Hochsauerland. Warum die aktuelle Impf-Priorisierung kritisch gesehen wird und warum Deutschland bald von Impfstoffen überschwemmt werden könnte.

Kritik an der derzeitigen Impf-Priorisierung hat der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), Dr. Volker Schrage, geübt. „Die Priorisierungsstufen Eins und Zwei waren gut und richtig. Die Stufe Drei ist in der Praxis schwer umsetzbar.“ Er wünsche sich, bei einem Mehr an Impfstoffen die Priorisierung fallen zu lassen. In einer Video-Pressekonferenz u.a. mit dem heimischen CDU-Europaabgeordneten Dr. Peter Liese und dem Ärztlichen Leiter des HSK-Impfzentrums in Olsberg, Dr. Christoph Hüttemann, hatten die drei Fachleute Optimismus verbreitet, dass es mit den Impfungen schon bald zügiger voran gehen werde. Damit verbunden wären auch baldige Lockerungen.

Viel Impfstoff prognostiziert

„Niemand kann etwas versprechen. Aber nach realistischen Einschätzungen und nach meinem Dafürhalten wird immer mehr Impfstoff auf den Markt kommen“, so Peter Liese. Im ersten Quartal seien gerade einmal 19,9 Millionen Impfdosen nach Deutschland geliefert worden. Für das dritte und vierte Quartal würden 236 Millionen Dosen als Liefermenge prognostiziert. Damit könnten rein rechnerisch 143 Millionen Menschen vollständig geimpft werden. Unter den vorhergesagten Mengen befinden sich noch zwei Vakzine, die auf ihre Zulassung warten. Für Curevac zum Beispiel sehen die Fachleute das „Go!“ in greifbarer Nähe. Außerdem muss bei der Berechnung bedacht werden, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson nur einmal verabreicht wird. Bisher sind 35,7 Mio. Impfdosen in Deutschland verimpft worden. Mit den bis Ende Juni zugesagten Impfstofflieferungen könnten theoretisch 56,75 Millionen Bürgerinnen und Bürger vollständig geimpft sein. Auch jüngeren Menschen machte Dr. Liese Hoffnung: „Ich gehe davon aus, dass es im Herbst eine Impfstoff-Zulassung für Unter-12-Jährige geben wird und dass noch in den Sommerferien ab 12 Jahre aufwärts geimpft werden kann.“

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Impf-Appell

Liese und die beiden Ärzte appellierten an die Bevölkerung, sich unbedingt impfen zu lassen, wenn sie die Chance haben. „Die Impfung schützt sehr gut und die Nebenwirkungen sind im Vergleich dazu extrem gering. Zwar gibt es immer wieder Fälle, wo auch geimpfte Personen sich mit dem Coronavirus infizieren, aber dies sind sehr seltene Ereignisse und vor allem führen sie praktisch nie zu einem schweren Verlauf“, so Liese.

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Dass Impfwillige mittlerweile zweigleisig fahren und versuchen, sich über die KVWL einen Termin im Impfzentrum und parallel dazu einen Termin beim Hausarzt zu besorgen, sei nachvollziehbar“, sagte Dr. Hüttemann: „Man sollte aber so fair sein und dann den Termin absagen, der nicht mehr benötigt wird.“ In vielen anderen Kreisen liege diese Quote von nicht abgesagten Terminen bei zehn Prozent. Dr. Hüttemann: „Bei uns liegt sie vielleicht bei drei bis vier Prozent.“ Aber trotzdem sei nie ein Impfstoff verfallen und man habe notfalls bis spät abends die Liste mit weiteren priorisierten Personen abtelefoniert.

EU-weites Zertifikat in Arbeit

für Dr. Liese erklärte außerdem, dass in der Europäischen Union im Moment an einem Zertifikat gearbeitet werde, mit dem man auch bei Auslandsreisen nachweisen könne, dass man geimpft, negativ getestet oder von der Krankheit genesen sei, damit so Schritt für Schritt auch wieder Reisen möglich sind. „Ein weiterer Grund sich schnellstmöglich impfen zu lassen“, so Liese. „Mein Wunsch wäre es, dass jeder im Moment etwas geduldiger sein sollte, auch wenn er noch kein Impfangebot bekommen hat. Ich bin optimistisch, dass im Hochsommer jeder, der möchte, zumindest die Erstimpfung erhält“, schloss sich Dr. Christoph Hüttemann an. Aber auch darüber müssen sich alle im Klaren sein: „Das Virus ist durch die Impfungen nicht weg. Ähnlich wie bei der Influenza-Impfung werden wir vermutlich einmal im Jahr mit immer wieder angepassten Wirkstoffen impfen müssen“, so Dr. Schrage.