praxis den Ansturm schaffen will.
Die Hoffnung ist groß: Die Impfpriorisierung fällt und jeder, der nicht einer Priorisierungsgruppe angehört, hofft auf einen baldigen Impftermin. In den Arztpraxen bedeutet das allerdings sehr viel mehr Arbeit – wie Tim-Henning Förster von der Sauerlandpraxis in Winterberg erzählt.
Wie viele Ihrer Patienten stehen schon auf der Warteliste und wie hoch ist der Andrang in den letzten Tagen, auf diese Liste gesetzt zu werden?
Tim-Henning Förster: Unsere Warteliste ist aktuell schon gut gefüllt, zwischen 300 und 400 potenziell zu impfenden Personen. Der Andrang hat in den letzten Tagen noch einmal spürbar zugenommen, die unsinnige Aufhebung der Priorisierung hat dafür gesorgt, dass die Telefonleitungen anhaltend blockiert sind und das E-Mail-Postfach überquillt. Wir werden auch Menschen auf unsere Liste nehmen, die regulär nicht bei uns in Behandlung sind, es gibt ja auch ausreichend Kandidaten, die gar keinen „richtigen“ Hausarzt haben, allerdings werden wir weiterhin unsere Patienten mit Prio 2 und 3 bevorzugt impfen, auch nach Ende der Priorisierung.
Reicht der gelieferte Impfstoff bisher aus, um Ihre Patienten gut zu versorgen? Wie viel Impfstoff wird Ihnen derzeit geliefert und welcher?
Der bisher gelieferte Impfstoff reicht bei weitem noch nicht aus, entspannt arbeiten zu können, das Problem haben aber nicht nur wir, wir sehen diese Problematik im gesamten Netzwerk, daher war es wenig hilfreich jetzt bereits die Priorisierung aufzuheben. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer ist weiterhin am gefragtesten, die Impfwilligen haben aber auch durchaus mitbekommen, dass der Impfstoff von AstraZeneca deutlich besser ist als sein medial verdorbener Ruf, also gibt es dort auch eine rege Nachfrage. Die Impfung von Johnson&Johnson gibt die schnellste Chance auf eine Impfung, die Liefermengen sind zwar auch knapp, aber die Nachfrage sehr gering.
Verabreichen Sie derzeit überhaupt Erstimpfungen oder sind Sie vollumfänglich mit den Zweitimpfungen beschäftigt?
Zweitimpfungen liegen klar vorne, sind zum Glück bisher auch garantiert. Wir sind aber in der glücklichen Situation auch in jeder Woche einige Erstimpfungen durchführen zu können.
Ist der Wegfall der Priorisierung für Sie überhaupt zu stemmen? Wo hakt es Ihrer Meinung nach? Hätten Sie sich einen späteren Zeitpunkt für die „Impfung für alle“ gewünscht?
Durch den Wegfall der Priorisierung hat sich ein erneuter Berg an Anfragen aufgetürmt, die Medizinischen Fachangestellen können den Telefonhörer praktisch nicht mehr weglegen, es häufen sich die digitalen Anfragen. Leider steht uns nicht annähernd genug Impfstoff zur Verfügung, um alle Anfragen zeitnah bedienen zu können. Wir werden auch weiterhin Patienten aus der Priogruppe 2 und 3 bevorzugt impfen. Die „Impfung für alle“ hätten wir uns wahrlich erst gewünscht, wenn Impfstoff für alle lieferbar wäre. In den allermeisten Fällen impfen wir Patienten, die ein erhöhtes Risiko haben einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden und Angehörige von disponierten Gruppen, ich wage zu behaupten, dass bei uns bisher erst sehr wenig „Gefälligkeitsimpfungen“ durchgeführt wurden. Es tauchen aber auch immer wieder Patienten mit hohem Risiko auf, die bisher durchs Raster gefallen sind, sich zum Beispiel beim Impfzentrum haben registrieren lassen und danach über Wochen nichts mehr gehört haben, die fragen jetzt zögerlich nach, ob wir sie nicht doch impfen könnten, solche Patienten rutschen dann in der Warteliste natürlich ganz weit nach oben und bekommen zeitnah die bisher versäumte Impfung.